Die BNetzA und der General­anwalt: Zum Schluss­antrag C‑718/18

Der Europäi­schen Kommission (KOM) gefällt das deutsche Energie­recht nicht. Sie hat deswegen ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren einge­leitet, das aktuell beim EuGH auf der Zielge­raden steht (Rs. C‑718/18). Nun hat am 14.01.2021 General­anwalt Giovanni Pitruz­zella seine Schluss­an­träge veröf­fent­licht und sich der Position der KOM weitgehend angeschlossen.

Neben einigen Regelungen, die die Wettbe­werbs- und Eigen­tums­ver­hält­nisse von Energie- und Gasun­ter­nehmern betreffen, wirft die KOM der Bundes­re­publik Deutschland vor, dass § 24 Abs. 1 EnWG unions­rechts­widrig die ausschließ­liche Zustän­dig­keiten der natio­nalen Regulie­rungs­be­hörde, also der Bundes­netz­agentur, beschränkt. Dies sieht auch der General­anwalt so.

Die Befugnis, Rechts­ver­ord­nungen zu erlassen, die die Arbeit und Methodik der Bundes­netz­agentur konkre­ti­sieren und dieser detail­lierte Vorgaben macht, verstieße gegen die von den einschlä­gigen Richt­linien gefor­derte vollkommene politische Unabhän­gigkeit der natio­nalen Regulie­rungs­be­hörde. Zu deutsch: Die Bundes­netz­agentur sei nicht unabhängig genug. Der General­anwalt geht sogar so weit, dass es auch den natio­nalen Parla­ments­ge­setz­gebern versagt sei, inhalt­liche Vorschriften im Rahmen der von den Richt­linien übertra­genen Vorschriften zu machen. Er wünscht sich also eine parla­men­ta­risch frei schwe­bende Agentur, die allein dem Gesetz verpflichtet sei.

Darin bestünde, wie er meint, keine Verletzung des Demokra­tie­prinzips. Dies fordert aber grund­sätzlich, dass jede Ausübung von staat­licher Gewalt sachlich und personell auf den direkt demokra­tisch gewählten Parla­ments­ge­setz­geber zurück­ge­führt werden kann. Eine solche Legiti­ma­ti­ons­kette erfolge hier – so der General­anwalt – vermittelt über die Organe der Europäi­schen Union.

Wir  meinen: Dieses Verständnis ist ausge­sprochen schwierig. Ein solches Verständnis kann sich zwar auf den Wortlaut der Richt­linien stützen, wirft aber die Frage auf, ob diese so gelesen selbst mit dem auch im Unions­recht veran­kerten Demokra­tie­grundsatz vereinbar sind.

Dieser Schluss­antrag offenbart erneut den unerschüt­ter­liche Glauben der Europäi­schen Union an die Effizienz sog. unabhän­giger Stellen und Einrich­tungen, die nur noch durch die Judikative kontrol­liert werden können und dürfen. Dahinter steht die Hoffnung, dass sich solche unabhän­gigen Stellen als unpoli­tisch und deshalb objek­tiver erweisen würden, als die Aushandlung von Entschei­dungs­maß­stäben in einem demokra­ti­schen Prozess, für den am Ende jemand politische Verant­wortung übernehmen muss. Es ist schon fragwürdig, ob dies so realis­tisch ist. Dem zentralen Satz, dass alle Staats­gewalt vom Volke auszu­gehen hat, steht diese sehr techno­kra­tische Lesart weite­gehend fern (Miriam Vollmer/Meret Trapp)

 

2021-01-15T18:38:13+01:0015. Januar 2021|Energiepolitik|

Mehrzu­teilung für Kapazi­täts­er­wei­terung: Zu EuGH, C‑189/19

Die Regeln für Mehrzu­tei­lungen für Kapazi­täts­er­wei­te­rungen der dritten Handel­s­pe­riode des EU-Emissi­ons­handels sind berüchtigt kompli­ziert und werden mit gutem Grund nicht weiter­ge­führt. Dass sie eine Vielzahl von recht­lichen Unsicher­heiten nach sich gezogen haben, ist angesichts dessen nicht erstaunlich. Zumindest eine der vielen Fragen rund um Mehrzu­tei­lungen auf Grundlage der Zutei­lungs­ver­ordnung 2020 (ZuV 2020) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Entscheidung vom 14. Mai 2020 (C‑189/19) auf eine Vorlage des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG 7 C 10.17) hin entschieden.

