Warten auf den BGH: Was wird aus Mieterstrommodellen?

Nach wie vor sieht es danach aus, als ob 2019 nicht das Jahr der Mieter­strom­mo­delle würde, also dezen­traler Versor­gungs­mo­delle, bei denen Gebäude mit vor Ort erzeugter grüner Energie versorgt werden.

Eine maßgeb­liche Ursache für den schlep­penden Fortschritt ist die allzu enge Auslegung des Begriffs der Kunden­anlage in § 3 Nr. 24a EnWG. Mieter­strom wird nämlich nur über Kunden­an­lagen, nicht über „richtige“ Netze geliefert. In der zitierten Norm ist die Kunden­anlage deswegen recht detail­liert, aber ohne zahlen­mäßige Grenze definiert. Chroni­scher Stein des Anstoßes: Nur wettbe­werblich unbedeu­tende Struk­turen können danach Kunden­an­lagen sein. Aber wann ist das der Fall?

Nach Ansicht des OLG Frankfurt liegen – wir berich­teten – schon bei 100 Anschlüssen keine Kunden­anlage mehr vor. Das energie­rechtlich bekanntlich besonders wichtige OLG Düsseldorf hat zumindest bei rund 500 Wohnungen eine Kunden­anlage verneint. Diese Diffe­ren­zierung ist alles andere als rein akade­misch: Wenn Versor­gungs­lei­tungen nämlich nicht als Kunden­an­lagen einge­ordnet werden, müssen auf den innerhalb der Struktur gelie­ferten Strom Netzent­gelte und einige netzseitige Umlage gezahlt werden. Dann sind Mieter­strom­mo­delle regel­mäßig nicht mehr wirtschaftlich.

Nun will eine Bürger­en­er­gie­ge­sell­schaft noch einmal das OLG Düsseldorf bemühen und notfalls den BGH anrufen. Sie geht gegen einen Beschluss der Bundes­netz­agentur vor, die ein Projekt mit nur 143 Wohnein­heiten nicht mehr als Kunden­anlage betrachtet hat. Parallel versuchen die in zweiten Instanzen unter­le­genen Unter­nehmen, die die Einordnung als Kunden­anlage verfolgen, schon jetzt vom Bundes­ge­richtshof (BGH) doch noch eine günstigere Auskunft zu erhalten. Doch der BGH urteilt selten schnell. Damit steht zu befürchten, dass aus dem erhofften Beitrag von Mieter­strom­mo­dellen für die Energie­wende zumindest in näherer Zukunft nichts wird. Dies ist nicht nur für die Unter­nehmen bedau­erlich, die ein inter­es­santes Geschäftsfeld nicht ausbauen können. Die Entlastung der vorge­la­gerten Netze und die ortsnahe, dezen­trale Versorgung mit grüner Energie sollte ein wichtiger Baustein der Energie­wende werden, aktuell kann sich das aber keiner leisten. 

Aktuell heißt es also: Warten auf den BGH

2019-05-10T12:04:14+02:0010. Mai 2019|Strom, Umwelt|

Schade, schade: Das Energie­sam­mel­gesetz und der Mieterstrom

Schön wär’s gewesen: Wegen allzu viel Bürokratie und Hemmnissen bei Versor­gungs­mo­dellen im Quartier gibt es bisher weniger Mieter­strom­mo­delle, als erhofft. Dabei wollte der Gesetz­geber des Mieter­strom­ge­setzes gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erwischen. Zum einen sollte endlich auch einmal der Mieter von Solar-Aufdach­an­lagen profi­tieren, indem er verbilligt Strom bezieht und einige Umlagen und die Netzent­gelte spart. Zum anderen sollten die erheb­lichen Ausbau­po­ten­tiale für Photo­voltaik auf Dächern endlich erschlossen werden. Einen Mieter­strom­zu­schlag sieht das Gesetz auch vor.

Leider erwies sich das Modell nicht als erfolg­reich. Zu bürokra­tisch, wurde bemängelt. Zudem urteilten Gerichte, dass die wirtschaftlich und technisch besonders reizvollen größeren Quartiers­lö­sungen „zu groß“ seien, um als Mieter­strom­mo­delle zu gelten. Viele poten­tielle Vorha­ben­träger wurden so abgeschreckt.

Die Hoffnungen ruhten auf dem Gesetz­geber. Dieser sollte das Gesetz verein­fachen und den Boden für mehr und bessere Modelle bereiten. Angesichts dieser Erwar­tungen war die Enttäu­schung um so größer, als der Kabinetts­entwurf des Energie­sam­mel­ge­setzes nicht nur keine der Kritik­punkte anging. Sondern vielmehr die Bedin­gungen für Mieter­strom­mo­delle deutlich verschlech­terte. Insbe­sondere die Kürzung der Vergütung für größere Photo­voltaik-Dachan­lagen von 40 bis 750 kWp ab Januar um 20 Prozent von den bishe­rigen 10,36 Cent auf 8,33 Cent je Kilowatt­stunde wurde intensiv kriti­siert, da sich die Höhe der EEG-Vergütung direkt auf den Mieter­strom­zu­schlag auswirkt.

