Kita-Wechsel nach Umzug bei Integrationskindern

Kinderzeit ist für viele Familien auch Umzugszeit. Denn wenn weitere Famili­en­mit­glieder ins Haus kommen, wird die alte Wohnung meist zu eng. Damit ist dann oft auch ein Ortswechsel verbunden. Und da hängt dann manchmal ein ganzer Ratten­schwanz an weiteren Entschei­dungen dran: Beispiels­weise, ob die Kinder nach dem Umzug in der alten Kita betreut werden sollen – und ob dies überhaupt möglich ist. Denn zuständig für die Förderung von Kindern in Kitas und bei Tages­müttern nach § 24 SGB VIII sind zunächst einmal die örtlichen Träger, in der Regel die Gemeinden oder Landkreise, in denen die Kinder wohnen. Mit einem Umzug ist dann oft auch ein Wechsel der Zustän­digkeit verbunden.

Im Fall des Wegzugs aus Berlin in den Branden­burger Speck­gürtel gibt es dazu Regelungen in einem Staats­vertrag zwischen den beiden Ländern, über den wir hier schon einmal berichtet haben. Auf dieser Grundlage erkennt die Rechts­spre­chung zumindest einen Anspruch auf Weiter­be­treuung an.

Aber auch in anderen Bundes­ländern gibt es manchmal Möglich­keiten. In manchen Fällen ist ein Wechsel der Betreu­ungs­ein­richtung schlicht nicht zumutbar. Dies hat in einem Fall aus Nieder­sachsen das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Lüneburg per Eilbe­schluss entschieden. In dem Fall ging es genau genommen nicht um eine Förderung nach § 24 SGB VIII, sondern um eine  heilpäd­ago­gische Leistung nach § 79 SGB IX, mit der in dem zu entschei­denden Fall erheblich entwick­lungs­ver­zö­gerte Kinder gefördert werden. Ein Wechsel der Einrichtung hätte die bereits erreichten Ergeb­nisse der Förderung zunichte gemacht, die ohnehin durch den Corona-Lockdown erschwert worden waren. Denn die Kinder hatten ausge­prägte soziale Ängste, die eine Konti­nuität in der Betreuung erfor­derlich machen.

Zudem war die Gemeinde für die Vergabe der Integra­ti­ons­plätze ohnehin nicht zuständig. Denn die Förderung durch heilpäd­ago­gische Leistungen ist im Sozial­hil­fe­recht geregelt, so dass die Region Hannover als örtlicher Träger zuständig und weisungs­befugt ist (Olaf Dilling).

2020-08-31T10:46:12+02:0031. August 2020|Allgemein|

Grünheide: Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln?

Letzte Woche ging durch die Presse, das OVG Berlin-Brandenburg (OVG BB) hätte Teslas Rodungs­pläne im branden­bur­gi­schen Grünheide gestoppt. Gestern hieß es nun, es dürfe doch gerodet werden. Auf Nicht-Juristen macht das einen ziemlich konfusen Eindruck. Was aber ist nun tatsächlich passiert?

Das Gelände in Grünheide, wo Tesla seine etwas unbescheiden „Gigafactory“ genannte Autofabrik bauen will, ist als Gewer­be­gebiet ausge­wiesen. Es handelt sich also nicht um ein Gebiet, das für eine naturnahe Nutzung vorge­sehen ist. Die Bäume, die dort stehen, sind auch kein „echter“ Wald, sondern eine Kiefer-Monokultur, am ehesten vergleichbar mit einem Maisfeld. Anders als natur­nähere Wälder speichern sie auch kein CO2 dauerhaft, sondern werden nach einigen Jahren geplant abgeholzt. Dem wird durch die Abholzung durch Tesla nun vorge­griffen. Zu beachten ist, dass Tesla das Werks­ge­lände auf Grundlage einer am 12.02.2020 erteilten Geneh­migung für den vorzei­tigen Beginn roden will, bevor die Vegeta­ta­ti­ons­pe­riode beginnt. Was Tesla im Frühling nicht schafft, soll im Herbst gerodet werden.

Die Grüne Liga e. V. ging umgehend gegen die Rodungs­pläne von Tesla vor. Anders als der Name es vermuten lässt, hat der Umwelt­verband nichts mit der gleich­na­migen Partei zu tun. Es handelt sich um einen ostdeut­schen Verband, der in den letzten Tagen der DDR als Sammel­be­wegung der oft kirch­lichen Umwelt­gruppen der DDR entstand. Er ist also regional gut verankert, aber nicht so groß und bekannt wie andere gesamt­deutsche oder gar weltweit operie­rende Umwelt­ver­bände. Anders als einigen anderen Gruppen, die die Pläne bekämpfen, geht es dem Verband nicht um eine grund­sätz­liche Opposition gegen die Elektro­mo­bi­lität, sondern er fürchtet vor allem um das örtliche Trink­wasser, befürchtet aber auch Präzen­denz­fälle für ungewöhnlich schnelle und in den Augen der Kritiker übermäßig hemds­ärmlige Genehmigungsverfahren.

Nun dauern Verwal­tungs­pro­zesse lange. Die Grüne Liga e. V. ging deswegen per Eilver­fahren gegen die Geneh­migung des vorzei­tigen Beginns der Arbeiten vor. Anders als vielfach angenommen, sind Eilver­fahren nicht einfach nur sehr schnelle Prozesse. Sondern sie treffen Regelungen für den Zeitraum, bis der parallel laufende „normale“ Prozess (oder auch ein Wider­spruchs­ver­fahren) beendet ist. Weil ein Eilver­fahren nur nur vorläufig regelt und schnell regeln muss, findet deswegen nur eine summa­rische Prüfung statt, also ein eher überschlä­giger Check, was an der Sache dran ist, und eine Betrachtung, wie eilig es denn ist. Vor Verwal­tungs­ge­richten gibt es zwei Arten von Eilver­fahren, zum einen geht es um die Anordnung bzw. Wieder­her­stellung der aufschie­benden Wirkung von Wider­spruch und Klage (also „erst mal abwarten“), zum anderen um Regelungen für die Zwischenzeit. Hier war ein Antrag auf Wieder­her­stellung der aufschie­benden Wirkung des Wider­spruchs der Grünen Liga e. V. beim Verwal­tungs­ge­richt (VG) Frankfurt/Oder gestellt und von diesem am 14.02.2020 abgelehnt worden.

In Eilver­fahren gibt es nur, aber auch immerhin, zwei Instanzen. Die Grüne Liga e. V. ging also gegen die Abweisung ihres Antrags durch die Frank­furter Richter vor und erhob Beschwerde vor dem OVG BB. Nun braucht auch ein Eilver­fahren Zeit, zumindest einige Tage. Das OVG BB musste also für die – wenigen – Tage, die das Verfahren beanspruchen würde, eine Regelung treffen. Nun galt ja wegen der Abweisung des Antrags auf Wieder­her­stellung der aufschie­benden Wirkung durch das VG die Geneh­migung des vorzei­tigen Beginns der Arbeiten am Werks­ge­lände weiter. Tesla hätte also bis zum Beschluss des OVG BB die ganze Fläche abholzen und das Verfahren damit ad absurdum führen können. Deswegen erließ das OVG BB einen sogenannten „Hänge­be­schluss“.

Hänge­be­schlüsse sind in der VwGO nicht extra geregelt. Sie beruhen direkt auf der Rechts­schutz­ga­rantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Sie sollen sicher­stellen, dass überhaupt ein effek­tiver Rechts­schutz statt­finden kann, was natürlich nicht der Fall wäre, wenn die streit­ge­gen­ständ­liche Kiefern­pflanzung zum Zeitpunkt der Entscheidung im Beschwer­de­ver­fahren gar nicht mehr da wäre. Das OVG BB stoppte die Rodung  mit Beschluss vom 15.02.2020 (Az.: OVG 11 S 8.20) also nicht nach einer inhalt­lichen Prüfung aus Bedenken gegen die Rodung heraus. Sondern um sich Zeit zu verschaffen, um die Angele­genheit zumindest so summa­risch zu prüfen, wie es im Eilver­fahren eben nötig ist.

Das ging nun schnell: Bis zum 18.02.2020 hatte die Behörde Gelegenheit sich zu äußern, am 20.02.2020 befand das OVG BB, dass die Voraus­set­zungen einer Geneh­migung des vorzei­tigen Beginns vorliegen und Tesla weiter roden darf. Über die endgültige Geneh­migung ist damit noch keine Aussage getroffen worden, denn diese ist ja noch gar nicht in der Welt. Hier läuft das Verfahren, in dem bis zum 05.03.2020 noch Einwen­dungen erhoben werden können, die dann am 18.03.2020 erörtert werden. Es wäre überra­schend, wenn nicht auch die dann voraus­sichtlich ergehende Geneh­migung erneut angegriffen würde (Miriam Vollmer).

 

2020-02-21T09:32:50+01:0021. Februar 2020|Industrie, Umwelt, Verkehr|