Achtung: Ab dem 28. Juni 2025 gelten die Pflichten des Barrie­re­frei­heits­stär­kungs­gesetz (BFSG)

Das Barrie­re­frei­heits­stär­kungs­gesetz (BFSG), das bereits im Juli 2021 in Kraft trat, hat das Ziel, die Barrie­re­freiheit in Deutschland deutlich zu verbessern – insbe­sondere im digitalen und techni­schen Bereich. Es setzt die EU-Richt­linie über die Barrie­re­frei­heits­an­for­de­rungen für Produkte und Dienst­leis­tungen um.

Kerninhalt des Gesetzes ist die Verpflichtung von Wirtschafts­ak­teuren (z. B. Herstellern, Händlern und Dienst­leistern), bestimmte Produkte und Dienst­leis­tungen – etwa Geldau­to­maten, E‑Books, Webseiten, Apps oder Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­dienste – so zu gestalten, dass sie auch für Menschen mit Behin­de­rungen zugänglich und nutzbar sind.

Das Gesetz gilt ab dem 28. Juni 2025 verbindlich, enthält aber Übergangs­fristen, insbe­sondere für kleinere Unter­nehmen. Es soll dazu beitragen, gleich­be­rech­tigte Teilhabe und Selbst­be­stimmung im Alltag zu fördern. Kleine Unter­nehmen des Dienst­leis­tungs­sektors (unter 10 Mitar­bei­tende und 2 Mio. € Jahres­umsatz) sind teilweise ausgenommen.

Von beson­derer Bedeutung ist dabei für viele Unter­nehmen, insbe­sondere auch in der Energie­wirt­schaft die Pflicht zur barrie­re­freien Ausge­staltung von Websites. Damit eine Website im Sinne des Barrie­re­frei­heits­stär­kungs­ge­setzes (BFSG) als barrie­refrei gilt, muss sie bestimmte technische und gestal­te­rische Anfor­de­rungen erfüllen, die vor allem auf der inter­na­tio­nalen Norm EN 301 549 und den Web Content Acces­si­bility Guide­lines (WCAG) 2.1 basieren. Die wichtigsten Anfor­de­rungen sind:

  • Wahrnehm­barkeit: Inhalte müssen für alle Nutzer*innen erkennbar sein – z. B. durch Textal­ter­na­tiven für Bilder, ausrei­chende Kontraste und gut struk­tu­rierte Überschriften.

  • Bedien­barkeit: Die Website muss vollständig per Tastatur nutzbar sein und darf keine Inhalte enthalten, die Krampf­an­fälle auslösen könnten (z. B. blinkende Elemente).

  • Verständ­lichkeit: Die Inhalte und Navigation sollen klar, einfach und vorher­sehbar sein.

  • Robustheit: Die Website muss mit verschie­denen assis­tiven Techno­logien (z. B. Screen­readern) kompa­tibel sein.

Zusätzlich muss die Website eine Erklärung zur Barrie­re­freiheit enthalten sowie eine Möglichkeit zur Feedback-Abgabe, falls Nutzer auf Barrieren stoßen.

Unter­nehmen, die gegen die Anfor­de­rungen des Barrie­re­frei­heits­stär­kungs­ge­setzes (BFSG) verstoßen, müssen mit verschie­denen recht­lichen Konse­quenzen rechnen:

  1. Durch­setzung durch Markt­über­wa­chung: Behörden der Markt­über­wa­chung (z. B. Bundes­netz­agentur oder Landes­be­hörden) kontrol­lieren die Einhaltung der Vorgaben. Bei Verstößen können sie Maßnahmen wie Rückrufe, Verkaufs­verbote oder Nachbes­se­rungen anordnen.

  2. Bußgelder: Das Gesetz sieht empfind­liche Bußgelder vor – bei schwer­wie­genden oder wieder­holten Verstößen gegen die Barrie­re­frei­heits­an­for­de­rungen können diese bis zu 100.000 Euro betragen (§ 29 BFSG).