Im Gesetz­ge­bungs­prozess bleibt es nun leider bei einer Verschlech­terung, nur nicht so schnell und nicht so intensiv. Der pauschale Abzug vom Mieter­strom­zu­schlag soll mit nur 8 ct. geringer ausfallen. Die EEG-Vergütung für diese Größen­klasse soll nicht um 20%, sondern „nur“ um 15% gekürzt und zeitlich gestreckt werden: Die Vergütung für diese Anlagen wird ab Februar 2019 auf zunächst 9,87 Cent, ab März 2019 auf 9,39 und ab April auf 8,90 Cent abgesenkt werden.

Mehr Mieter­strom­mo­delle wird es damit wohl eher nicht geben.

2018-11-30T08:24:53+01:0030. November 2018|Allgemein, Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Strom|

Hinder­nisse für die dezen­trale Versorgung: Das OLG Düsseldorf entscheidet zur Kundenanlage

Die dezen­trale Erzeugung hat es nicht leicht. Auf der einen Seite will man die ortsnahe Erzeugung, am besten innerhalb der Quartiere. Auf der anderen Seite hat der Gesetz­geber es versäumt, den regula­to­ri­schen Rahmen für solche Strom­ver­sor­gungs­kon­zepte so zu gestalten, dass die ortsnahe Versorgung sich auch lohnt. Dabei wären solche Anreize dringend nötig, um die durch die Umgestaltung der Erzeu­gungs­land­schaft strapa­zierten Netze zu entlasten. Schließlich fließt Strom, der ganz in der Nähe der Versorgten erzeugt wird, nicht durch die halbe Republik und alle Netzebenen und spart so am Ende allen Letzt­ver­brau­chern Geld.

Es wäre damit konse­quent, wenn kleine Leitungs­struk­turen, die ein Versorger extra für seine Kunden legt, nicht wie große Strom­netze behandelt werden und entspre­chend auch nicht reguliert werden müssten. Doch § 3 Nr. 24a EnWG, der solche kleinen Struk­turen als „Kunden­an­lagen“ von großen Netzen abgrenzt, lässt leider Fragen offen, wenn es hier heißt:

„Kunden­an­lagen

Energie­an­lagen zur Abgabe von Energie,

a)
die sich auf einem räumlich zusam­men­ge­hö­renden Gebiet befinden,
b)
mit einem Energie­ver­sor­gungsnetz oder mit einer Erzeu­gungs­anlage verbunden sind,
c)
für die Sicher­stellung eines wirksamen und unver­fälschten Wettbe­werbs bei der Versorgung mit Elektri­zität und Gas unbedeutend sind und
d)
jedermann zum Zwecke der Belie­ferung der angeschlos­senen Letzt­ver­braucher im Wege der Durch­leitung unabhängig von der Wahl des Energie­lie­fe­ranten diskri­mi­nie­rungsfrei und unent­geltlich zur Verfügung gestellt werden,“

Schon im März ist das OLG Frankfurt ausgehend von dieser Regelung zu der Ansicht gelangt, eine Kunden­anlage sei nur dann gegeben, wenn weniger als 100 Anschlüsse versorgt würden. Für diese damals auch hier bespro­chene Entscheidung liegen inzwi­schen auch die Gründe vor. Das ist für viele Modelle das Aus. Denn bei weniger als 100 Anschlüssen ist die Wirtschaft­lichkeit oft kaum darstellbar, der Aufwand verteilt sich einfach auf zu wenig Köpfe. Kupfer­kabel sind eben nicht umsonst.

Ins selbe Horn stößt nun das OLG Düsseldorf. In einer Entscheidung vom 13.06.2018 beschloss der Senat nun, dass es sich bei zwei Leitungs­struk­turen einer Wohnungs­bau­ge­sell­schaft nicht um Kunden­an­lagen handelt. Das Unter­nehmen hatte an zwei Stand­orten Mieter­strom­kon­zepte entwi­ckelt und damit jeweils 457 bzw. 515 Wohnungen mit umwelt­freund­lichem vor Ort erzeugten Strom versorgt. Das OLG Düsseldorf kam nun ähnlich wie schon das OLG Frankfurt zu der Ansicht, die Struktur sei zu groß und damit nicht „unbedeutend“, wie das Gesetz es fordert. Außerdem seien Kunden­an­lagen immer Ausnahmen und deswegen eng auszulegen.

Nun steht dem unter­le­genen Unter­nehmen noch der Weg zum BGH offen. Es steht zu hoffen, dass entweder die Karls­ruher Richter diesen dezen­tralen Konzepten, die einen wichtigen Beitrag zur Energie­wende leisten könnten, helfen. Oder die Politik muss ran: Ohnehin mehren sich die Stimmen, die Geset­zes­än­de­rungen fordern, um mehr Mieter­strom­kon­zepte zu ermöglichen.

2018-06-29T01:04:31+02:0029. Juni 2018|Strom|