Die GRÜNEN wollen raus: Das grüne Kohleausstiegspapier

Wer nach dem Abschluss­be­richt der Kohle­kom­mission gehofft hatte, schnell Sicherheit über die Zukunft der Kohle­ver­stromer zu haben, sieht sich getäuscht. Noch immer ist völlig unklar, welche Kraft­werke in der „ersten Runde“ bis 2022 still­gelegt werden sollen. Aktuell spricht man zwar über Hilfen für betroffene Regionen. Die mit dem Kohle­aus­stieg verbun­denen Härten sollen aber wohl erst nach den Landtags­wahlen 2019 disku­tiert werden. Soweit der Plan der Regierung. Insofern ist nicht erstaunlich, dass die Opposition, sprich die GRÜNEN, nun ihre Vorstel­lungen vom Kohle­aus­stieg vorgelegt haben.

Schauen wir uns den „Zehn-Punkte-Fahrplan“ also einmal an.

Zum Einstieg geißelt Frau Baerbock, die verant­wortlich zeichnet, die große Koalition und weist daraufhin, dass schon der Plan der Kohle­kom­mission nach Ansicht der GRÜNEN nicht ausreicht, die Ziele des Pariser Klima­schutz­ab­kommens zu erreichen. Nach ihrer Ansicht soll es deswegen nicht bei den Ausstiegs­daten 2022 bzw. 2038 bleiben. Die GRÜNEN streben also nach wie vor eine Revision mit früheren Ausstiegs­daten an. Sodann stellt das Papier klar, dass die GRÜNEN Geld für die vom Ende der Kohle­ver­stromung betrof­fenen Regionen nur im Zusam­menhang mit konkreten Abschal­tungen für richtig halten. Das erstaunt nun niemanden: Der möglichst schnelle und konse­quente Umstieg auf die Erneu­er­baren und damit verbunden der vollständige Kohle­aus­stieg gehören quasi zur DNA der Umweltschutzpartei.

Auf der nächsten Seite wird es dann konkret. Die Grünen benennen Blöcke in zwei Braun­koh­le­kraft­werken und sechs Stein­koh­le­kraft­werken, die von einer Abschaltung des 2022 betroffen sein sollen. Insgesamt rund 7.020 MW elektrische Leistung.

Die Grünen halten eine Entschä­digung für diese durchweg alten Kraft­werke nicht für erfor­derlich und beziehen sich auf ein (im Papier verlinktes) Rechts­gut­achten von Becker Büttner Held aus 2017 und ein Gutachten des wissen­schaft­lichen Dienstes des Bundestags. Auch für die Kraft­werke, die nach 2022 still­gelegt werden, halten die Grünen bei Kraft­werken, die zum Zeitpunkts des Ausstiegs älter als 25 Jahre sind, Entschä­di­gungen für unnötig. Nur im Hinblick auf jüngere Kraft­werke sollen überhaupt Entschä­di­gungen fließen. 

Im Hinblick auf die Instru­mente hält das Papier sich kurz und erwähnt Ausschrei­bungen mit Still­le­gungs­prämien oder Einzel­ver­ein­ba­rungen. Erwähnt wird auch für die jüngere Kraft­werke eine Entschä­di­gungs­leis­tungen in Anlehnung an die Regeln für die Sicher­heits­be­reit­schaft. Anlage, die für die Umstellung von Kohle auf Gas Hilfe auf Grundlage des KWKG erhalten haben, sollen darüber hinaus keine Entschä­digung mehr erhalten. Die GRÜNEN wollen auch die neuen Grenz­werte für Großfeue­rungs­an­lagen in den ab Schaltplan und die Frage von Entschä­di­gungen einbeziehen.

Sodann geht es weiter: Neue Tagebaue sollen untersagt werden. Maßnahmen für den Struk­tur­wandel wollen die Grünen in entspre­chenden Förder­pro­grammen konkre­ti­sieren. Darüber hinaus mahnen sie einen Rahmen für eine Revisi­ons­klausel an, also einen Prozess, in den fortlaufend überprüft wird, ob die Bundes­re­publik mit dem jeweils geltenden Instru­men­ten­kasten die Ziele des Pariser Klima­schutz­ab­kommens erreichen wird. Weiter findet sich die Forderung, die Rückstel­lungen, die Strom­erzeuger für die Rekul­ti­vierung nach Beendigung des Braun­koh­le­abbaus gebildet haben, in einen öffentlich-recht­lichen Fonds einzu­stellen. Einige weitere Forde­rungen wie die nach einer Unter­stützung der Industrie im Rahmen der Strom­preis­kom­pen­sation runden das Bild ab. 

