Ordnungs­wid­rig­keiten: Was folgt aus folgen­losen Anzeigen?

 

An sich ist die Verfolgung von Ordnungs­wid­rig­keiten immer noch Sache der Behörden. Die sind dazu berufen „von Amts wegen“ gegen Rechts­ver­stöße einzuschreiten.

Polizist in Fahrradkleidung schreibt Falschparker auf, der Radweg an Kreuzung zuparkt

Foto: Faltradler_Aufbruch-Fahrrad.de, , CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Aller­dings ist bekannt, dass die Polizei- und Ordnungs­be­hörden häufig gar nicht genug „Manpower“ haben, um ihrer Aufgabe halbwegs flächen­de­ckend nachzu­kommen. Daher gibt es immer wieder Konflikte, wenn Verkehrs­teil­nehmer durch rechts­wid­riges Verhalten andere behindern oder gefährden. Nicht selten ist dies eine Quelle von Nötigung oder sogar Gewalt im Straßenverkehr.

Nun, Selbst­justiz sollte eigentlich durch das Gewalt­mo­nopol und die zivili­sa­to­ri­schen Errun­gen­schaften des Rechts­staates überwunden sein. Aber der Firnis der Zivili­sation ist bekanntlich dünn. Und bricht regel­mäßig auf, wenn sich die Polizei fein raushält und die Bürger das Recht selbst in die Hand nehmen.

Insofern ist es durchaus sinnvoll, dass die zustän­digen Verwal­tungs­be­hörden nicht nur von Amts wegen auf den Plan treten (oder dem Ort des Geschehens fernbleiben). Sondern dass es für Privat­per­sonen auch noch die Möglichkeit gibt, Ordnungs­wid­rig­keiten anzuzeigen. Auch wenn das von inter­es­sierten Kreisen manchmal als Denuzi­an­tentum denun­ziert wird, dient das Anzeigen von Ordnung­wid­rig­keiten durch Betroffene eigentlich der Befriedung von Konflikten. Die dann in der Folge nämlich rechts­förmig ausge­tragen werden.

Aber was folgt eigentlich, wenn ein Rechts­verstoß zur Anzeige gebracht wird? Hat der Anzei­gende eine Möglichkeit, sich über den Ausgang des Verfahrens zu infor­mieren? Gibt es Möglich­keiten die Verfolgung von Ordnungs­wid­rig­keiten zu erzwingen?

Nun können Privat­per­sonen zwar Ordnungs­wid­rig­keiten anzeigen. Ob die zustän­digen Behörden tatsächlich ein Bußgeld­ver­fahren einleiten, liegt gemäß § 47 Abs. 1 Ordnungs­wid­rig­keits­gesetz (OWiG) in ihrem Ermessen. Die Anzei­genden haben keine heraus­ge­hobene Position im Verfahren, sie geben quasi eine Anregung zur Ermittlung durch die zuständige Behörde und sind gegebe­nen­falls als Zeugen für den Rechts­verstoß relevant. Auf das laufende Verfahren können sie jedoch kaum Einfluss nehmen.

Dagegen kommt der Täter der Ordnungs­wid­rigkeit aufgrund seines Akten­ein­sichts­rechts in der Regel an die persön­lichen Daten des Anzei­ge­stellers. Als poten­tielle Zeugen finden sie mit ihrer Anschrift nämlich in der Regel Eingang in die von der Behörde geführte Akte. Dadurch sind Anzei­ge­er­statter immer wieder Repres­salien durch die Angezeigten ausgesetzt.

Gemäß 46 Abs. 1 OWiG sind auf das Bußgeld­ver­fahren auch die Vorschriften über das Straf­ver­fahren anzuwenden, soweit das OWiG nichts anderes bestimmt. Nach §§ 158, 152 Abs. 2 Straf­pro­zess­ordnung (StPO) muss die zuständige Behörde daher auch bei Anzeigen den Sachverhalt auf Hinweise für das Erfüllen des Bußgeld­tat­be­standes unter­suchen. Erst dann kann die nach pflicht­ge­mäßem Ermessen entscheiden, ob eine Einstellung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Frage kommt.

Wenn Anhalts­punkte dafür vorliegen, dass Anzeigen syste­ma­tisch nicht nachge­gangen wird, gibt es unter Umständen doch eine Handhabe für die von den Rechts­ver­let­zungen betrof­fenen. Abhilfe schaffen könnten gegeben­falls eine Dienst­auf­sichts­be­schwerde und wenn dies nichts hilft, u.U. Fachauf­sichts­be­schwerde bei der überge­ord­neten Verwaltungseinheit.

