Ladeinfra­struktur: Zwischen Kosten­de­ckung und De-Minimis-Beihilfe

Letztes Jahr hat die Regierung mit der Autoin­dustrie einen Masterplan für den Ausbau des öffent­lichen Ladenetzes vereinbart, um die Verkehrs­wende voran­zu­treiben. Bis 2030 sollen 300.000 Ladesta­tionen gebaut werden. Ein Bedarf besteht vor allem im öffent­lichen Straßenraum, damit die Nutzer von Elektro­autos unterwegs laden können. Was sind aber nun die recht­lichen und bürokra­ti­schen Voraus­set­zungen, damit eine Station im öffent­lichen Raum gebaut werden kann? Und was für Kosten entstehen dem Betreiber für die Nutzung des Raums?

Wie wir neulich schon einmal kurz angerissen hatten, handelt es sich bei der Ladeinfra­struktur um eine Sonder­nutzung. Denn rechtlich wird sie trotz des Bezuges zum Verkehr nicht als verkehr­liche Nutzung im engeren Sinne angesehen. Das heißt zum einen, dass der Bau von Ladesta­tionen vorher von der zustän­digen Behörde (i.d.R. der Straßen­ver­kehrs­be­hörde) genehmigt werden muss und zum anderen typischer­weise Gebühren fällig werden.

Für die Erlaubnis muss der Betreiber zunächst einen Antrag mit den erfor­der­lichen Unter­lagen stellen. Die Geneh­mi­gungs­be­hörde hat dann bei der Prüfung des Antrags in der Regel einen von den Landes­stra­ßen­ge­setzen einge­räumten Ermes­sens­spielraum (z.B. nach § 11 Abs. 2 BerlStrG, wenn auch nur begrenztes Ermessen in Form einer „Soll“-Vorschrift). Für die Entscheidung können unter­schied­liche Kriterien eine Rolle spielen, u.a. die Integration ins Stadtbild und denkmal­pfle­ge­rische Aspekte, die Anbindung an das Stromnetz, Flächen­nut­zungs­kon­kur­renzen, bauord­nungs­recht­liche Vorgaben, Parkmög­lich­keiten und ‑verbote und Verkehrs­si­che­rungs­pflichten. Außerdem muss wie bei jeder Sonder­nut­zungs­er­laubnis beachtet werden, dass vor Ort die Sicherheit und Leich­tigkeit des Verkehrs nicht beein­trächtigt werden darf.

Über die Erlaubnis muss nach Landes­recht oft nach einem bestimmten Zeitraum, gemäß § 11 Abs. 2 BerlStrG in der Regel schon nach einem Monat, entschieden werden. Die Erlaubnis kann mit einer Auflage oder Neben­be­stimmung erteilt werden, beispiels­weise mit einer Rückbau­ver­pflichtung, einem Wider­rufs­vor­behalt oder einer zeitlichen Beschränkung.

Die Gebühren, die für die Sonder­nutzung des öffent­lichen Raums fällig werden richten sich meist nach kommu­nalen Sonder­nut­zungs­sat­zungen. Nach einem Bremer Erlass werden beispiels­weise jährlich ca. 200 Euro erhoben. Das ist vermutlich kaum kosten­de­ckend, zumindest wenn der tatsäch­liche Wert des urbanen öffent­lichen Raums veran­schlagt würde.

Aller­dings besagt das sogenannte Kosten­de­ckungs­prinzip im Gebüh­ren­recht nach der Recht­spre­chung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts auc nicht, dass Gebühren im jeden Fall kosten­de­ckend erhoben werden müssen. Vielmehr dürfen Gebühren lediglich nicht höher als die tatsächlich entstan­denen Kosten berechnet werden. Jeden­falls können auch soziale oder andere gemein­wohl­be­zogene Aspekte eine Rolle spielen. So können beispiels­weise auch Kita-Gebühren durchaus sozial gestaffelt sein. Auch aus ökolo­gi­schen Gründen ist insofern eine Förderung der Elektro­mo­bi­lität durch weniger als kosten­de­ckende Gebühren möglich.

Auch EU-rechtlich ist eine Förderung der E‑Mobilität nicht als Beihilfe im Sinne des Artikel 107 f. AEUV bedenklich. Dies jeden­falls dann nicht solange sie sich nach der Verordnung (EU) 1407/2013 der Kommission unterhalb der darin festge­legten Bagatell­grenze bewegt (Olaf Dilling).

 

2020-02-06T20:46:41+01:006. Februar 2020|Allgemein, Energiepolitik, Strom, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Streit über Parklets: „kommu­ni­ka­tiver“ Verkehr als Gemeingebrauch?

