Geplante Ausweitung der Zustän­digkeit der Amtsge­richte in Zivilverfahren

Für die  Zustän­dig­keits­ver­teilung zwischen den Amts- und Landge­richten bei Klage­ver­fahren gilt bislang der Grundsatz: Die Amtsge­richte sind gemäß § 23 Nr. 1 GVG in Zivil­sachen für Strei­tig­keiten mit einem Streitwert bis einschließlich 5.000 Euro zuständig; übersteigt der Streitwert diesen Betrag, ist die Zustän­digkeit der Landge­richte gegeben. Dieser seit über drei Jahrzehnten unver­än­derte Zustän­dig­keits­streitwert der Amtsge­richte soll nunmehr nach Plänen des Gesetz­gebers auf 10.000 Euro angehoben werden. Ziel dieser Anpassung ist laut dem feder­füh­renden Minis­terium für Justiz eine nachhaltige Stärkung der Amtsge­richte im Bereich der Zivil­ge­richts­barkeit sowie eine struk­tu­relle Förderung des Justiz­standorts Deutschland, insbe­sondere im ländlichen Raum.

Darüber hinaus ist vorge­sehen, bestimmte Sachge­biete unabhängig vom Streitwert den Amts- bzw. Landge­richten zuzuweisen, um eine stärkere Spezia­li­sierung der Gerichte zu ermög­lichen und die Effizienz der Verfah­rens­führung zu verbessern. So sollen beispiels­weise nachbar­recht­liche Strei­tig­keiten künftig streit­wert­un­ab­hängig den Amtsge­richten zugewiesen werden, während Strei­tig­keiten aus Heilbe­hand­lungen, dem Verga­be­recht sowie aus Veröf­fent­li­chungs­pflichten streit­wert­un­ab­hängig in die Zustän­digkeit der Landge­richte fallen sollen.

Für den Bereich der Energie­ver­sorgung gilt bereits nach § 102 EnWG eine ausschließ­liche Zustän­digkeit der Landge­richte, unabhängig vom Streitwert, aber diese Sonder­zu­weisung hat in der Praxis so ihre Tücken. Sie soll nämlich nur gegeben sein, für Strei­tig­keiten über die auf Grundlage des Energie­wirt­schafts­ge­setzes zu entscheiden ist. Strei­tig­keiten nach dem ebenfalls energie­recht­lichen EEG fallen aber zum Beispiel nicht darunter.

Ob die geplante Änderung eine Verbes­serung darstellt bleibt abzuwarten. Klage­ver­fahren die am Amtsge­richt beginnen gelangen nicht mehr vor die Oberlan­des­ge­richte sondern können nach der Berufung zum Landge­richt dann in der – nicht einfach zu errei­chenden Revision – nur vom BGH entschieden werden.

(Christian Dümke)

2025-06-27T17:30:26+02:0027. Juni 2025|Gesetzgebung|

Berliner Verfas­sungs­ge­richt: Autofreie Innen­stadt zulässig

Dass Fußgän­ger­zonen rechtlich zulässig sind, ist klar. Aber eine ganze Innen­stadt in eine Art „Fußgän­gerzone“ mit einer nur begrenzten Anzahl an Fahrten für die Bewohner zu verwandeln wäre auch rechtlich ein Novum. Dies fordert in Berlin aber der „Volks­ent­scheid Berlin autofrei“. Er möchte ein Volks­be­gehren über ein „Berliner Gesetz für gemein­wohl­ori­en­tierte Straßen­nutzung“ (GemStrG Bln) einleiten. Die Senats­ver­waltung hat sich auf den Stand­punkt gestellt, dass das Projekt verfas­sungs­widrig sei und den Gesetz­entwurf dem Berliner Verfas­sungs­ge­richt zur Überprüfung vorgelegt.

Im Bereich der Berliner Umweltzone soll die Widmung der Straßen geändert werden. Der Verkehr mit Kfz einschließlich des Parkens wäre dann nach einer Übergangszeit von vier Jahren nur noch einge­schränkt zulässig. Pro Person und Jahr sollen nur noch 12 Privat­fahrten möglich sein. Ausnahmen gibt es unter anderem zu öffent­lichen Zwecken, zu unter­neh­me­ri­schen Tätig­keiten und bei beson­deren Bedürfnissen.

