SO2: Vergleiche für Luftreinhaltepläne

Vor dem Oberver­wal­tungs­ge­richt Münster haben sich letzte Woche sieben Städte mit der Deutschen Umwelt­hilfe (DUH) verglichen. Damit ist ein inten­sives und aufwen­diges Verfahren mit allein zwei Erörte­rungs­ter­minen im letzten Monat zum Abschluss gekommen. Statt Fahrver­boten setzen die Vergleiche in den Städten Bielefeld, Bochum, Düren, Gelsen­kirchen, Hagen, Oberhausen und Paderborn auf Gesamt­kon­zepte mit mittel‑, lang- und kurzfris­tigen Maßnahmen. Dadurch sollen die Schad­stoff­werte konti­nu­ierlich verringert werden.

Zu den Maßnahmen zählen u.a.:

#die Verrin­gerung von Fahrspuren,

#die Umleitung des Verkehrs durch Ortsum­ge­hungen, um kritische Bereiche zu entlasten,

#Tempo 30 mit fester Instal­lation von Radar­an­lagen zur Überwachung,

#LKW- und Schwerverkehrverbote,

#Parkraumbewirtschaftung.#Förderung des Fahrrad­ver­kehrs und des Öffent­lichen Verkehrs, u.a. durch Anschaffung neuer Busse, die der Euro VI-Norm entsprechen.

Es ist sicher sinnvoll, dass sich bei der Luftrein­haltung die Diskussion von der engen Fixierung auf Fahrverbote löst und die Verkehrs­planung in den Städten ingesamt in den Blick nimmt (Olaf Dilling).

2020-03-03T12:36:14+01:003. März 2020|Umwelt, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Der blaue Himmel über Karlsruhe und die Fahrverbote

Der bei deutschen Juristen beliebte Spruch vom Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG), über dem sich nur noch der blaue Himmel von Karlsruhe wölbe, hat in den letzten Jahrzehnten an Überzeu­gungs­kraft eingebüßt. Denn bekanntlich haben die staatlich bestallten Hüter der Verfassung auf europäi­scher Ebene Konkurrenz bekommen. Schließlich gibt es auch noch den Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg als oberstes Gericht der Europäi­schen Union und den Europäi­schen Gerichtshof für Menschen­rechte (EGMR), der im franzö­si­schen Straßburg über die Wahrung der Rechte der Europäi­schen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK) wacht.

Aber manchmal passt das Bild vom blauen Himmel dann doch. Aller­dings selten so gut wie bei einer Rechts­frage, für die in Karlsruhe gleich mehrere Verfas­sungs­be­schwerden einge­gangen waren: Die Fahrverbote für Diesel­fahr­zeuge in deutschen Innen­städten. Wir hatten bereits mehrfach berichtet. Hierzu hat das BVerfG gestern mehrere Nicht­an­nah­me­be­schlüsse bekannt gegeben: In insgesamt neue Verfahren gegen Fahrverbote für Euro-5-Diesel in Stuttgart hat das Gericht entschieden, die Beschwerden nicht zur Entscheidung anzunehmen. Eine Begründung gibt das Gericht nicht, was gerade angesichts der politi­schen Brisanz zeigt, dass sich das Gericht in seiner Entscheidung sehr sicher sein dürfte.

Die Verfahren sind allesamt zuvor bei den Verwal­tungs­ge­richten, nämlich beim Verwal­tungs­ge­richt Stuttgart und dem Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg, anhängig gewesen und dort gescheitert. Danach blieb dann nur noch die Verfas­sungs­be­schwerde in Karlsruhe. In Stuttgart wurde dieses Jahr ein Fahrverbot für Fahrzeuge mit Abgasnorm Euro‑4 oder älter in der Umweltzone erlassen. Ab nächstem Jahr wollte die grün-schwarze Regierung auch das Fahren mit Euro-5-Diesel auf einigen Haupt­strecken verbieten. Nach Auffassung der Verwal­tungs­ge­richts­barkeit lassen sich die sehr hohen Stutt­garter Stickoxid-Werte nur durch ein Fahrverbot in der gesamten Umweltzone ausrei­chend bekämpfen.

Tatsächlich hätte sich der blaue Himmel über Stuttgart mit einiger Kreati­vität und vor allem genügend Vorlauf sicher auch durch andere Maßnahmen wieder­her­stellen lassen. Nur wenn die Politik schläft, müssen’s am Ende die Gerichte richten.

2019-10-25T18:35:18+02:0025. Oktober 2019|Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Durch­bruch gegen Fahrverbote?

