Urteil Gehweg­parken, next level!

Wir hatten bereits berichtet, dass in Bremen ein verwal­tungs­ge­richt­licher Streit anhängig ist, der für den Verkehr in deutschen Städten eine erheb­liche Bedeutung hat. Genauer gesagt geht es um das – illegale – nicht angeordnete Parken auf Gehwegen. Damals ging es um die Entscheidung vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Bremen.
SUV parkt auf Gehweg, so dass Passantin kaum noch vorbeikommt
Kläger mehrerer Straßen in Bremen hatten geklagt, da sie ihre Rechte als Fußgänger beein­trächtigt sahen, da die Stadt seit Jahrzehnten nichts gegen die Falsch­parker unter­nimmt. Die Klage richteten sie nicht gegen die Ordnungs­be­hörden, um Bußgeld­ver­fahren zu erzwingen, sondern gegen die Straßen­ver­kehrs­be­hörde, die anders geartete Maßnahmen ergreifen solle, wie z.B. Verdeut­li­chung durch Verkehrs­zeichen, Verwal­tungs­vollzug, Infor­mation der Falsch­parker o.ä. Das VG gab den Klägern in seinem Urteil (im Wesent­lichen) recht, verpflichtete die Behörde dazu, die Kläger erneut zu bescheiden und gab dabei der Behörde in den Entschei­dungs­gründen auf, geeignete Maßnahmen zum Abstellen des Gehweg­parkens zu ergreifen.
Die Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts Bremen fällt zwar hinter die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts insofern zurück, als dem Land Bremen in der Berufung zum Teil recht gegeben wurde. Das liegt jedoch gar nicht so sehr daran, dass die Kläger nicht in der Sache recht hätten. Das Gericht hat vielmehr festge­stellt, dass der aktuelle Zustand rechts­widrig ist und früher oder später auch abgestellt werden muss. Aller­dings waren die Anträge zum Teil zu unbestimmt oder zu weitgehend formuliert.

Die Entscheidung ist jedoch auch aus drei Gründen bedeutend für die Rechte nicht­mo­to­ri­sierter Verkehrsteilnehmer:

  • erstens wird deutlich, dass das nicht durch Verkehrs­zeichen oder entspre­chende Markierung angeordnete Gehweg­parken rechts­widrig ist (auch wenn dies in der juris­ti­schen Fachwelt praktisch unumstritten ist, hat sich das weder unter Autofahrern, noch unter den Polizei- und Ordnungs­kräften ausrei­chend herumgesprochen)
  • zweitens wird in ihr klarge­stellt, dass neben den Ordnungs­be­hörden auch die Straßen­ver­kehrs­be­hörden verant­wortlich sind für die Einhaltung der Straßen­ver­kehrs­ordnung und dass ihr insofern verschiedene Mittel zu Gebote stehen
  • drittens wird deutlich, dass Fußgänger im Verkehr eigene, subjektive Rechte haben, die sie vor Gericht einfordern und gegenüber den Behörden beanspruchen können.

Was die Einschränkung der Entscheidung des VG angeht, die vom beklagten Land Bremen mit der Berufung angriffen wurde: Im Wesent­lichen geht es darum, dass das Oberver­wal­tungs­ge­richt nun anerkennt, dass der rechts­widrige Zustand, den die Kläger beseitigt haben wollen, in sehr vielen Bremer Straßen und seit Jahrzehnten besteht, ohne dass die Stadt etwas dagegen unter­nommen hätte. Dies zu besei­tigen sei nicht von einem Tag auf den anderen möglich. Daher bestehe aktuell kein Anspruch der Kläger auf unmit­tel­bares Einschreiten (keine sogenannte Ermes­sens­re­duktion auf Null). Da der rechts­widrige Zustand aber beseitigt werden muss, ist die Stadt zumindest verpflichtet ein Konzept zu entwi­ckeln, bei der eine Priori­sierung vorge­nommen wird, so dass in den am stärksten betrof­fenen Straßen zuerst, aber nach und nach auch in allen anderen Straßen die Gehwege von Falsch­parkern befreit werden. Wenn es nach dem OVG geht, ist es also nur eine Frage der Zeit, dass die rechts­widrige Praxis im gesamten Stadt­gebiet beendet wird.

Was in der Folge strittig ist, ist die Frage, ob die rechts­widrige Praxis in Bremen zum Teil durch nachträg­liche Anordnung des Gehweg­parkens legali­siert werden kann. Wir haben zu dieser Frage zwischen­zeitlich ein Rechts­gut­achten für einen Bremer Verband angefertigt und schreiben dazu demnächst noch einen separaten Beitrag. (Olaf Dilling)

2023-03-06T20:09:46+01:006. März 2023|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Kein Verbot der „Later­nen­garage“ durch Straßenrecht

Im Zusam­menhang mit der Verkehrs­wende und neuen Formen der Mobilität kommt immer wieder die Frage auf, ob sich nicht über das Straßen­recht der Gemein­ge­brauch einschränken ließe. Das soll dann zum Beispiel dazu dienen, das Parken von Kraft­fahr­zeugen in bestimmten Fällen als Sonder­nutzung zu definieren und damit geneh­mi­gungs­pflichtig zu machen. Prominent ist der Versuch, bestimmte Nutzungen durch eine Änderung des Straßen­rechts auf Landes­ebene heraus­zu­nehmen. So sollten durch die Einfügung des § 11a in das Berliner Straßen­gesetz  das gewerb­liche Anbieten von Mietfahr­zeugen als Sonder­nutzung definiert und aus dem Gemein­ge­brauch heraus­ge­nommen werden. Hinter­grund ist die Flut von Elektro­kleinst­fahr­zeugen (z.B. eScootern) auf den Bürger­steigen der Haupt­stadt, die oft zu chaoti­schen Zuständen für Fußgänger führt. Ob dieser Geset­zes­vorstoß verfas­sungs­rechtlich zulässig ist, wird derzeit vor Gericht erörtert. Mobili­täts­an­bieter, die dagegen klagten, haben bereits letztes Jahr im Eilver­fahren vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin vorläufig recht bekommen.

Um zu sehen, was rechtlich das Problem ist, lohnt es sich, in eine etwas ältere Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zu gucken, die sogenannten Later­nen­ga­ragen-Entscheidung (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1984 – 2 BvL 10/82): Die Hanse­stadt Hamburg hatte nämlich bereits Anfang der 1960er Jahre versucht, die sogenannte „Later­nen­garage“ unter Geneh­mi­gungs­vor­behalt zu stellen. Dafür wurde im Hambur­gi­schen Wegegesetz eine Passage einge­führt, nach der die Benutzung des Weges als Einstell­platz für ein Kraft­fahrzeug in der Nähe der Wohnung oder der Arbeits­stätte des Fahrzeug­halters oder ‑benutzers vom Gemein­ge­brauch ausge­nommen werde.

Diese Passage wurde, nachdem der Inhaber eines Omnibus­un­ter­nehmens Klage erhoben hatte, schließlich dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt vorgelegt. Mit dem Ergebnis, dass das BVerfG die Kompe­tenz­ordnung verletzt sah: Da das Straßen­ver­kehrs­recht die Regeln über Halten und Parken in der StVO regele, sei für eine straßen­recht­liche Eingrenzung  dessen, was auf deutschen Straßen erlaubt und verboten sei, kein Platz. Das Land Hamburg hatte, so die Meinung der Richter in Karlsruhe, mit ihrer Regelung gegen Bundes­recht verstoßen.

Diese Recht­spre­chung zeigt, dass die Hoffnungen trüge­risch sein können, die teilweise auf eine Regelung von verkehrs­recht­lichen Fragen über das Straßen­recht gesetzt werden. Zwar kann es für die Länder und Kommunen attraktiv sein, nach Alter­na­tiven zu suchen, wenn auf Bundes­ebene die Sache der Verkehrs­wende nicht wirklich vorangeht. Dabei sind jedoch die Grenzen der Gesetz­ge­bungs­zu­stän­dig­keiten zu beachten. (Olaf Dilling)

2023-03-01T21:01:52+01:001. März 2023|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

AG Frankfurt: Behin­dernd abgestellter E‑Scooter

Man sollte meinen, dass es Möglich­keiten gibt, gegen behin­dernd auf Gehwegen abgestellte E‑Roller vorzu­gehen. Aller­dings gibt es vom letzten Jahr eine Entscheidung des Amtsge­richts (AG) Frankfurt am Main, die skeptisch stimmt. Ein Betrie­ban­ge­stellter des Straßen­ver­kehrsamts hatte einen elektri­schen Tret-/Stehroller, sog. eScooter, eines der Aufsteller auf dem Gehweg so abgestellt vorge­funden, dass er andere behinderte.

Von zwei unterschiedlichen Aufstellern auf einem öffentlichen Platz behindernd aufgestellte E-Roller.

Die Halterin des eScooters, eine der Aufsteller dieser Fahrzeuge, hatte sich trotz wieder­holter Anhörung nicht zur Identität des Fahrers geäußert. Daher sollten ihr nun die Kosten des Verfahrens nach § 25a Straßen­ver­kehrs­gesetz (StVG) auferlegt werden. Dagegen erhob sie beim AG Frankfurt Einspruch. Das AG entschied, dass es an einem vorwerf­baren Halt- oder Parkverstoß mangele und damit an einer ahndungs­fä­higen Ordnungswidrigkeit.

Begründet wurde dies vom Gericht damit, dass gemäß § 11 Abs. 5 Elektro­kleinst­fahr­zeu­ge­ver­ordnung (eKFV) für das Abstellen von Elektro­kleinst­fahr­zeugen die für Fahrräder geltenden Parkvor­schriften entspre­chend gelten würden. Nun ist von der Rechts­spre­chung anerkannt, dass Fahrräder grund­sätzlich auch auf Gehwegen abgestellt werden dürfen (vgl. VG Braun­schweig, Urteil vom 25.01.2005 – 5 A 216/03).

Das AG Frankfurt stellt in Überein­stimmung mit dieser Rechts­spre­chung klar, dass die Regeln der § 12 Abs. 4 f. StVO nicht für Fahrräder gelten würden. Womit sich das AG in seinem Beschluss jedoch nicht ausein­an­der­setzt ist die Frage, ob nicht zumindest § 1 Abs. 2 StVO auch für Fahrräder und eScooter gelten müsste: Wenn diese Fahrzeuge auf Gehwegen behin­dernd geparkt werden, müsste ein Bußgeld fällig werden. (Olaf Dilling)

2023-02-23T19:02:07+01:0023. Februar 2023|Allgemein, Verkehr|