SUV-Frontgestaltung: Gefahren für Fußgänger
Gefahren im Straßenverkehr machen an Ländergrenzen nicht Halt und die Gesetze der Physik sind universal. Deswegen ist es einigermaßen überraschend, dass in deutschen Studien lange Zeit behauptet wurde, dass SUVs keine signifikant erhöhten Sicherheitsrisiken für Fußgänger und Fahrradfahrer bieten würden. Hingegen wird in Studien aus anderen Ländern z.B. den USA ein klarer Zusammenhang zwischen Höhe und „martialischer“, kantiger Gestaltung der Autofront und den Sicherheitsgefahren für vulnerable Verkehrsteilnehmer festgestellt.
Wenn angesichts dieser erdrückenden Tatsachen behauptet wird, dass es nicht ausreichend deutsche Studien gäbe, ist das wenig überzeugend. Was tatsächlich unterschieden werden sollte, sind Studien, die sich auf den Verkehr innerhalb und außerhalb der Europäischen Union beziehen. Denn in der EU gibt es im Rahmen der Typgenehmigung andere Anforderungen an die Sicherheit von Kraftfahrzeugen für Fußgänger (Verordnung (EG) Nr. 78/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen im Hinblick auf den Schutz von Fußgängern und anderen ungeschützten Verkehrsteilnehmern…). In der Verordnung sind detaillierte Vorgaben für die Prüfung der Sicherheit von Kraftfahrzeugen bei der Kollision mit Fußgängern enthalten. Typischerweise müssen Crashtests mit 35 oder 40 km/h durchgeführt werden. Dies hat durchaus Einfluss auf die Gestaltung der Fahrzeuge, insbesondere der Fahrzeugfronten. Die schlimmsten Fahrzeuge, was Verkehrssicherheit für Fußgänger und Fahrradfahrer angeht, werden daher per Einzelgenehmigung der deutschen Verkehrsverwaltung in die EU importiert. Es handelt sich um ein rechtliches Schlupfloch, das EU-Regulierung unterläuft und weder an eine Bedarfsprüfung gekoppelt ist, noch eine mengenmäßige Beschränkung vorsieht.
Es gibt auch in Bezug auf für die EU typgenehmigte Fahrzeuge eine neue Studie aus Belgien, die zeigt, dass die Gefährlichkeit von durchschnittlichen Kfz und insbesondere SUVs in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Dies korreliert zum einen mit der Höhe der Fahrzeugfronten, die jedes Jahr durchschnittlich um einen halben Zentimeter höher ausfallen. Zum anderen ist das Design der Fahrzeugfront wichtig. Designer von SUVs lassen diese gerne martialisch aussehen: die Scheinwerfer wie zu Schlitzen geschlossene Augen, fetter Kühlergrill, hohe Aufbauten, am besten noch ein sogenannter Kuhfänger. Die Konsumenten schätzen dies vermutlich, weil sie sich im oft konfrontativen Verkehrsgeschehen mit diesem Aussehen von vornherein Respekt verschaffen. Tatsächlich haben diese Fahrzeuge maximalen Impakt inbesondere bei Unfällen mit „weichen“, ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Je kantiger das Design, desto eher werden lebenswichtige Organe im Brust- und Kopfbereich verletzt.

Evidentes Sicherheitsrisiko: Selbst 9‑jährige Kinder verschwinden im „toten Winkel“ vor Pick-Ups der Marke RAM TRX.
Dass Kinder oder sogar Erwachsene im Kopf- und Brustbereich erfasst werden und dann unter das Fahrzeug geraten, ist eine Gefahr. Bei niedriger Front geraten sie eher auf die Motorhaube, die aus flexiblem Blech besteht und daher geringere Verletzungen verursacht. Die andere Gefahr ist der große tote Winkel, der nicht nur seitlich, sondern auch vor dem Wagen durch die hohe Frontgestaltung entsteht. Bei Pick-Ups wie dem Doge Ram TRX verschwinden selbst durchschnittlich große 9 jährige Kinder vollständig in dem toten Winkel, wenn sie unmittelbar vor dem Fahrzeug stehen.
Der Verband Transport & Environment fordert von der EU bis 2035 die Höhe der Fahrzeugfronten von Pkw auf 85 cm zu begrenzen. Dies soll Teil eines Reformpakets sein, was sinnvoll erscheint, da die Höhe nicht allein ausschlaggebend für die Gefährlichkeit ist. (Olaf Dilling)