In dem Verfahren ging es um eine Anlage zur Herstellung von Zement. Diese war 2007 und 2008 ausgebaut worden. Für diese kumulative Kapazi­täts­er­wei­terung beantragte der Betreiber im Rahmen des Zutei­lungs­ver­fahrens für die dritte Handel­s­pe­riode 2013 bis 2020 eine Zuteilung als Kapazi­täts­er­wei­terung nach § 8 Abs. 8 Satz 1 ZuV 2020. Natürlich beantragte er auch eine Zuteilung für den Bestandsteil des Zutei­lungs­ele­ments. Hier hatten Betreiber 2011 die Wahl: Als Bezugs­zeitraum kamen entweder die Jahre 2005 bis 2008 in Betracht. Oder die Jahre 2009 und 2010. Der Betreiber entschied sich für 2009 und 2010.

Die DEHSt lehnte die Zuteilung für die geltend gemachte Kapazi­täts­er­wei­terung indes ab: Die Voraus­set­zungen der Norm würden nicht vorliegen, denn die Kapazi­täts­er­wei­terung müsste in dem Bezugs­zeitraum liegen. Der Betreiber dagegen meinte, schon das Wahlrecht als solches wäre europa­rechts­widrig. Außerdem hätte die Behörde von sich aus den für den Betreiber günsti­geren Zeitraum wählen müssen.

Nachdem das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin die Klage abgewiesen hatte, legte das BVerwG vor und fragte sinngemäß, ob gem. Art. 9 Abs. 9 des Beschlusses 2011/278/EU die Frage, ob die Kapazi­täts­er­wei­terung in den gewählten Bezugs­zeitraum fällt, überhaupt relevant sein darf. Weiter wollte es wissen, ob dann, wenn die Kapazi­täts­er­wei­terung im Bezugs­zeitraum schon läuft, die ihr zuzurech­nenden Produk­ti­ons­mengen aus der der Zuteilung zugrunde liegenden Menge heraus­zu­rechnen sind. Und außerdem stellte das BVerwG zur Diskussion, ob es überhaupt ein Wahlrecht des Betreibers bezogen auf den Bezugs­zeitraum geben darf oder ob nicht der Mitglied­staat – sprich: die DEHSt – entscheiden kann bzw. muss. Eine weitere Frage drehte sich um den sektor­über­grei­fenden Korrek­tur­faktor (der einen eigenen Beitrag in der kommenden Woche wert ist).

Der EuGH hat sich nun geäußert und die Position der deutschen Gerichte bestätigt: Auch nach Luxem­burger Richtern gibt es nur dann eine Zuteilung, wenn die Kapazi­täts­er­wei­terung in und nicht vor den gewählten Bezugs­zeitraum fällt. Ansonsten käme es zu einer Doppel­zu­teilung, weil dieselben Produk­ti­ons­mengen einmal im Rahmen der Kapazi­täts­er­wei­terung und noch einmal als Produktion des Bestands­teils des Zutei­lungs­ele­ments berück­sichtigt würden. Doch ist dies wirklich überzeugend? Schließlich wäre es an sich kein Problem, diese Mengen bei der Bestands­zu­teilung abzuziehen.

