VG Berlin: Keine Ladestation im Hinterhof

Unbestritten muss der Ausbau der Ladeinfra­struktur voran­ge­trieben werden. Aller­dings ohnehin bereits ein Großteil des urbanen Raums in Deutschland parkenden Kfz vorbe­halten. Daher muss bei der Planung von Ladesäulen die nachhaltige Stadt­ent­wicklung und Bedürf­nisse aller Bewohner beachtet werden. Instrument dafür kann auch das baurecht­liche Rücksichts­nah­me­gebot sein, wie ein kürzlich vom Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin entschie­dener Fall zeigt.

Eine Grund­stücks­ei­gen­tü­merin wollte im Hinterhof eines Mehrpar­teien-Wohnhauses am Prenz­lauer Berg fünf Parkplätze einrichten und zwei Elektro­an­schlüsse legen. Im Hinterhof befindet sich eine bis 2019 als Autowerk­statt genutzte Remise. Einen Bebau­ungsplan gibt es nicht.

Aus Sicht der Eigen­tü­merin und Klägerin ist die geplante Nutzung mit dem gemischten Wohnumfeld kompa­tibel, denn aufgrund der Werkstatt gäbe es ohnehin Fahrzeug­verkehr. Von den Elektro­mo­bilen gingen keine erheb­lichen Fahrge­räusche aus, Geräusche durch Türen­schlagen sei bei modernen Fahrzeugen kein Problem mehr.

Die Baube­hörde hat den 2016 gestellten Bauantrag abgelehnt. Denn die die geplante Nutzung vertrage sich aufgrund des in § 15 Abs. 1 BauNVO und § 34 Abs. 2 BauGB geregelten Gebots der Rücksicht­nahme nicht mit der bestehenden Wohnbe­bauung. Dass es nachts zu Ruhestö­rungen komme lasse sich nämlich nicht ausschließen.

Dies wurde in der Entscheidung des VG Berlin bestätigt. Es sei nicht auszu­schließen, dass die Geräusche des Türen- und Koffer­raum­schlagens die zuläs­sigen nächt­lichen Werte überschreiten. Zwar verfügen einzelne Elektro­fahr­zeuge inzwi­schen über elektrisch verschlie­ßende Türen und Koffer­raum­klappen. Dies sei jedoch überwiegend noch nicht der Fall. Eine wirksame Auflage, lautes nächt­liches Türen­schlagen zu vermeiden, sei lebensfern.

Die Entscheidung zeigt, dass auch bei der Planung von Ladesta­tionen baurecht­liche Vorschriften, insbe­sondere das Rücksichts­nah­me­gebot, zu beachten sind (Olaf Dilling).

2022-06-02T12:13:21+02:002. Juni 2022|Strom, Verkehr|

Trans­pa­renz­gebot beim Laden von E‑Autos

Die sogenannte Antriebs­wende hin zur Elektro­mo­bi­lität gilt als eine der zentralen Säulen des Klima­schutzes im Verkehr. Der Weg dahin ist aller­dings noch steinig, unter anderem weil es immer noch an Ladesäulen fehlt, an denen Fahrer von E‑Autos zuver­lässig ihre Akkus „betanken“ können. Daher hatte bereits die letzte Bundes­re­gierung Ende 2019 mit einem Masterplan Ladeinfra­struktur beschlossen, bis 2030 eine Million öffentlich-zugäng­liche Ladepunkte zu schaffen. 

Elektroauto-Piktogramm auf Parkplatzpflaster

Die damit verbundene Förderung macht es auch für Strom­ver­sorger inter­essant, in ihrem Gebiet entspre­chende Ladesäulen aufzu­stellen und Strom an E‑Autobesitzer zu verkaufen. Aller­dings sind bei der Vertrags­ge­staltung dabei einige Fallstricke zu beachten. Dies zeigt eine Entscheidung des Landge­richts Karlsruhe.

Die EnBW, also ein großes Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen aus dem Südwesten Deutsch­lands, erbringt Leistungen für Elektro­mo­bi­lität und hatte in diesem Zusam­menhang ein Vertrags­an­gebot für die Nutzung von Ladesäulen formu­liert. Mehrere dabei in den Allge­meinen Geschäfts­be­din­gungen verwendete Formu­lie­rungen stießen bei einem Verbrau­cher­schutz­verband auf so wenig Gegen­liebe, dass er die EnBW zunächst abgemahnt und dann gegen sie Klage erhoben hatte. Dabei ging es um folgende Klauseln:

  1. Ein Vorbehalt in dem AGB nachträglich für Stand­zeiten, die über den Ladevorgang hinaus­gehen, eine Gebühr zu erheben
  2. Die Bestimmung, dass dem Kunden die bei jewei­ligen Nutzungs­vor­gängen die aktuellen Preise in einer App, auf der Unter­neh­mens­website oder an der Ladestation selbst angezeigt würden
  3. Ein Vorbehalt einer zusätz­lichen Gebühr pro Ladevorgang
  4. Abwei­chende Tarife an beson­deren Standorten
  5. Vorbehalt der Preis­än­derung mit Sonderkündigungsrecht
  6. kWh der Nutzungs­vor­gänge werden „soweit technisch möglich“ auf der Rechnung aufgeführt.

