Q & A Kraftwerksstrategie
Die letztes Jahr groß geplante Kraftwerksstrategie ist in der Bundes-Waschmaschine eingelaufen: Statt 50 neuen Gaskraftwerken soll es jetzt nur noch rund 20 geben, insgesamt 10 GW. Doch warum? Und wie soll das aussehen?
Wieso jetzt noch neue Gaskraftwerke?
Umweltverbände sind unzufrieden: Gaskraftwerke seien aus der Zeit gefallen. Man solle keine neuen fossilen Kraftwerke mehr bauen, statt dessen auf Wind und Sonne setzen. Doch die liefern nicht über alle 8.460 Std. des Jahres. Für die Stunden, in denen Strom aus anderen Quellen fließen muss, aber weder aus dem Ausland noch aus Speichern zur Verfügung gestellt werden kann, und auch Lastmanagement nicht reicht, braucht es Reservekapazitäten. Die laufen dann nur wenige Stunden im Jahr, so dass auch die Emissionen dieser Anlagen sich in Grenzen halten dürften. Sie werden ohnehin über den Emissionshandel reguliert, so dass schon wegen der hohen Zertifikatpreise kein Anreiz bestehen dürfte, sie mehr laufen zu lassen als nötig.
Wieso eigentlich Erdgas?
Kraftwerk ist nicht gleich Kraftwerk. Nicht jede Technologie kann mehr oder weniger aus dem Stand Strom liefern, wenn er gerade gebraucht wird, und danach wieder Platz für Erneuerbare machen. Gaskraftwerke besitzen diese Fähigkeit, zudem ist Erdgas im Verhältnis zu Kohle wenig emissionsintensiv.
Am besten wäre es freilich, die Anlagen könnten direkt mit Wasserstoff laufen. Der verbrennt CO2-frei. Leider gibt es noch kein Wasserstoffnetz. Das soll erst entstehen und dazu v. a. das heutige Gasnetz nutzen. Es gibt bisher auch zu wenig Hersteller und Importeure. Diese Struktur muss überall erst wachsen. Deswegen werden Kraftwerke errichtet, die später hoffentlich umgerüstet werden können.
Wer betreibt die neuen Gaskraftwerke?
Wenn es heißt, dass „Deutschland baut“, ist das nicht ganz richtig. Deutschland lässt bauen, indem die Bundesnetzagentur Kapazitäten in Auktionen ausschreibt. Unternehmen der Privatwirtschaft (oder auch Staatsunternehmen aus Deutschland oder anderen Ländern) bewerben sich mit einem Betrag, den sie für die Förderung pro MW brauchen, und wer mit am wenigsten Förderung auskommt, gewinnt und baut. Die Förderung soll aus dem Klima- und und Transformationsfonds stammen.
Ist das alles?
Nope. Die neuen Kraftwerke sind nur ein Teil der Strategie für die künftigen grünen Netze. Die Bundesregierung sitzt derzeit an einem neuen Kapazitätsmechanismus einschließlich eines neuen Strommarktdesigns. Das soll Versorgungssicherheit bei vernünftigen Preisen gewährleisten. Außerdem werden auch Speicherkapazitäten ausgebaut. Und es wird geforscht, die Abscheidung von CO2 vorangebracht, es soll schneller geplant und genehmigt werden, und selbst für die Kernfusion gibt es in der Strategie ein paar gute Worte (und wohl etwas Geld).
Wie geht es weiter?
Nun muss aus der Einigung der Bundesregierung also ein Gesetzesentwurf werden. Viel Zeit bleibt nicht, denn schon nächstes Jahr wird ja wieder gewählt. Doch auch die nächste Bundesregierung wird nicht anders können, als zu bauen, denn selbst wenn das nächste Kabinett Klima nicht so prioritär ansehen sollte, wie der aktuelle Hausherr im BMWK gibt das EU-Recht einen zeitlichen Rahmen vor, mit dem eine Verlangsamung der Transformation hin zu Nettonull ausgeschlossen ist (Miriam Vollmer).
Datteln IV: Von Münster nach Leipzig und zurück
Umweltrechtler wissen, es gibt in Deutschland ein Umweltrecht vor und nach „Trianel“.(Das Urteil des EuGH vom 12.05.2011 finden Sie hier). Anhand des Kohlekraftwerkprojekts aus Lünen (bzw. mit Bezug dazu) wurden viele Aspekte des deutschen Verwaltungsprozessrechts und der Klagebefugnis von Umweltverbänden durchexerziert, angefangen von der Schutznormtheorie bis hin zur Präklusion und der Beweislast. „The fish cannot go to Court“ und der Vergleich des deutschen Verwaltungsprozessrechts zu einem Ferrari, für den man keinen Schlüssel habe und der daher zwar schön, aber nutzlos sei, sind geflügelte Aphorismen im Umweltrecht geworden. Doch es gibt nicht nur Trianel, gegen das weiterhin Verfahren laufen. Es gibt auch noch Datteln IV, das jüngste Kohlekraftwerk der Republik.
An dieser Stelle wurde bereits ein Kasten Bier darauf verwettet worden, dass der 1.050 MW Monoblock der Uniper doch wohl vor dem Aus stehen würde. Das OVG Münster hatte schließlich mit drei Urteilen vom 26.08.2021 den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 105a für den Block Datteln IV für nichtig erklärt und damit die gemeindliche Absicht der Stadt Datteln durchkreuzt, endlich einen wirksamen Bebauungsplan für das Kraftwerk aufzustellen. Ohne die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Anlage geht es schließlich nicht und diesbezüglich sah es tatsächlich zuletzt sehr eng aus. Nach Ansicht des OVG Münster sei die regionalplanerische Standortfestlegung fehlerhaft gewesen. So hat das OVG angenommen, dass der Suchraum für alternative Standorte auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Regionalverbands Ruhr zu erstrecken sei. Man hätte also auf einer viel größeren Fläche nach einem Standort für ein Kraftwerk suchen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist dem nun nicht gefolgt und hat die angefochtenen Urteile mit Urteilen vom 07.12.2023 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Aus Sicht der Leipziger Bundesrichter habe das OVG den Bebauungsplan mit rechtlich nicht tragfähigen Erwägungen für unwirksam erklärt. Damit hat sich Datteln IV – ein wenig wie Baron Münchhausen – am eigenen Schopfe aus dem Sumpf gezogen. Ein Klageverfahren gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von 2017 beim OVG Münster gibt es indes auch noch. Dieses ruhte jedoch im Hinblick auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Wie es also mit Datteln IV weitergeht, bleibt abzuwarten (genauso wie die schriftlichen Urteilsgründe des Bundesverwaltungsgerichts). Es ist inzwischen jedoch gut möglich, dass das Kraftwerk doch noch – wie geplant – bis 2038 laufen wird.