In machen Fällen kann auch ein Anspruch nach dem Infor­ma­ti­ons­frei­heits­gesetz dafür sorgen, Licht in das Dunkel nicht oder unein­heitlich vollzo­gener Rechts­vor­schriften zu bringen. Insofern, auch wenn es manchmal so scheint, sind die Bürger der Untätigkeit der Verwaltung bei massiven und wieder­holten ungeahn­deten Rechts­ver­stößen nicht schutzlos ausge­liefert (Olaf Dilling).

2021-05-13T00:34:33+02:0013. Mai 2021|Allgemein, Verkehr|

Neues zum Kitaan­spruch: Beschlüsse des OVG Berlin-Brandenburg

Ab dem ersten Geburtstag hat ein Kind Anspruch auf einen Kitaplatz. Wie man diesen geltend macht, habe ich vor einigen Wochen bereits einmal darge­stellt. Aber was, wenn das Jugendamt – in Berlin sind das die Bezirke – diesen nicht bereit­stellen kann, weil es nicht genug gibt? Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) stellte im letzten Jahr fest, dass bundesweit fast 300.000 Plätze fehlen. Das ist nicht nur drama­tisch für die Kinder, denen die Förde­rungs­mög­lich­keiten einer Kita vorent­halten werden. Sondern auch für die Eltern, die nicht so arbeiten können, wie sie es möchten.

Nachdem das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) 2015 klarge­stellt hat (1 BvF 2/13, dort Rn. 43), dass der Anspruch auf einen Kitaplatz nicht unter einem Kapazi­täts­vor­behalt steht, konnten sich die Gemeinden nicht mehr darauf heraus­reden, dass sie keine Plätze haben. Zuletzt hatte sich eine Recht­spre­chung durch­ge­setzt, nach der die Jugend­ämter Kitaplätze zuweisen mussten, und ansonsten auch teurere private Betreu­ungs­lö­sungen tragen oder die entgan­genen Einkünfte für längere Eltern­zeiten als ursprünglich beabsichtigt tragen mussten.

Am Ende sahen sich also doch die Eltern in der Pflicht. Das könnte sich jetzt aller­dings ändern: Das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 22.03.2018 (OVG 6 S 2.18 und OVG 6 S 6.18) das Land Berlin verpflichtet, innerhalb von fünf Wochen Kitaplätze (oder gleich­wertige Betreu­ungs­plätze) in angemes­sener Entfernung von weniger als 30 Minuten nachzu­weisen. Wie diese Plätze angesichts von Fachkräf­te­mangel und Ausbausch­wie­rig­keiten herzu­stellen sind, ist dabei nicht das Problem der Eltern.

Was folgt daraus für die Praxis? Eltern sollten so früh wie möglich Kitagut­scheine beantragen. Den Weg zur Wunschkita wird wohl jede Familie auch weiterhin einschlagen, denn schließlich gibt es erheb­liche räumliche und quali­tative Unter­schiede zwischen den Einrich­tungen. Doch wenn die Wunschkita absagt, sollten Eltern recht­zeitig das Gespräch mit dem Jugendamt suchen, wenn der vollständig und frist­gemäß gestellte Antrag nicht beschieden wird, mit Untätig­keits­klage drohen und diese notfalls einlegen. Diese Schritte sollten so recht­zeitig einge­leitet werden, dass das Jugendamt mindestens die in diesen beiden Eilver­fahren für angemessen erklärten fünf Wochen Zeit hat, um Kitaplätze nachzu­weisen. Sollte sich auch dann nichts tun, wäre an gerichtlich festge­setzte Zwangs­maß­nahmen zu denken. Doch erfah­rungs­gemäß lassen Behörden es so weit dann doch nicht kommen. Als Eltern vergrößern sich durch diese sich fortent­wi­ckelnde Recht­spre­chung die Spiel­räume. Für die Städte und Gemeinden jedoch heißt es nun, auch unkon­ven­tio­nelle Wege zu gehen, um den gesetzlich einge­räumten Anspruch in jedem Fall erfüllen zu können. Abwimmeln und aussitzen und auf private Initiative hoffen ist jeden­falls keine ernst­hafte Option mehr.

2018-03-23T15:37:39+01:0023. März 2018|Verwaltungsrecht|