Auch in Hinblick auf die Frage, wer den Bezugs­zeitraum bestimmt, ist der EuGH ganz bei VG und BVerwG. Das Wahlrecht sei gemein­schafts­rechts­konform und es sei Sache des Anlagen­be­treibers, den für ihn richtigen Zeitraum zu bestimmen. Das klingt nun erst einmal einleuchtend. Aber gibt es nicht mit gutem Grund im Verwal­tungs­ver­fah­rens­recht Hinweis- und Beratungs­pflichten bei der Antrag­stellung? Die Regeln für die Zuteilung sind neu, sie sind reichlich kompli­ziert, wieso kann nicht die Behörde, die die Daten vor sich hat, mit einem Klick eine Vergleichs­be­rechnung anstellen und eine Antrags­än­derung anregen?

Was bleibt von dieser Entscheidung? Für die Zukunft gibt es schließlich die zugrunde liegenden Regeln für die Zuteilung für Kapazi­täts­er­wei­te­rungen so nicht mehr. Doch in jedem Fall wird immer klarer: Der Betreiber ist mit der Verant­wortung für seine Zuteilung allein, die Behörde muss ihn nicht unter­stützen (Miriam Vollmer).

2020-08-07T15:56:09+02:007. August 2020|Emissionshandel, Industrie, Verwaltungsrecht|

Klage­rechte bei Verschlech­terung des Grundwassers

Wir hatten im Herbst letzten Jahres schon einmal darüber berichtet: Ähnlich wie bei der Luftrein­haltung könnte auch die Einhaltung der Wasser­qua­li­täts­ziele in Zukunft stärker durch indivi­duelle Kläger betrieben werden. In dieser Entwicklung gab es Ende Mai eine weitere wichtige Entscheidung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil die Klage­rechte von Privat­per­sonen, die berechtigt sind, Grund­wasser zu entnehmen, bestätigt und ausgebaut.

Während es im Oktober 2019 um Verstöße gegen Nitrat­grenz­werte ging, war diesmal ein Planfestel­lungs­be­schluss der Bezirks­re­gierung Detmold von 2016 für den Bau einer Autobahn­teil­strecke auf dem Prüfstand. Zu prüfen hatte den Fall das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG), das dem EuGH jedoch Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorlegte. Diese Fragen betrafen die Auswirkung von Verfah­rens­fehlern in der Öffent­lich­keits­be­tei­ligung, den Begriff der Verschlech­terung eines Wasser­körpers sowie schließlich die Klage­be­fugnis von Betrof­fenen. Insbe­sondere wurde gefragt, ob Kläger, die in räumlicher Nähe zur geplanten Straßen­trasse Hausbrunnen zur privaten Wasser­ver­sorgung unter­halten, Verstöße gegen das wasser­recht­liche Verschlech­te­rungs­verbot und Verbes­se­rungs­gebot gerichtlich geltend machen können.

Wie wir bereits zu einer kürzlich hier bespro­chenen Entscheidung des BVerwG festge­stellt hatten, muss die europäische Wasser­rah­men­richt­linie (WRRL) bereits im Planfest­stel­lungs­ver­fahren geprüft werden. Eine Verschlech­terung liegt nach dem EuGH vor, wenn mindestens eine Quali­täts­kom­po­nente nicht erfüllt oder ein Schwel­lenwert überschritten wird. Auch bei bereits überschrit­tenem Grenzwert gilt eine weitere Erhöhung der Schad­stoff­kon­zen­tration als Verschlech­terung. Weiterhin hat der EuGH klarge­stellt, dass alle, der zur Grund­was­ser­ent­nahme und ‑nutzung berechtigt ist, unabhängig von einer konkreten Gesund­heits­ge­fährdung klagen können. Denn sie sind aufgrund von Nutzungs­be­ein­träch­ti­gungen durch die Verletzung der wasser­recht­lichen Pflichten unmit­telbar betroffen (Olaf Dilling).

2020-08-05T12:22:23+02:005. August 2020|Umwelt, Wasser|