Das Landge­richt Karlsruhe hat der EnBW die Verwendung dieser Bestim­mungen untersagt und es zur Zahlung der Abmahn­kosten durch den Verbrau­cher­schutz­verband verur­teilt. Im wesent­lichen haben die Bestim­mungen einer Inhalts­kon­trolle gemäß §§ 307 ff BGB nicht stand­ge­halten. Insbe­sondere verstießen mehrere der Klauseln gegen das Trans­pa­renz­gebot des § 307 Abs. 1 BGB, das Verwender Allge­meiner Geschäfts­be­din­gungen dazu verpflichtet, Rechte und Pflichten der Vertrags­partner möglichst klar, einfach und präzise darzu­stellen. Dies war beispiels­weise deshalb nicht der Fall, weil die Infor­mation über aktuelle Preise bei Vertrags­schluss an unter­schied­lichen Stellen zusam­men­ge­sucht werden musste. Ebenso unklar war für die Vertrags­partner, was für Vertrags­strafen drohen, wenn ein E‑Auto auch nach Abschluss der Ladezeit weiter auf an der Ladesäule stehen bleibt.

Die Entscheidung zeigt, dass es bei der Verwendung von Ladesäulen-Nutzungs- und Contrac­ting­ver­träge einige recht­liche Beson­der­heiten zu beachten gibt. Insofern zahlt sich eine vorhe­riger recht­liche Beratung und Vertrags­prüfung später unter Umständen aus (Olaf Dilling).

2022-03-02T21:31:21+01:002. März 2022|Strom, Verkehr, Vertrieb|

E‑Mobility und Wohnungseigentum

Wer eine Eigen­tums­wohnung kauft, kauft die lieben Nachbarn oft gleich mit: Für viele Angele­gen­heiten, die man gemeinhin als persönlich betrachtet, braucht man ihre Zustimmung. Ob es nun um die Markise geht oder um die Frage, ob man seine Wohnungstür phanta­sievoll streicht, viel öfter als vielfach angenommen berühren Entschei­dungen des einzelnen Eigen­tümers das Gemein­schafts­ei­gentum, also die Teile des Hauses, die allen gehören und bei denen deswegen auch alle mitreden dürfen.

Zum Gemein­schafts­ei­gentum gehört regel­mäßig auch die Tiefgarage. Das bedeutet: Wer sich heute ein Elektroauto kauft, braucht die Zustimmung der Nachbarn, um eine Wallbox zu instal­lieren, also eine Lademög­lichkeit vor Ort. Die Nachbarn müssen entweder die Instal­lation dulden, was sie regel­mäßig nur tun werden, wenn sicher­ge­stellt ist, dass das E‑Auto nicht auf Kosten aller Nachbarn betankt wird, sondern die Strom­kosten über einen eigenen Zähler laufen oder auf anderem Wege die Kosten­über­nahme geklärt wird. Oder die WEG beschließt, eine gemein­schaft­liche Ladeinfra­struktur einzu­richten, so dass mehr als nur ein Eigen­tümer auf ein E‑Auto umsteigen kann.

Was aber, wenn die restliche WEG gar keine Lust auf die Ladeinfra­struktur hat und der Wallbox samt ihren techni­schen Voraus­set­zungen ihre Zustimmung verweigert? Bislang besteht kein Anspruch des E‑Autointeressenten, und diesen Umstand hat die Bundes­re­gierung als einen Punkt identi­fi­ziert, der bisher – neben anderen – den Ausbau der Elektro­mo­bi­lität behindert. Aus diesem Grunde hat die Bundes­re­gierung im Rahmen des Entwurfes für ein „Wohnungs­ei­gen­tums­mo­der­ni­sie­rungs­gesetz“ neben anderen Reformen des Gesetzes einen § 20 Abs. 2 Nr. 2 vorge­sehen, der jedem Wohnungs­ei­gen­tümer das Recht einräumt, von den anderen Eigen­tümern angemessene bauliche Verän­de­rungen für das Laden von strom­be­trie­benen Fahrzeugen vorzu­sehen. Die WEG-Gemein­schaft darf dann also nur noch über das Wie, nicht über das Ob entscheiden. Notfalls greift die Beschlussersetzungsklage.

Nach § 21 Abs. 1 des Entwurfs muss der Eigen­tümer, der die Wallbox fordert, die Kosten allein tragen. Dafür kommen ihm aber auch die Vorteile allein zugute, bis ein anderer Eigen­tümer im Rahmen des Mitge­brauchs sich auch an den Kosten angemessen beteiligt, was den sukzes­siven Ausbau einschließt (siehe der oben verlinkte Entwurf, dort S. S 71 oben).

Aktuell berät der Ausschuss für Recht und Verbrau­cher­schutz über den Entwurf. Eine schnelle Verab­schiedung wäre insbe­sondere wünschenswert, um denen, die bei der derzeit disku­tierten Neuwa­gen­prämie den Kauf eines E‑Autos überlegen, Sicherheit darüber zu verschaffen, dass sie auch als Wohnungs­ei­gen­tümer (auch für Mieter sind entspre­chende Regelungen vorge­sehen) ein E‑Auto kaufen könnten (Miriam Vollmer).

2020-05-26T21:55:21+02:0026. Mai 2020|Energiepolitik, Verkehr|