Paukenschlag aus Münster: Was an der Markterklärung des BSI nicht stimmt
Ein Paukenschlag aus Münster: Das OVG NRW hat mit – unanfechtbarem – Beschluss vom 4. März (Az.: 8 21 B 1162/20) das Smart-Meter-Roll-Out erst einmal gestoppt. Die Markterklärung des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) aus dem Januar 2020 sei höchstwahrscheinlich rechtswidrig.
Worum geht es eigentlich?
Das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) zielt darauf ab, die heute verwendeten Stromzähler bis 2032 durch sog. „intelligente Messeinrichtungen“, Smart-Meter-Gateways, zu ersetzen, die digitale und mit dem Internet verbundene automatische Kommunikationsschnittstellen sein sollen. Als das Gesetz erlassen wurde, gab es diese Messsysteme aber noch gar nicht. Deswegen sollten die Messstellenbetreiber erst zum Einbau dieser modernen Einrichtungen verpflichtet werden, wenn es mindestens drei Unternehmne zertifizierte Smart-Meter-Gateways anbieten, was das BSI per Allgemeinverfügung feststellen sollte (hierzu ein älterer Beitrag aus 2018).
Um diese deutlich später als erwartet am 31.01.2020 ergangene Allgemeinverfügung, genannt „Markterklärung“ dreht sich das nun spektakulär entschiedene Eilverfahren.
Warum hält das OVG Münster die Markterklärung für rechtswidrig?
Laut OVG Münster liegen die Voraussetzungen für die Markterklärung nicht vor. Sie sei vorschnell ergangen. Die laut Allgemeinverfügung verfügbaren drei Messsysteme seien nicht nach § 24 MsbG zertifiziert und sie seien auch nicht zertifizierbar. Die Anforderungen des § 22 MsbG seien nämlich nicht erfüllt, weil die erforderliche Interoperabilität der intelligenten Messsysteme nicht vorliegt. Das hatte das BSI nicht etwa übersehen. Die Behörde hatte vielmehr – möglicherweise, um überhaupt endlich Messsysteme zulassen zu können? – eine eigene technische Richtlinie mit dem schönen Namen „Anlage VII der Technischen Richtlinie TR-03109–1“ erlassen, anhand derer sie geprüft und für ausreichend sicher erklärt hatte. Das reichte dem OVG Münster aber nicht, denn Behörden sind nicht befugt, in untergesetzlichen Technischen Richtlinien von den gesetzlichen Vorgaben einfach abzuweichen.
Was bedeutet diese Entscheidung?
Der Beschluss ist im Eilverfahren ergangen. Eilentscheidungen sind – anders als viele glauben – nicht etwa „besonders schnelle Urteile“. Es handelt sich vielmehr um Regelungen für den manchmal erheblichen Zeitraum bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung einer Frage. Hier bedeutet das also: Am Verwaltungsgericht (VG) Köln sind aktuell eine Vielzahl von Klagen gegen die Markterklärung anhängig. Es ist gut möglich, dass es noch Jahre dauert, bis sie rechtskräftig entschieden worden sind. Der Weg durch die Instanzen ist regelmäßig lang.
Für diesen Zeitraum ist die Markterklärung nun erst einmal nicht mehr verbindlich. Das BSI hatte in der Markterklärung deren sofortige Vollziehung angeordnet. Nachdem das OVG Münster die aufschiebende Wirkung der anhängigen Hauptsacheklage wiederhergestellt hat, dürfen Messstellenbetreiber also erst einmal weiter andere Messeinrichtungen verwenden als nur die in der Markterklärung genannten. Da auch eher nicht anzunehmen ist, dass das OVG Münster im Hauptsacheverfahren seine Ansicht über die Markterklärung ändern wird, sind BSI und die Anbieter der offenbar vorschnell zugelassenen Messsysteme nun aufgerufen, eine gesetzeskonforme Zulassungslage zu schaffen.
Oder der Gesetzgeber denkt noch einmal darüber nach, ob das MsBG wirklich eine so gut Idee war wie ursprünglich angenommen (Miriam Vollmer).