Das Verfas­sungs­ge­richt hat mit einer Mehrheit von acht Stimmen und einem Sonder­votum entschieden, dass der Gesetz­entwurf verfas­sungs­konform ist und nicht gegen Bundes­recht verstößt. Die gesetz­lichen Voraus­set­zungen für die Zulassung zum Volks­be­gehren sind somit gegeben.

Ganz unabhängig vom Ausgang des Volks­ent­scheids ist es gut zu wissen, dass eine Einschränkung des Autover­kehrs in einer Innen­stadt in diesen Ausmaßen möglich ist. Von der Senats­ver­waltung war insbe­sondere beanstandet worden, dass die Widmung aufgrund der zahlreichen Ausnahmen regelnden Charakter habe. Dieser Argumen­tation ist das Gericht  nicht gefolgt. Der Gemein­ge­brauch könne im Übrigen von den Ländern unter­schiedlich definiert werden.

Insgesamt zeigt die Entscheidung große Spiel­räume für die Gestaltung des öffent­lichen Raums durch die Länder auf. (Olaf Dilling)

2025-06-27T09:21:11+02:0027. Juni 2025|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Neues zur Abfall­rah­men­richt­linie – Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren gegen Deutschland

Der Gesetz­geber hat zwar immer die Absicht, Europa­recht (sprich: EU-Richt­linien) richtig (und auch recht­zeitig) umzusetzen. Das gelingt mitunter nicht. Es mag einer­seits daran liegen, dass man meint, es ohnehin besser zu können, als der EU-Gesetz­geber (Rat und Parlament), manchmal ist es auch schwierig, die Regelungen ins nationale Recht einzu­passen. Es ist auch schon vorge­kommen, dass man das EU-Recht nicht richtig verstanden hat.

Die Abfall­rah­men­richt­linie (AbfRRL) ist nun nicht ganz neu. Neu ist jedoch, dass die Europäische Kommission aktuell beschlossen hat, mit der Übermittlung eines Auffor­de­rungs­schreibens ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren gegen Deutschland (INFR(2025)2047) einzu­leiten, weil das wir die Abfall­rah­men­richt­linie (Richt­linie 2008/98/EG in der durch die Richt­linie (EU) 2018/851) geänderten Fassung) nicht ordnungs­gemäß umgesetzt hat.

Im Kern des Vorwurfs geht es um die rechts­ver­bind­lichen Zielvor­gaben für die Vorbe­reitung zur Wieder­ver­wendung und das Recycling bestimmter Abfall­ströme, einschließlich Siedlungs­ab­fälle. Außerdem werden die Mitglied­staaten verpflichtet, ihre Abfall­be­wirt­schaf­tungs­systeme und die Ressour­cen­ef­fi­zienz zu verbessern. Die Mitglied­staaten hatten bis zum 5. Juli 2020 Zeit, die geänderte Richt­linie in natio­nales Recht umzusetzen. Aus Sicht der Kommission hat Deutschland die Anfor­de­rungen für Systeme der erwei­terten Herstel­ler­ver­ant­wortung (in Bezug auf geogra­fische Abdeckung und angemessene Selbst­kon­troll- und Überwa­chungs­me­cha­nismen), die Pflicht zur getrennten Sammlung von Abfällen und zur Trennung unrecht­mäßig vermischter Abfälle sowie die Vorschriften für den selek­tiven Abbruch und die Vorschriften für die Verwendung von aus Bioab­fällen herge­stellten Materialien nicht korrekt umgesetzt. Deutschland hat es zudem versäumt, die Eigen­kom­pos­tierung zu fördern. Es geht also nicht um Kleinigkeiten.

Zu diesen Vorwürfen wird sich Deutschland nun verhalten müssen. Hierfür bestehen zwei Monate Zeit. Schauen wir mal, wie sich Deutschland vertei­digen möchte. Die Praxis zeigt jedoch, dass es ohnehin an der Kreis­lauf­wirt­schaft in Deutschland hapert. „Rund“ läuft vieles gerade nicht. Im Kern ist die Behör­den­praxis klar auf Abfälle ausge­richtet. Davon weg kommt man kaum und das Ende der Abfall­ei­gen­schaft bleibt fern. (Dirk Buchsteiner)

 

2025-06-26T20:39:54+02:0026. Juni 2025|Abfallrecht|