  3. Abmah­nungen. Wettbe­werber und auch Verbände und Inter­es­sen­ver­tre­tungen von Menschen mit Behin­de­rungen können rechtlich gegen barrie­re­freie Mängel vorgehen. Es besteht die Gefahr von Abmah­nungen oder gericht­lichen Klagen.

Diese Sanktionen gelten insbe­sondere ab dem 28. Juni 2025, wenn das Gesetz verbindlich in Kraft tritt.

(Christian Dümke)

2025-05-09T19:32:05+02:002. Mai 2025|Allgemein, Gesetzgebung|

Zurück zu Tempo 50 = zurück zur StVO?

Der CDU-Frakti­onschef des Berliner Abgeord­ne­ten­hauses Stettner hat laut rbb24 angekündigt, in 23 Haupt­straßen in Berlin Tempo 30 aufzu­heben, an Stellen, wo die Vorgän­ger­re­gierung dies einge­führt hatte. Man wolle damit „grüne Verbots­fan­tasien rückgängig“ machen und – so wörtlich – „zur StVO zurück­kehren“. Diese Aussage ist aus verschie­denen Gründen überraschend:

Zum einen sind uns in unserer Erfahrung mit dem Verkehrs­recht wenig Fälle begegnet, wo die Verwaltung frei von allen Zwängen der StVO Verkehrs­re­ge­lungen anordnet. Im Gegenteil. Oft werden in Deutschland Regelungen, die relativ unkon­trovers, weil sinnvoll und politisch mehrheitlich gewollt sind, nicht umgesetzt, weil die Straßen­ver­kehrs­be­hörden oder Tiefbau­ämter sich dagegen sperren – unter Verweis auf die StVO. In Berlin ist das nicht viel anders, ob unter einer von SPD und Grünen oder von CDU und SPD geführten Regierung. Tatsächlich wurden einige Tempo 30-Strecken aus Gründen der Luftrein­haltung einge­führt. Aufgrund der Verbes­serung der Luftqua­lität könnte nun geprüft werden, ob dies noch nötig ist. Mit willkür­lichen „Verbots­fan­tasien“ hat das aber wenig zu tun.

Zum anderen wurde die StVO gerade refor­miert, um für Kommunen Tempo 30 zu ermög­lichen. Wir haben vorletzte Woche darüber berichtet. Es gibt nun viele neue Möglich­keiten, die in den Städten zusam­men­ge­nommen manchmal sogar dazu führen, dass sich ein Großteil des Haupt­stra­ßen­netzes mit Tempo 30-Strecken überspannen lässt. Aller­dings war ja bei der Reform von Möglich­keiten die Rede. Können die Kommunen also entscheiden, ob sie vor Schulen, Alten­heimen, Kinder­gärten, neuer­dings auch Spiel­plätzen, an hochfre­quen­tierten Schul­wegen oder Zebra­streifen Tempo 30 anordnen? Oder sind sie in manchen Fällen sogar dazu verpflichtet?

Ein Blick in die StVO könnte den Eindruck erwecken, dass der Verwaltung in diesen Fällen freie Hand einge­räumt wird. Denn die Möglichkeit, hier auch auf Haupt­straßen Tempo 30 anzuordnen, beruht auf einer Ausnahme, nämlich § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO, die die Begrün­dungs­an­for­de­rungen reduziert: Statt einer quali­fi­zierten reicht eine einfache Gefahr zur Begründung der Geschwin­dig­keits­be­grenzung. Aller­dings steht hinter dieser Diffe­ren­zierung auch eine verfas­sungs­recht­liche Bewertung. Die Grund­rechte auf Leben und Gesundheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG, die auf dem Spiel stehen, wenn vor sensiblen Einrich­tungen zu schnell gefahren wird, haben beson­deren Schutz verdient. Das Leben wird von der Verfassung höher bewertet als die persön­liche Freiheit, schnell mit dem Auto zu fahren.