Wie wichtig ist dieses Papier nun? Immerhin stammt es von einer umwelt­po­li­tisch besonders engagierten Partei. Aller­dings ist nicht zu erwarten, dass die Koalition von ihren Plänen abrückt. Warum sollte sie auch. Unser Tipp: Die Koalition wird abwarten, bis der Osten gewählt hat. Die Struk­tur­bei­hilfen einbringen. Und die konkreten Ausstiegs­pläne nicht vor dem vierten Quartal diskutieren.

2019-04-17T23:47:10+02:0017. April 2019|Energiepolitik, Strom, Umwelt|

Neues aus der Kohlekommission

Noch streiten die Gelehrten, ob es zulässig ist, Anlagen­be­treibern das Nutzungs­recht an ihren Kohle­kraft­werken trotz bestands­kräf­tiger Geneh­mi­gungen zu entziehen. Die einen sehen Paral­lelen zum (zuläs­sigen) Atomaus­stieg. Die anderen weisen darauf hin, dass eine vergleichbare Bedro­hungslage wie bei einem GAU hier nicht bestehen würde.

Die Kohle­kom­mission will die Probe aufs gericht­liche Exempel vermeiden. Geplant ist eine vertrag­liche Regelung, bei der die Anlagen­be­treiber auf ihre weiteren Nutzungs­rechte gegen eine finan­zielle Entschä­digung verzichten. Die ersten Kraft­werke sollen auf dieser Basis schon bald aus dem Markt gehen, erste Still­le­gungen sind bereits von 2019 – 2022 geplant. Charme eines Vertrages: Anschlie­ßende Klagen sollen dann ausge­schlossen sein. Klar ist aber auch: Diesen Kohle­aus­stieg zahlt der Steuerzahler.

Der Steuer­zahler soll aber nicht nur Entschä­di­gungen an die Betreiber von Kohle­kraft­werken zahlen. Gleich­zeitig soll er auch eine Abgabe auf die Emission von Kohlen­dioxid leisten, wo dies heute noch nicht der Fall ist. Denn bis jetzt hat das System eine deutliche Unwucht: Nach dem Treib­hausgas-Emissi­ons­handels-Gesetz (TEHG) sind Betreiber von Anlagen mit mehr als 20 MW Feuerungs­wär­me­leistung (FWL) abgabe­pflichtig, werden also finan­ziell durch die Notwen­digkeit, Zerti­fikate zu kaufen, belastet. Für die Heizung im Keller oder den Verbren­nungs­motor im Auto wird aber bis heute noch nicht bezahlt. Das soll sich ändern. 

Apropos bezahlen: Die Bemühungen um mehr Klima­schutz sollen jeden­falls nicht die Arbeit­nehmer bezahlen. Während im vor einigen Wochen vorge­legten Zwischen­be­richt betriebs­be­dingte Kündi­gungen noch nicht ausge­schlossen wurden, soll dies nun im Abschluss­be­richt der Fall sein. Gleich­zeitig fordert die Kohle­kom­mission, dass auf keinen Fall die dann frei werdenden Emissi­ons­rechte in anderen Anlagen verbraucht werden, wie es vor einigen Wochen der Vorsit­zende der FDP, Christian Lindner, befürchtete. Die der Emission der still­zu­le­genden Kraft­werke entspre­chende Menge an Zerti­fi­katen soll vielmehr gelöscht werden. Dies macht die Novelle der Emissi­ons­han­dels­richt­linie 2003/87/EG aus April möglich, die eine solche Anpassung der Mengen vorsieht.

Haben nun alle, was sie wollten? Vorder­gründig ja, denn die einen bekommen Geld, die anderen einen neuen Job, die Regionen sollen üppig dotiert den Marsch in eine kohlen­freie Zukunft antreten, und sogar der Industrie hat man niedrige Strom­preise versprochen. Tatsächlich ist schwer vorstellbar, wie die Quadratur dieses Kreises im Detail aussehen soll. Klar ist aber schon jetzt, dass jeder mögliche Kompromiss mit viel Steuergeld ausge­stopft werden wird. In Zeiten boomender Konjunktur mag das ein gangbarer Weg sein, einen gesell­schaft­lichen Konflikt zu befrieden. Doch es ist unwahr­scheinlich, dass der voraus­sichtlich noch längere Weg bis zum endgül­tigen Ende der Kohle­ver­stromung stets von übervollen Staats­kassen flankiert werden wird.

2018-11-16T01:18:34+01:0016. November 2018|Energiepolitik|