Die Presse jubelt: Die europäische Kommission hätte die geplante Änderung des Bundes-Immis­si­ons­schutz­ge­setzes (BImSchG) abgesegnet, nach der künftig Fahrverbote bei einer Grenz­wert­über­schreitung von maximal 10 µg/m3 Luft bei Stick­stoff­dioxid als unver­hält­nis­mäßig (und damit unzulässig) gelten sollten. Über 20 Städten bliebe das leidige Diesel­fahr­verbot so erspart. 

Aber stimmt das wirklich? Schauen wir etwas genauer hin:

Klar ist: Der Grenzwert von 40 µg/m3 wird nicht verändert. Die Richt­linie 2008/50/EG über Luftqua­lität bleibt, wie sie ist. Schließlich kann die Bundes­re­publik dieses europäische Regelwerk ja auch mangels Zustän­digkeit gar nicht ändern. Das könnten nur die europäi­schen Organe. Damit muss die Bundes­re­publik es ohne Wenn und Aber nach wie vor irgendwie bewerk­stel­ligen, dass auch in Ballungs­räumen die Atemluft den gemein­schafts­recht­lichen Vorgaben entspricht.

Bei der Auswahl der Instru­mente ist die Bundes­re­publik – wie es für Richt­linien charak­te­ris­tisch ist – verhält­nis­mäßig frei. Es zählt die Zieler­rei­chung. Exakt das hat die Kommission nun noch einmal unter­strichen. Ob ein Bundesland es nun durch Verbes­se­rungen im ÖPNV einer Stadt, durch einen Anschluss-und Benut­zungs­zwang seiner Gemeinden für eine emissi­onsarme und innen­stadt­ferne Fernwär­me­er­zeugung, durch verbes­serte und verkehrs­ver­min­dernd Radwege oder eben durch ein Fahrverbot schafft, ihren Bürgern die Luftqua­lität zu garan­tieren, die ihnen zusteht, kann es sich in gewissen Grenzen aussuchen. Diese „gewisse Grenzen“ resul­tieren insbe­sondere aus dem Gebot der Verhält­nis­mä­ßigkeit. Dieses gilt für alle Akte staat­licher Gewalt, auch für einen Luftrein­hal­teplan. Es besagt, dass staat­liche Maßnahmen nur dann zulässig sind, wenn sie erstens geeignet sind, dass angestrebte Ziel zu fördern. Sie müssen zweitens aber auch das mildeste Mittel darstellen, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Und selbst, wenn das der Fall ist, müssen sie auch ein angemes­senes Verhältnis von Mittel und Zweck verkörpern. 

Es liegt auf der Hand, dass ein Fahrverbot eine relativ harte und belas­tende Maßnahme darstellt, viel belas­tender als mehr Busse oder einen kosten­losen P+R‑Verkehr. Damit ist ein Fahrverbot ohnehin immer nur dann zulässig, wenn denn gar kein weniger belas­tendes Instrument wirkt. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) am 27. Februar 2018 (BVerwG 7C 26.16) ausdrücklich festge­stellt. Hiernach ist ein Fahrverbot nur zulässig wenn es die „einzig geeignete“ Maßnahme zur schnellst­mög­lichen Einhaltung der Stick­stoff­dioxid-Grenz­werte darstellt (so schon der Leitsatz 1). 

Offenbar stellen nun aber zumindest Teile der Presse sich vor, dass in Zukunft auch dann, wenn der Luftzu­stand die verdammten 40 µg/m3 einfach nicht unter­schreiten will, egal, was die Stadt alles anstellt, trotzdem kein Fahrverbot verhängt wird. Sondern die Grenz­wert­über­schreitung einfach hinzu­nehmen ist. Stimmt das aber wirklich? Wir meinen: Nein. Am Grenzwert ändert sich doch nichts. Damit könnten betroffene Bürger, aber auch Umwelt­ver­bände wie die Deutsche Umwelt­hilfe weiter vor Gericht auf seine Einhaltung pochen, egal wie. Denn eine Duldungs­pflicht gibt es nicht. Oder die europäische Kommission kann ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren betreiben, in dem hohe Strafen fällig werden können. 

Was bringt also die Geset­zes­än­derung? Eigentlich nichts. Das Fahrverbote nur als Ultima Ratio zulässig sind, wissen wir seit der Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts im letzten Februar. Es dürfte sich also um reine Kosmetik handeln. Vielleicht hofft der Gesetz­geber, dass der eine oder andere Kläger sich abgeschreckt fühlt. Oder Verwal­tungs­richter sich ins Bockshorn jagen lassen. Ist das realis­tisch? Wir meinen: Nein.

Wir glauben deswegen: die Presse hat sich zu früh gefreut. Im Ergebnis ändert sich nichts.

Sie sind anderer Ansicht: Dann freuen wir uns über Ihren Kommentar hier oder (für Mitglieder) im re|Forum.

2019-02-15T14:13:33+01:0014. Februar 2019|Umwelt, Verkehr|