Das spiegelt sich auch in der Verwal­tungs­vor­schrift zur StVO wider. Dort heißt es nämlich, dass vor den genannten Einrich­tungen die Geschwin­digkeit „in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken“ ist. Ausnahmen sind nur dann möglich, wenn negative Auswir­kungen auf den ÖPNV, insbe­sondere Taktverkehr, oder Verla­ge­rungen auf Wohnne­ben­straßen drohen.

Bei den neuen Gründen für Tempo­re­du­zie­rungen muss unter­schieden werden:

Bei den hochfre­quen­tierten Schul­wegen ist es genauso wie mit den sensiblen Einrich­tungen. Hier ist im Regelfall eine Geschwin­dig­keits­be­grenzung erfor­derlich und nur bei den bereits genannten Gründen (ÖPNV und Ausweich­ver­kehre) ist eine Ausnahme möglich.

Anders ist es dagegen bei den Fußgän­ger­über­wegen. Hier „kann“ die Verwaltung in ihrem unmit­tel­baren Bereich eine Geschwin­dig­keits­re­du­zierung anordnen. Ein Ermessen hat die Verwaltung auch bei Lücken­schlüssen, die inzwi­schen von 300 auf 500 m ausge­dehnt werden können. Laut Verwal­tungs­vor­schrift kommen sie „in Betracht“, sind aber nicht zwingend.

Zusam­men­fassend lässt sich sagen, dass es viele Gründe gibt, wegen denen Tempo 30 zwingend angeordnet werden muss, es sei denn es bestehen begründete Ausnahmen. Andere Gründe kann die Verwaltung in Anspruch nehmen, muss es aber nicht. Was schlicht nicht geht ist unter dem Schlachtruf „zurück zur StVO“ pauschal alle Tempo 30-Beschrän­kungen auch vor sensiblen Einrich­tungen wie Schulen, Alten­heimen und neuer­dings auf hochfre­quen­tierten Schul­wegen zurück­zu­nehmen. Letztlich ist die StVO Bundes­recht, das Länder wie Berlin ausführen müssen und dabei nur begrenzte Spiel­räume haben. (Olaf Dilling)

 

 

2025-04-30T01:42:06+02:0029. April 2025|Allgemein, Umwelt, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Zähler­streit mit Vattenfall: Die Fortsetzung

Wir hatten im Dezember des letzten Jahres bereits schon einmal über unser erfolg­reiches Klage­ver­fahren gegen die Vattenfall Europe Sales GmbH berichtet, die unserem Mandanten fortgesetz Energie­ver­brauchs­ab­rech­nungen und Mahnungen und zuletzt Sperr­an­dro­hungen schickt, obwohl dieser nachweislich gar keine Energie abnimmt. Negative Feststel­lungs­klagen sind zivil­rechtlich ja eher ein Ausnah­mefall, in dieser Situation aber das Mittel der Wahl.

Nun könnte die Angele­genheit hier zu Ende sein – aber nein! Trotz Anerkennt­nis­urteil dass unser Mandant die Forde­rungen der Vergan­genheit nicht schuldet und auch gar kein Vertrags­ver­hältnis besteht, sind nun neue Rechnungen bei ihm einge­gangen. Manchmal fragen wir uns, ob am anderen Ende überhaupt noch irgendwo Menschen sitzen oder nur noch Compu­ter­pro­gramme vor sich in arbeiten.

 

 

Also wird es weiter gehen und wir werden Vattenfall wohl gerichtlich auf Unter­lassung in Anspruch nehmen müssen um das aus unserer sicht rechts­widrige und für den Mandanten zermür­bende Verhalten dieses Versorgers zu unterbinden.

(Christian Dümke)

2025-04-25T16:55:41+02:0025. April 2025|Allgemein|