Wenn der Nachbar mit der Säge…
Bäume im eigenen oder in des Nachbars Garten sind oft ein hoch emotionales Thema. Für die einen sind Bäume durchweg positiv besetzt, zudem verbessern sie spürbar das Stadtklima, für die anderen ein steter Quell von Verschattung und Laubwurf oder gar wegen Windbruch eine Gefahr für Leben und Eigentum.
Ähnlich zwiegespalten sind auch die Wertungen des Rechtssystems: Da gibt es das öffentliche Recht, das die Bäume schützt. Sei es durch das Naturschutzrecht des Bundes und der Länder, sei es durch Baumschutzsatzungen, ‑verordnungen oder ‑kataster der Kommunen.
Dann gibt es aber auch das Bürgerliche Recht. Hier steht die Eigentumsfreiheit im Vordergrund. Dass sich natürliche Prozesse, Ökosysteme oder auch einzelne Lebewesen in der Regel nicht an Eigentumsgrenzen halten, bleibt weitgehend unberücksichtigt. Wir hatten das unlängst mal am Beispiel einer auf der Grundstücksgrenze wachsenden Wildkirsche gezeigt, über das Oberlandesgericht (OLG) München entscheiden musste. Ein Nachbar hatte deren Wurzeln beim Bau eines Gartenhauses gekappt. Was nach § 910 BGB zulässig sei, so das Gericht, selbst wenn der Baum daraufhin wegen der dadurch erfolgten Schädigung gefällt werden muss.
Ein ähnlicher, ursprünglich beim Amtsgericht Pankow/Weissensee anhängiger Fall, bei dem es um eine Schwarzkiefer ging, wurde nun vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Ein Nachbar hatte sich über Nadeln und Zapfen einer 40 Jahre alten Kiefer geärgert, deren Äste bereits seit mindestens 20 Jahren über seine Grundstücksgrenze gewachsen waren. Er griff er daher zur Säge und schnitt die Äste direkt über der Grenze ab. Dafür ist gemäß § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB zuvor eine Fristsetzung erforderlich. Außerdem besteht dieses Recht nicht, wenn von den Ästen keine Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung ausgeht.
Zwischenzeitlich hatte der BGH entschieden, dass nicht nur von den Ästen unmittelbare, sondern auch mittelbaren Folgen, wie der Abfall von Nadeln und Zapfen, eine solche Beeinträchtigung darstellen können. Nun hat der BGH darüberhinaus entschieden, dass auch die Tatsache, dass der Baum durch das Kappen der Äste seine Standfestigkeit verliert oder abzusterben droht, kein Hindernis für die Ausübung des Selbsthilferecht darstellt. Allerdings hat der BGH die Sache an das Landgericht Berlin zurückverwiesen, um prüfen zu lassen, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der Nutzung gegeben war (Olaf Dilling).