Wo bleibt die Verkehrs­wende in der Ampel?

Als heute Nachmittag die Ergeb­nisse der Koali­ti­ons­ver­hand­lungen vorge­stellt wurden, gab es im Bereich Verkehr zunächst einmal eine große Überra­schung. Statt wie bisher angenommen, soll der neue Verkehrs­mi­nister von der FDP gestellt werden – und nicht wie bisher meist angenommen, von den Grünen. Insofern ist die Enttäu­schung bei Verfechtern der Verkehrs­wende groß.

Lichtzeichenanlage mit gelbem Licht

Letztlich entscheidet jedoch nicht das Verkehrs­ressort alleine über die Verkehrs­po­litik. Denn was die Grund­linien der Regie­rungs­po­litik angeht, werden diese bekanntlich nicht nur vom Fachmi­nister bestimmt. Vielmehr ist die Kanzlerin bzw. der Kanzler zuständig. Oder, wenn wie bei Klima­schutz im Verkehr die Politik­felder zweier Minis­terien betroffen sind, die Regierung als Kollegium. Nicht zuletzt gibt es den Koali­ti­ons­vertrag, um von vornherein das Handeln der einzelnen Minister in einen Regie­rungsplan einzu­binden. Daher lohnt, um das Potential für Maßnahmen der Verkehrs­wende zu prognos­ti­zieren, ein Blick in den heute vorge­stellten Koalitionsvertrag:

Dort findet sich einiges zur Antriebs­wende und zur Förderung der E‑Autos. Zugleich werden Verbrenner weiterhin geschont, wenn sie zumindest auch mit nachhal­tigen Treib­stoffen gefahren werden können. Hier hat sich die FDP mit ihren Vorstel­lungen von Techno­lo­gie­of­fenheit durch­setzen können. Ein generelles Tempo­limit wird es nicht geben.

Die Förderung der Bahn ist weiter Teil des Programms und die Priva­ti­sierung der Deutschen Bahn vom Tisch. Bis 2030 ist eine Elektri­fi­zierung von 75 % der Strecken vorge­sehen (bisher etwa 61 %).

Der Abschnitt zu Fahrrad- und Fußverkehr ist sehr kurz und recht unkonkret. Immerhin ist eine Fußver­kehrs­stra­tegie vorgesehen.

Die vielleicht hoffnungs­vollste Entwicklung für das Recht der Verkehrs­wende ist die Ankün­digung, dass die Gründe für Verkehrs­re­ge­lungen erweitert werden sollen. In Zukunft soll im Straßen­ver­kehrs­gesetz und Straßen­ver­kehrs­ordnung nicht bloß Ordnung und Sicherheit des Verkehrs als Gründe für Verkehrs­be­schrän­kungen gelten. Vielmehr sollen auch Ziele des Klima- und Umwelt­schutzes, der Gesundheit und der städte­bau­lichen Entwicklung berück­sichtigt werden. Dadurch sollen Länder und Kommunen größere Entschei­dungs­spiel­räume bekommen.

Metapho­risch gesprochen leuchtet die Ampel für die Verkehrs­wende nicht auf Dauergrün, besten­falls blinkt sie nun gelb. Mit anderen Worten, Länder und Kommunen bekommen mögli­cher­weise etwas größere Spiel­räume, fahren aber weiterhin auf eigene Initiative und Verant­wortung (Olaf Dilling).

2021-11-24T20:05:06+01:0024. November 2021|Allgemein, Umwelt, Verkehr|

Und täglich grüßt … das Fahrverbot

Die Ausein­an­der­set­zungen rund um die Frage, wie mit der Verfehlung der Luftqua­li­täts­ziele umzugehen ist, gehen weiter. Nachdem die Bundes­um­welt­mi­nis­terin in der vergan­genen Woche von der Kommission aufge­fordert worden war, Maßnahmen mitzu­teilen, wie diese denn nun endlich einge­halten werden sollen, hat das Bundes­um­welt­mi­nis­terium (BMUB) nunmehr neue Ideen vorge­bracht.

Hierbei handelt es sich nicht um offene, unver­bind­liche Überle­gungen. Denn die Bundes­re­publik befindet sich wegen der dauer­haften Überschreitung der verbind­lichen Luft Quali­täts­ziele derzeit bereits in einem rechts­wid­rigen Zustand. Der Dialog mit der europäi­schen Kommission stellt damit kein allge­meines politi­sches Gespräch über Wunsch­vor­stel­lungen dar, die gemeinsam erreicht werden sollen. Vielmehr handelt es sich um Stationen eines forma­li­sierten Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahrens, an dessen Ende schmerzhaft hohe Straf­zah­lungen verhängt werden können. In einem solchen Verfahren werden erst Stellung­nahmen zwischen Mitglied­staat und Europäi­scher Kommission ausge­tauscht. Reichen die Erklä­rungen, wie der Mitglied­staat, der sich nicht an Gemein­schafts­recht hält, der Kommission nicht, so ruft diese den europäi­schen Gerichtshof an. Die nunmehr an Brüssel übermit­telte Stellung­nahme stellt also die letzte Chance auf Vermeidung eines Klage­ver­fahrens dar. Umso überzeu­gender sollten die deutschen Pläne nun ausfallen.

Die besondere Schwie­rigkeit an der Sache: Die Bundes­re­gierung möchte Fahrverbote für insbe­sondere ältere Diesel­fahr­zeuge noch immer auf jeden Fall vermeiden. Dies haben die wohl auch künftigen Koali­tionäre im Entwurf des Koali­ti­ons­ver­trags nochmals bekräftigt. Man fürchtet offenbar die Wut des deutschen Autofahrers und die zu erwar­tende Prozess­lawine gegen die Hersteller auf Schadens­ersatz. Entspre­chend finden sich Fahrverbote in der angekün­digten Maßnah­men­liste, deren Inhalt das Magazin Politico veröf­fent­licht hat, erst als absolut letzte Ultima Ratio, und dann auch nur in ausge­wie­senen Straßen. Bevor es dazu kommt, sollen andere Maßnahmen greifen. Die Verkehrswege für den Schwer­last­verkehr sollen einge­schränkt werden. Es soll auch zusätz­liche Anreize geben, Elektro­fahr­zeuge zu kaufen, ganz besonders für den gewerb­lichen Bereich. Solche Maßnahmen sind beliebt: Hiervon würden sicherlich auch die deutschen Automo­bil­her­steller profi­tieren, auch wenn Elektro­mo­bi­lität bisher nicht zu ihren starken Seiten zählt. Am meisten disku­tiert wird jedoch eine andere, vorge­schlagene Maßnahme: In zunächst nur einigen Städten (Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim) soll ausge­setzt werden, ob ein kosten­loser ÖPNV so viele Autofahrer zum Umstieg motiviert, dass die verkehrs­be­dingten Emissionen deutlich sinken. Dies wäre sicherlich angesichts der derzeit vollen Kassen eine zu recht populäre Maßnahme. Doch fahren Bürger wirklich heute mit dem Auto, weil ihnen der ÖPNV zu teuer ist? In Berlin kostet eine Monats­karte derzeit 81 EUR. Dafür kann niemand ein Auto unter­halten. Abgesehen vom „Spaßfahrer“ (und wie spaßig ist der Großstadt­verkehr heute noch?) spielen Verfüg­barkeit, Komfort und Verläss­lichkeit die wohl entschei­dende Rolle bei der Frage, ob die täglichen Wege per Bahn oder per Auto erledigt werden. Tragisch wäre es, wäre der ÖPNV eines Tages zwar kostenlos, aber aus Kosten­gründen so ausge­dünnt, dass der Verbraucher sich dann doch fluchend in seinen Schad­stoffe emittie­renden Wagen setzt.

2018-02-14T07:19:24+01:0013. Februar 2018|Verkehr|

Mau statt Wow im Verkehr: Der Koali­ti­ons­vertrag auf dem Prüfstand (2)

Der Verkehrs­sektor steht, das ist inzwi­schen schon fast eine Plattitüde, vor einer Zeiten­wende. Nicht nur Diesel­fahr­zeuge, der Verbren­nungs­motor generell müsste möglichst schnell durch klima­freund­liche und schad­stoffarme Techno­logien ausge­tauscht werden, um den recht­lichen Verpflich­tungen der Bundes­re­publik wirksam nachzu­kommen. Was hat die Bundes­re­gierung also vor? Zuerst einmal will sie … richtig: Einen Arbeits­kreis gründen. Dieser soll bis Anfang 2019 eine Strategie „Zukunft der bezahl­baren und nachhal­tigen Mobilität“ entwerfen. 

Eine solche Strategie ist im Koali­ti­ons­vertrag selbst leider nicht angelegt. Elektro­autos sollen gefördert werden, indem eine Sonder­ab­schreibung von 50% im ersten Jahr gelten soll. Das ist aber nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wer hat schon Anspruch auf einen Dienst­wagen in der für E‑Autos überhaupt inter­es­santen Größen­klasse? Um das E‑Auto wirklich voran­zu­bringen, bräuchte man verbind­liche Vorgaben, etwa Quoten. Diese will die nächste Bundes­re­gierung aber ganz offen­sichtlich nicht. Hier favori­siert man „techno­lo­gie­offene“ Lösungen und hat sich auch vom Verbren­nungs­motor ausdrücklich noch nicht verab­schiedet. Ob das so mit den Einspar­zielen des Verkehrs­sektors in Hinblick auf CO2 etwas wird, steht in ziemlich fernen Sternen.

Auch bezogen auf Stick­oxide wirkt der Entwurf mutlos. Die GroKo will Fahrverbote vermeiden. Das ist lobenswert, schließlich will niemand verzwei­felte Pendler, die nicht mehr wissen, wie sie zur Arbeit kommen. Die geltenden Luftqua­li­täts­normen müssten also einge­halten werden. Doch wie dies geschehen soll, bleibt einiger­maßen unklar. Man wünscht sich, so der Entwurf, ein gemein­sames Vorgehen zur Sanierung des Bestandes. Aber ist dies wirklich realis­tisch? Oder drückt sich hier die nächste Bundes­re­gierung und schiebt den schwarzen Peter den Gerichten zu? Diesen traut die Bundes­re­gierung offenbar nicht über den Weg. Statt die vielen Prozesse gegen wichtige Infra­struk­tur­pro­jekte als Ausweis der oft unzurei­chenden Planung im Vorfeld und der bisweilen allzu schlep­penden Umsetzung von Gemein­schafts­recht zu betrachten, will die nächste Bundes­re­gierung die aufgrund europäi­scher Regelungen in den letzten Jahren immer exten­sivere Verbands­klage wieder einschränken und zudem bei einigen Infra­struk­tur­pro­jekte den Rechtsweg verkürzen. Nun dauern Prozesse wirklich oft allzu lange. Doch ist dies der richtige Weg, oder sollte Vater Staat die Gerichte nicht besser mit Richtern ausstatten, um schnellere Urteile zu ermöglichen?

Nur eine Maßnahme überzeugt: Es soll mehr Geld für den ÖPNV ausge­geben werden. Geplant ist eine Verdrei­fa­chung. Dies ist ein guter und wichtiger Schritt.

2018-02-07T17:25:22+01:007. Februar 2018|Allgemein, Verkehr|