Das öffent­liche Straßen- und Verkehrs­recht treibt manchmal kuriose Blüten. Straßen sind dem Verkehr gewidmet. Daher ist jeder Gebrauch zu verkehr­lichen Zwecken im Grundsatz erlaub­nisfrei (sog. Gemein­ge­brauch). Andere Zwecke bedürfen als Sonder­nutzung einer Geneh­migung und es werden Benut­zungs­ge­bühren fällig. Aus der Perspektive eines Jurastu­denten schien diese Unter­scheidung ziemlich einfach: Laufen, Fahren, Parken ist Gemein­ge­brauch; in einem Straßencafé sitzen oder im öffent­lichen Straßenraum eine Werbe­tafel aufstellen ist Sondernutzung.

Aber in der Praxis ist die Unter­scheidung dann doch nicht immer so schlicht. Gerade in Zeiten der Verkehrs­wende kommen neue Nutzungen dazu und geraten alte in den Blick, die nicht so passgenau zuzuordnen sind: Wie ist es mit Ladesta­tionen für E‑Mobilität? Sie dienen zwar ziemlich offen­sichtlich dem Verkehr, aber eben auch gewerb­lichen Zwecken und schließen andere Nutzer von dem Straßenraum aus, den sie beanspruchen. Oder sogenannte „Parklets“, auf dem Parkstreifen aufge­baute Park-Bänke, die mit Fahrrad­ständern kombi­niert, den öffent­lichen Straßenraum zum Teil für Fußgänger und Fahrrad­fahrer zurück­er­obern sollen. Gemein­ge­brauch oder Sonder­nutzung? Und überhaupt: Könnte man nicht auch parkende Autos aus dem Gemein­ge­brauch heraus­nehmen und Sonder­nut­zungs­ge­bühren erheben, denn der „ruhende“ Verkehr dient ja allen­falls indirekt der Fortbe­wegung von A nach B? Genau solche Fragen kamen gestern nach meinem Vortrag bei einem Seminar des „Instituts für Städtebau“ zur Sprache. Knapp 50 Praktiker im Bereich Verkehrs­planung und Stadt­ent­wicklung aus ganz Deutschland waren zusam­men­ge­kommen, um sich über Mobilität zu informieren.

Die Recht­spre­chung zu solchen Fragen ist inzwi­schen ziemlich auszi­se­liert und unein­heitlich. Der Verkehrs­be­griff, der ursprünglich eng an die Ortsver­än­derung angeknüpft hat, ist für die praktische Zwecke der Nutzung des öffent­lichen Raums viel zu eng: So wird die Straße üblicher­weise auch für kommu­ni­kative Zwecke genutzt, Schau­fens­ter­bummel, Begegnung und Unter­haltung zwischen Passanten usw. Klassisch daher die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richtshofs Mannheim, worin der Begriff des „kommu­ni­ka­tiven Verkehrs“ auftaucht (Urteil v. 31.01.2002 – 5 S 3057/99). Wir atmen auf, der Plausch unter Nachbarn auf dem Gehweg vor unseren Häusern ist also nicht genehmigungsbedürftig!

Was die Parklets angeht, ist die Frage nach Gemein­ge­brauch oder Sonder­nutzung z.B. in der Münchener Kreis­ver­waltung höchst umstritten. Sie erinnern sich: Sitzbank im Straßencafé ist Sonder­nutzung… anderer­seits ist kommu­ni­ka­tiver Verkehr nach der Recht­spre­chung vom Gemein­ge­brauch umfasst. Insofern wäre es ja schon relativ überzeugend zu argumen­tieren, dass auch Fußgänger Anspruch auf „ruhenden Verkehr“ haben dürften, wenn schon die Kfz im Rahmen des Gemein­ge­brauchs grund­sätzlich kostenlos und erlaub­nisfrei parken dürfen. Bei privaten Ladesta­tionen wird teilweise eine Entwidmung bzw. Umwidmung vorge­schlagen. In anderen Fällen bleibt es bei der Sonder­nutzung, die dann jedoch gebüh­ren­pflichtig bleibt und grund­sätzlich kosten­de­ckend abgerechnet werden soll.

In vielen Fällen zeigt ein genauer Blick auf die Entschei­dungs­praxis, dass sie sich faktisch relativ weit von dem ursprüng­lichen Kriterium des verkehr­lichen Zwecks entfernt hat. Statt­dessen wird eher auf Fragen abgestellt, a) ob eine Nutzung mehr oder weniger feste Einrich­tungen mit sich bringt, die andere Nutzungen räumlich ausschließen und b) ob sie gewerblich betrieben wird (Olaf Dilling).

2020-01-31T12:28:36+01:0031. Januar 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht|