Jetzt doch: Regulierung von Liefer­ketten in der EU?

Ende letzter Woche hat sich der Rat der EU nun doch durch­ge­rungen: Er hat der EU-Richt­linie über die Sorgfalts­pflichten von Unter­nehmen im Hinblick auf Nachhal­tigkeit (hier der Kommis­si­ons­entwurf vom Februar 2022) zugestimmt. Das Votum erfolgte gegen die Stimme Deutsch­lands, was verwun­derlich ist:

Denn in Deutschland gibt es bereits das Liefer­ket­ten­sorg­falt­pflich­ten­gesetz. Dies wäre ein guter Grund für deutsche Unter­nehmen, eine EU-weite Regelung zu unter­stützen. Denn sie müssen sich ohnehin schon im Wesent­lichen nach den Vorschriften richten, die nun auch in der EU kommen sollen. Sie müssen dann auch nicht mehr mit Anbietern aus anderen EU-Ländern konkur­rieren, die nicht auf die Einhaltung von Menschen­rechten und Umwelt­schutz­stan­dards achten müssen.

Aber noch mal von Anfang an: Was verlangt das Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­gesetz? Und was steht in der in der EU-Richt­linie, inwiefern stimmt sie mit dem deutschen Gesetz überein und inwiefern weicht sie davon ab?

Kurz gesagt sollen sowohl das deutsche Gesetz als auch die europäische Richt­linie die Verant­wortung für Menschen­rechte und Umwelt­schutz in der Liefer­kette stärken. Dafür müssen Unter­nehmen zunächst einmal die Risiken in ihren Liefer­ketten ermitteln, bewerten und priori­sieren. Auf dieser Basis soll jedes Unter­nehmen eine Grund­satz­er­klärung veröf­fent­lichen. Weiterhin muss es Maßnahmen gegen Menschen­rech­ten­rechts­ver­stöße und Umwelt­schä­di­gungen ergreifen. Schließlich muss es Beschwer­de­mög­lich­keiten für die Menschen in Liefer­ketten schaffen und über das Liefer­ket­ten­ma­nagement Bericht erstatten.

Die Richt­linie geht zum Teil über die Sorgfalts­pflichten des deutschen Gesetzes hinaus. So ist die Wertschöp­fungs­kette ist weiter definiert. Außerdem ist eine zivil­recht­liche Haftung in die Richt­linie aufge­nommen worden. Durch die Änderungen bei der Kompro­miss­findung entspricht der Anwen­der­kreis der Richt­linie jetzt der deutschen Regelung. Denn auch sie stellt – wie das deutsche Gesetz ab dem 01.01.2024 – auf Unter­nehmen mit über 1.000 Beschäf­tigten ab. Zusätzlich sollen die Sorgfalts­pflichten der Richt­linie nur auf Unter­nehmen mit einem Umsatz von über 450 Millionen Euro im Jahr anwendbar sein. Im nunmehr aktuellen Kompro­miss­vor­schlag wurden auch längere Übergangs­fristen vereinbart, so dass erst fünf Jahr nach dem In-Kraft-Treten alle betrof­fenen Unter­nehmen verpflichtet sind.

Um verab­schiedet zu werden, muss das Plenum des EU-Parla­ments noch zustimmen, was aber wahrscheinlich ist, nachdem der Rechts­aus­schuss bereits zugestimmt hat. (Olaf Dilling)

2024-03-20T18:12:56+01:0020. März 2024|Industrie, Umwelt|

Sorgfalts­pflichten in globalen Liefer­ketten: Für Menschen und Umwelt?

In das Liefer­ket­ten­gesetz (inzwi­schen offiziell: Gesetz über die unter­neh­me­ri­schen Sorgfalts­pflichten in Liefer­ketten – LkSG) werden große Hoffnungen gesetzt. Globa­li­sierung soll gerechter gestaltet werden und es soll die Verla­gerung von Umwelt­zer­störung ins Ausland verhindern. Den Geset­zes­entwurf hatten wir hier schon einmal kurz vorge­stellt.

Aller­dings wurde am im Juni diesen Jahres schließlich verab­schie­deten Gesetz kriti­siert, dass es nun primär um Menschen­rechte, nicht aber mehr um den Schutz der Umwelt als solchen ginge. Nur wenn zugleich Menschen­rechte betroffen sind, etwa weil auch die Gesundheit von Menschen auf dem Spiel steht, ist es anwendbar. Dies geht aus der Definition der geschützten Rechts­po­si­tionen in § 2 LkSG hervor.

Wie ist es also mit Umwelt­pro­blemen, die deutsche Unter­nehmen in anderen Ländern verur­sachen? Ein aktuell disku­tiertes Beispiel ist die Erdgas­ge­winnung. In Bruns­büttel wird aktuell ein Flüssig­gas­ter­minal mit einer jährlichen Kapazität von 8 Mrd. Nm³ geplant, um den Import von Erdgas über den Seeweg zu ermög­lichen. Kritiker machen darauf aufmerksam, dass das Erdgas häufig mit Methoden gewonnen wird, die in Deutschland verboten sind. So etwa in Patagonien, wo Wintershall an der Gewinnung von Erdgas durch Fracking in Schie­fer­vor­kommen invol­viert ist.

Gastankschiff

Vor einigen Tagen hat auf einer Veran­staltung der Friedrich-Ebert-Stiftung ein argen­ti­ni­scher Umwelt­schützer und eine Vertre­terin der ortsan­säs­sigen indigenen Bevöl­kerung den Kanzler­kan­di­daten Olaf Scholz mit dem Fall konfron­tiert. Daraufhin hat Scholz das Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflicht­gesetz als Verdienst der großen Koalition angepriesen und nahegelegt, dass solche Fälle nun durch das Gesetz geregelt seien. Nun, wie gesagt, müsste es beim umwelt­schäd­lichen Fracking schon zu Menschen­rechts­ver­let­zungen kommen, damit das Gesetz zum Tragen käme. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Gesundheit der Bevöl­kerung durch die Vergiftung des Grund­wassers geschädigt würde oder die Gegend schlechthin unbewohnbar wird. Insofern sind es relativ hohe Hürden, die eine „Haftung“ voraus­setzen würde.

Wobei eine Haftung im zivil­recht­lichen Sinn noch nicht einmal Ziel des Gesetzes ist. Vielmehr geht es zunächst um Berichts­pflichten, bei hartnä­ckigen Verstößen auch um Bußgelder und schließlich auch darum, für bis zu drei Jahren vom öffent­lichen Beschaf­fungs­wesen ausge­schlossen zu werden. Ob und wie sich Unter­nehmen durch diese Sanktionen schrecken lassen, bleibt abzuwarten. Im im Wesent­lichen wird es davon abhängen, wie streng die Regeln von der zustän­digen Behörde, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trolle, durch­ge­setzt werden (Olaf Dilling).

2021-11-15T18:48:55+01:0015. November 2021|Gas, Industrie, Umwelt|