Flugha­fen­er­wei­terung: Guter Fall, schlechte Beschwerde

Gangway auf leerem Rollfeld

Nicht nur in den englisch­spra­chigen Ländern mit ihrem Common Law, auch in Deutschland hangelt sich die Rechts­ent­wicklung von Fall zu Fall. Daher bleibt es manchmal dem Zufall überlassen, ob sich eine an sich sinnvolle Entwicklung in der Recht­spre­chung durch­setzt: „Hard cases make bad law“, heißt es in der Common Law-Tradition sehr treffend. „Extreme“ Fälle, die nicht reprä­sen­tativ für die breite Masse der Fälle sind, sind manchmal keine gute Vorlage für richter­liche Weiter­bildung des Rechts. Denn dann nimmt die Rechts­ent­wicklung manchmal eine Wendung, die sich in der Folge als wenig hilfreich erweist.

Manchmal ist es aber auch schlicht so, dass der Fall eigentlich gut ist, aber die Partei, die Möglich­keiten, die ihr zur Verfügung stehen nicht ausge­reizt hat. So war es wohl im Fall der Klage eines Natur­schutz­ver­bands gegen den Bau und Betrieb einer dritten Startbahn am Flughafen München.

Eigentlich hatte die Klage einen guten Punkt. Denn nach Auffassung des Natur­schutz­ver­bands war die Prognose der Flugver­kehrs­ent­wicklung weder besonders gut und trans­parent begründet, noch hatte sie zwischen­zeitlich als zutreffend erwiesen. Daher hatte er, nach einer erfolg­losen verwal­tungs­ge­richt­lichen Klage, beim Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) Verfas­sungs­be­schwerde eingelegt.

Das BVerfG nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an. Zum einen, weil der Verband zum Nachweis, dass die Prognose metho­disch nicht nachvoll­ziehbar sei, nicht ausrei­chend Material vorgelegt habe. Dies ist bei Verfas­sungs­be­schwerden entscheidend: Denn das Gericht ermittelt nicht selbst und zieht auch keine Akten bei, sondern kann den Fall nur auf Grundlage der vorge­legten Unter­lagen entscheiden. Zum anderen machte das Gericht geltend, dass es die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Behör­den­ent­scheidung zu beurteilen habe. Dass danach noch Änderungen einge­treten seien, sich die Fluggast­zahlen also nicht wie prognos­ti­ziert entwi­ckelt hätten, könne zwar rechtlich relevant sein. Es beträfe zwar nicht die streit­ge­gen­ständ­liche Entscheidung der Behörde, könne aber einen Anspruch auf Aufhebung des Verwal­tungsakts begründen. Das zu prüfen sei Sache der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Die eigentlich inter­es­santen Punkte des Falls wären gewesen, wie detail­liert Gerichte die Methodik und Tatsa­chen­grundlage von Prognosen überprüfen müssen.  Und was für Konse­quenzen es hat, wenn eine Prognose als Grundlage einer Geneh­migung offen­sichtlich von der Realität widerlegt wurde. Da die Verfas­sungs­be­schwerde aber nicht ausrei­chend vorbe­reitet wurde, warten wir vergeblich auf Antworten des Gerichts. Den Natur­schutz­verband dürften sie ohnehin nicht mehr inter­es­sieren. Denn das Projekt der Flugha­fen­er­wei­terung wurde bis auf Weiteres auf Eis gelegt (Olaf Dilling).

2021-07-27T08:49:47+02:0027. Juli 2021|Naturschutz, Umwelt, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Über den Wolken

Der globale Flugverkehr befeuert den Klima­wandel in zuneh­mendem Maße, nicht nur, weil Kerosin verbrannt wird, sondern auch, weil die Emission in einer Luftschicht statt­findet, wo sie noch schäd­licher wirkt als am Boden. Die schon vor drei Jahren emittierten 770 Mio. CO2, die auf den weltweiten Flugverkehr entfallen, sollen deswegen deutlich sinken. Doch in den vergan­genen Jahren wurden alle Effizi­enz­stei­ge­rungen durch inten­sives Wachstum wieder aufge­fressen. Sie kennen das: Sicherlich sind auch Sie in den letzten fünf Jahren viel mehr geflogen als zwischen 1995 und 2000.

Die Europäische Union hat sich deswegen intensiv bemüht, auch den Flugverkehr einzu­be­ziehen. Doch erste Anläufe, alle Flüge, die die EU berühren, berichts- und abgabe­pflichtig zu machen, sind am Wider­stand der außer­eu­ro­päi­schen Staaten gescheitert. Von 2013 bis 2023 gilt deswegen der sog. geogra­phisch reduzierte Anwen­dungs­be­reich: Faktisch werden nur die Flüge erfasst, die in der EU starten und landen.

In Zukunft soll sich das ändern. Die Inter­na­tionale Zivil­luft­fahrt­or­ga­ni­sation ICAO hat Maßnahmen beschlossen, mit denen die Emissionen ab 2020 nicht mehr steigen sollen. „Carbon Offsetting and Reduction Scheme for Inter­na­tional Aviation“ soll das Programm heißen, das sich seit einem Beschluss im Oktober 2016 nun, zuletzt vor einigen Wochen final am 27.06.2018, fortlaufend konkretisiert.

Auf folgende Eckpunkte haben sich die Mitglieder geeinigt: Es wird eine Pilot­phase von 2021 bis 2023 und eine erste Phase von 2024 bis 2026 geben, in der 73 Mitglied­staaten freiwillig teilnehmen. Diese sind aller­dings schon allein für den Löwen­anteil der weltweiten Emissionen verant­wortlich. Ab 2027 sind dann alle dabei, berichten über ihre Emissionen, geben Zerti­fikate ab und bemühen sich, durch neue Techno­logien, Biokraft­stoffe, Infra­struk­tur­maß­nahmen und Kompen­sa­ti­ons­maß­nahmen die Emissionen zu verringern.

Aller­dings sind die Regelungen nicht so streng wie im EU-Emissi­ons­handel. Die Basis­linie 2019/2020 entspricht bei weitem nicht den Vorstel­lungen, die die Kommission für den Luftverkehr hegt. Damit stellt sich die Frage, wie mit den inner­eu­ro­päi­schen Flügen umzugehen ist: Sollen sie künftig an zwei Systemen teilnehmen, einem sehr strengen und einem deutlich großzü­gigen? Oder entlässt das europäische Emissi­ons­han­dels­system den Flugverkehr zur Gänze in ein globales System um den Preis weniger ehrgei­ziger Ziele? Hier muss nun eine Regelung her. Bishr deutet alles darauf hin, dass die Organe der EU nicht bereit sind, den EU-Flugverkehr aus dem EU-Emissi­ons­handel zu entlassen, worauf die Branchen­ver­bände schon wegen des erheb­lichen adminis­tra­tiven Mehrauf­wands, der mit zwei Systemen einhergeht, drängen.

2018-07-25T07:57:20+02:0025. Juli 2018|Emissionshandel, Umwelt, Verkehr|