Neue kommunale Regeln für E‑Roller

Seit Juni 2019 sind in Deutschland E‑Tretroller für den Verkehr zugelassen. Was sich für die einen als urbane Alter­native zum eigenen Auto bewährt hat, oft in Kombi­nation mit ÖPNV, ist anderen eine Dorn im Auge: Zumindest was den Platz­bedarf angeht, bestehen die Nutzungs­kon­kur­renzen bislang nicht mit dem Kraft­fahr­zeug­verkehr, sondern fast ausschließlich mit Fuß- und Radverkehr. Denn laut der Elektro­kleinst­fahr­zeu­ge­ver­ordnung, der wir hier schon mal einen Beitrag gewidmet hatten, teilen sie sich die Wege und Parkplätze mit Fahrrädern. Das heißt, dass sie – wie regulär auch Fahrräder – im urbanen Bereich in der Regel am Gehweg abzustellen sind, dort wo sie niemand behindern oder gefährden. Was schon für private Fahrräder oft nicht hinhaut, funktio­niert mit Miet-E-Rollern im großen Stil nicht: Die Mehrheit der Nutzer scheint es relativ egal zu sein, wo sie das zwischen­zeitlich benutzte Gefährt abstellen und wem das dann im Weg steht. Das ist nicht nur lästig, sondern hat zum Teil schwer­wie­gende Konse­quenzen. Es hat mehrere Fälle von blinden oder sehbe­hin­derten Menschen gegeben, die über Roller gestolpert sind und sich dabei zum Teil schwer verletzt haben.

Mit E-Rollern zugestellter Gehweg in Bremen

Dass es für Kommunen durchaus Handlungs­mög­lich­keiten gibt, um mit dieser Proble­matik umzugehen, zeigen Regelungen, die einige Kommunen, bzw. Stadt­staaten erlassen haben. Das betrifft zum einen die recht­liche Grundlage im Straßen­recht der Länder, in denen der Gemein­ge­brauch geregelt ist. Hier hat Berlin letztes Jahr eine Änderung des Straßen­ge­setzes auf den Weg gebracht, die das stati­ons­un­ge­bundene Aufstellen von Sharing-Fahrzeugen zu einer geneh­mi­gungs­pflich­tigen Sonder­nutzung macht. Aller­dings sind mit der Regelung verfas­sungs­recht­liche Fragen bezüglich der Kompetenz der Länder und der Recht­fer­tigung des Eingriffs in die Berufs­freiheit der Aufsteller verknüpft.

Andere Städte wie Düsseldorf, Bremen oder Hamburg gehen bereits jetzt davon aus, dass sie das Aufstellen einschränken können. Und zumindest im Düssel­dorfer Fall wurde ihnen vom OVG in Münster Recht gegeben: Auch ohne gesetz­liche Klärung könne das Aufstellen von Sharing-Fahrzeugen als Sonder­nutzung angesehen werden. Hamburg hat auf dieser Grundlage mit den Aufstellern Verein­ba­rungen über relativ großzügige Zonen geschlossen, in denen das Abstellen der Fahrzeuge verboten ist: In Grünan­lagen, an Gewässern (in denen die Roller allzuoft gelandet sind) und in intensiv genutzten Fußgän­ger­be­reichen zum Beispiel. Außerdem wird jeder Nutzer von einem der Aufsteller verpflichtet, ein Foto zu machen, mit dem das korrekte Abstellen der Leihfahr­zeuge dokumen­tiert wird. Letztlich gibt es also rechtlich Möglich­keiten, das Chaos auf den Gehwegen unter Kontrolle zu bringen.

Der wohl wichtigste Faktor wäre, Kfz-Parkraum abzugeben, um ausrei­chend Möglich­keiten zum Parken von Zweirädern zu schaffen. Das ist letztlich keine recht­liche, sondern eine politische Heraus­for­derung. Es wäre – grade auch in Zeiten der Knappheit fossiler Brenn­stoffe – ein ohnehin notwen­diger Schritt zu einer echten Verkehrs­wende, die anerkennt, dass der öffent­liche Raum begrenzt und seine Übernutzung durch indivi­duelle Kfz nicht nachhaltig ist (Olaf Dilling).

2022-05-13T10:26:23+02:0013. Mai 2022|Verkehr|

Sharing-Angebote als Sondernutzung?

Eine Entscheidung des OVG Münster, die wir 2020 hier auf dem Blog besprochen hatten, hat nachhaltig für Irritation im Bereich neuer Mobili­täts­an­gebote gesorgt. Denn diese Entscheidung stellte den Grundsatz in Frage, dass Straßen für jegliche Fahrzeuge grund­sätzlich unbeschränkt als Parkraum genutzt werden können, egal ob sie zu privaten oder gewerb­lichen Zwecken genutzt werden. Nach der Entscheidung des Gerichts sollte nunmehr bei bestimmten gewerb­lichen Angeboten eine geneh­mi­gungs­be­dürftige Sonder­nutzung angenommen werden. Im entschie­denen Fall ging es um Fahrräder, die zur Vermietung aufge­stellt worden waren.

Car-to-Go Elektroauto

Vor allem sogenannte Sharing-Angebote könnten von dieser Recht­spre­chung betroffen sein. Also neben Fahrrädern typischer­weise auch E‑Roller, Scooter oder auch Autos, die ohne feste Station und oft ohne Rahmen­vertrag per Handy-App für einzelne Fahrten gemietet werden können. Dabei ermög­lichen diese Angebote an sich eine sehr flexible und effiziente Nutzung von Fahrzeugen, die nicht mehr im Privat­ei­gentum ihrer Nutzer stehen. Aus dieser Flexi­bi­lität resul­tieren eine Menge Vorteile für ihre Nutzer und im Prinzip auch für die Allge­meinheit. Denn durch intensiv von vielen Einzelnen genutzte Fahrzeuge verringert sich der Bedarf an Parkplätzen.

Nun stehen Sharing-Angebote bisher nicht im Ruf, Platz auf den Straßen zu schaffen. Vielmehr werden zu Recht Klagen laut, dass vor allem die Gehwege der großen Städte immer stärker zugestellt werden. Dies hat tatsächlich zum Teil schwer­wie­gende Folgen für die Barrie­re­freiheit bis hin zu schlimmen Unfällen von blinden Menschen, die in den letzten Jahren über E‑Roller gestolpert sind.

Letztlich ist dies jedoch weniger eine Frage der Menge an Fahrzeugen, sondern eine Frage, wo für sie Platz geschaffen wird. Denn es ist keineswegs zwingend, dass sie auf Gehwegen aufge­stellt werden, sondern eine Entscheidung des Verord­nungs­gebers, der in § 11 Abs. 5 der Elektro­kleinst­fahr­zeu­ge­ver­ordnung diese E‑Roller den Fahrrädern bezüglich des Parkens gleich­ge­stellt hat. Alter­nativ ist es möglich, E‑Roller am Fahrbahnrand abzustellen. Für Scooter und selbst­ver­ständlich auch für E‑Autos ist es sogar so vorgeschrieben.

Um zurück zu kommen zur anfäng­lichen Frage der Sonder­nutzung: Konse­quent weiter­ge­dacht, stellt diese Entscheidung zahlreiche bisher unter den Gemein­ge­brauch fallende Nutzungen in Frage. Denn auch Carsharing und letztlich auch das Parken von Taxis dürfte dann letztlich als Sonder­nutzung gelten: Auch hier liegt insofern ein gewerb­licher Zweck vor, als das Fahrzeug zur entgelt­lichen Nutzung angeboten wird. Letztlich kann dies jedoch nicht für die Einstufung als Sonder­nutzung maßgeblich sein. Denn weiterhin wird das Fahrzeug eben auch als Verkehrs­mittel benutzt, darin liegt gerade der spezi­fische Nutzen, der vom gewerb­lichen Aufsteller angeboten und von den Nutzern reali­siert wird. Statt die Sharing-Angebote zu regulieren, sollte daher eher am Straßenrand für neue Formen der Mobilität Platz geschaffen werden, indem das ineffi­ziente Parken von privaten Pkw zurück­ge­drängt wird (Olaf Dilling).

 

 

2022-03-16T22:14:24+01:0016. März 2022|Verkehr|

Der sogenannte ruhende Verkehr

Rechtlich dreht sich auf deutschen Straßen alles um den Verkehr. Denn nach den Landes­stra­ßen­ge­setzen sind Straßen dem Verkehrs­zweck gewidmet, so etwa § 2 Abs. 1 Berliner Straßen­gesetz. Und bei straßen­ver­kehrs­recht­lichen Anord­nungen sind Sicherheit und Ordnung des Verkehrs nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO der Dreh- und Angel­punkt: Regelungen, die nicht diesen Rechts­gütern dienen, sondern zum Beispiel dem Ruhebe­dürfnis der Stadt­be­wohner oder der Luftrein­haltung bedürfen einer eigens in der Straßen­ver­kehrs­ordnung einge­räumten Ausnahme, vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 StVO.

Skultur in Köln: In Beton eingemauertes Auto auf Mittelstreifen einer Straße.

(Ruhender Verkehr von Wolf Vostell, 1969, Foto: I, VollwertBIT, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons)

Im engen Sinn wird Verkehr definiert als „jede auf Ortsver­än­derung von Personen und Sachen zielende Tätigkeit…“. Dass das Parken von Kfz dabei überhaupt zum Verkehr zählt, ist dabei keine Selbst­ver­ständ­lichkeit. Es muss bei der Definition des Verkehrs daher ausdrücklich als weiterer Posten Erwähnung finden: „…einschließlich des ruhenden Verkehrs“.

Trotzdem findet flächen­mäßig in einem sehr großen Teil des urbanen öffent­lichen Verkehrs­raums die meiste Zeit gar kein Verkehr im Sinne einer aktuellen Ortsver­än­derung statt. Denn viele Kraft­fahr­zeuge stehen den größten Teil des Tages auf demselben Platz, in vielen Fällen sogar über Wochen oder gar Monate. So heißt es, dass die Hälfte der in Berlin zugelas­senen 1,2 Millionen Kfz auf öffent­lichen Parkplätzen abgestellt werden, dabei aber durch­schnittlich nur 30 Minuten am Tag genutzt werden. Genutzt werden sie lediglich von gut der Hälfte der Berliner, denn etwas über 40% hat gar kein eigenes Auto. Daher fordern Umwelt­ver­bände seit langem, dass zumindest ein Teil dieses Platzes effizi­enter genutzt würde, wenn er für den Umwelt­verbund, also ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr, oder für Sharing-Angebote zur Verfügung stehen würde.

Als etwas kleinlich erscheint vor dem Hinter­grund der großzügig bemes­senen Parkflächen die recht­liche Einschätzung, dass Sitzge­le­gen­heiten, die von Anwohnern vor ihren Häusern aufge­stellt werden, als geneh­mi­gungs­be­dürftige Sonder­nutzung einzu­stufen sind. Bei einem Streit in Heidelberg über den Klapp­stuhl eines älteren Altstadt­be­wohners, über den die Presse ausführlich berichtete, ist das Ordnungsamt inzwi­schen einge­knickt. Nur in Notfällen soll er das Feld räumen müssen. Und hat damit insofern Augenmaß bewiesen, als bei Fußgänger an ein Recht auf „ruhenden Verkehr“ zu denken ist, zumindest, wenn sie wie der betref­fende Heidel­berger die 100 Jahre überschritten haben.

Vor dem Hinter­grund neuer Möglich­keiten der „Shared Mobility“, von Carsharing bis hin zum Angebot an E‑Scootern, sollte  aber auch über die Notwen­digkeit des „ruhenden Verkehrs“ in den Städten neu nachge­dacht werden. Die Kommunen haben dabei oft mehr Möglich­keiten, die Aufteilung der Verkehrs­fläche neu zu gestalten, als ihnen bewusst ist  (Olaf Dilling).

2022-01-12T17:09:53+01:0012. Januar 2022|Verkehr, Verwaltungsrecht|