BVerfG zur Haftung des Halters fürs Falschparken

Das BVerfG hat sich unlängst in einer Entscheidung über eine Verfas­sungs­be­schwerde mit der Frage beschäftigt, ob ein Bußgeld zu zahlen ist, wenn unklar ist, ob der Halter des Kfz selbst falsch geparkt hat oder ein anderer Fahrer. Das Ergebnis ist für Juristen eigentlich nicht sehr überra­schend: Wenn die Behörde, also in der Regel das Ordnungsamt, oder das Instanz­ge­richt keine Anhalts­punkte für die Täter­schaft des Fahrzeug­halters nachge­wiesen hat, schuldet der Halter das Bußgeld nicht. Das folgt schlicht aus der Tatsache, dass im Ordnungs­wid­rig­kei­ten­recht ebenso wie im Straf­recht das Schuld­prinzip gilt. Demnach muss die indivi­duelle Schuld des Täters positiv nachge­wiesen werden. Eine Art verschul­dens­un­ab­hän­giger Haftung „mitge­gangen, mitge­hangen“ des Halters wie bei privat­recht­lichen Ansprüchen bei Unfall­schäden gibt es nicht.

Diese Entscheidung hat dennoch in der Öffent­lichkeit für Aufsehen gesorgt. Denn in der Praxis ist der Nachweis, wer das Kfz gefahren hat und für den Verstoß gegen die Vorschriften über das Parken indivi­duell verant­wortlich ist, selten wirklich klar. Denn es ist ja typisch für den ruhenden Verkehr, dass das Fahrzeug ohne Fahrer im öffent­lichen Raum steht. Wenn der Falsch­parker nicht zufällig „in flagrante delicto“, also auf frischer Tat, von einem Mitar­beiter des Außen­dienstes ertappt wird, gibt es fast immer Unsicher­heiten. Dies können Betroffene von Bußgeld­be­scheiden durch einen Einspruch vor Gericht nutzen.

Aller­dings gibt es, gerade weil es eine so offen­sicht­liche Schwach­stelle der Verfolgung von Falsch­parkern ist, auch Vorkeh­rungen des Verord­nungs­gebers bzw. der Behörden:

  • Typischer­weise wird die Ordnungs­be­hörde auf einen Parkverstoß zunächst mit einer Verwarnung mit Verwar­nungsgeld bis 55 Euro reagieren. Nur wenn die Verwarnung nicht akzep­tiert wird, kommt es zu einem Bußgeld­be­scheid, gegen den dann Einspruch vor dem Amtge­richt möglich ist.
  • Bei schweren oder wieder­holten Verstößen gegen Vorschriften kann es zu einer Fahrten­buch­auflage durch die Behörde kommen.
  • Bei Unklarheit über den Verur­sacher des Verstoßes kann es gemäß § 25a StVG auch zu einem Kosten­be­scheid des Halters in Höhe der Verwal­tungs­kosten kommen.

Vor allem die Fahrten­buch­auflage kann Zeit und Nerven kosten. Insofern lohnt es sich nicht wirklich darauf zu vertrauen, dass Bußgelder mangels Nachweis der indivi­du­ellen Schuld dauerhaft nicht gezahlt werden müssen. (Olaf Dilling)

2024-06-27T19:04:29+02:0027. Juni 2024|Allgemein, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Wenn die Gemeinde nicht mitspielt

Auf die Gemeinden kommen in den nächsten Jahren unerwartete Aufgaben zu. Das Wärme­pla­nungs­gesetz (WPG) verpflichtet sie zur Wärme­planung. Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern haben bis zum 30.06.2028 Zeit, Großstädte müssen bis zum 30.06.2026 liefern. In diesem Zuge werden sich viele Gebiets­kör­per­schaften erstmals mit der Frage konfron­tieren, wie eine fossil­freie Zukunft bei ihnen vor Ort aussehen wird. Rein praktisch: Was für Wärme­ver­sor­gungs­ge­biete soll es geben? Sondieren Gemeinde, ob Wasser­stoff verfügbar ist? Setzen Kommunen auf den Ausbau der Fernwärme? Wie auch immer die Zukunft nach Öl und Gas aussehen soll, die Gemeinde – sprich: Kommu­nal­po­li­tiker – müssen aktiv werden und beschließen.

Doch was passiert, wenn eine Gemeinde ihren Verpflich­tungen nicht nachkommt? Das WPG sieht keinen Übergang der Planungs­pflicht auf einen anderen Träger vor. Auch Sanktionen sind nicht vorge­sehen. Praktisch bedeutet das: Wenn die Kommune nicht plant, bzw. eine vorbe­reitete Planung nicht beschließt, dann gibt es keinen Wärmeplan.

Immerhin: Auch die unfähige und unwillige Kommune kann auf diese Weise die lokale Wärme­wende nicht obstru­ieren. Es ergibt sich aus § 71 Abs. 8 S. 4 Gebäu­de­en­er­gie­gesetz (GEG), dass in diesem Fall die Verpflich­tungen nach § 71 Abs. 1 GEG direkt greifen: Neue Heizungen müssen mindestens 65% erneu­erbare Energien nutzen, dann eben ohne die Möglich­keiten gemein­schaft­licher Infrastrukturen. 

Doch die lokale Energie­wende verlangt mehr als nur den Wärmeplan. In den nächsten Jahren laufen immer wieder Gaskon­zes­sionen aus, und noch gibt es keinen angepassten regula­to­ri­schen Rahmen, der das Ende der Gasnetze vor Ort moderiert. Auch in der Bauleit­planung und bei Veräu­ßerung und Verpachtung eigener Flächen können Kommunen die Infra­struk­tur­kosten für den Netzausbau erheblich beein­flussen, da die Beanspru­chung der Strom­ver­teil­netze erheblich von der konkreten baulichen Nutzung abhängt. Kommunen, die sich früh und konse­quent mit der Neuge­staltung ihrer Infra­struktur beschäf­tigen, können erheb­liche Vorteile erzielen. Wer nicht kann oder nicht will, läuft Gefahr, am Ende hohe Infra­struk­tur­kosten zu produ­zieren und der Gemeinde auch als Wirtschafts­standort zu schaden (Miriam Vollmer).

2024-06-21T20:15:05+02:0021. Juni 2024|Energiepolitik, Wärme|

Verkehrs­recht für Alle?

Es ist also tatsächlich geschehen. Bundestag und Bundesrat haben sich auf ein neues Straßen­ver­kehrs­gesetz geeinigt. Und nicht nur weil gerade Fußball-EM ist, gilt der alte Spruch „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“. Denn dass der Gesetz­geber gesprochen hat, heißt ja nicht, dass alle Fragen geklärt sind.

Das betrifft zum einen die Tatsache, dass die Ermäch­ti­gungs­normen, die der Gesetz­geber erlassen hat, nun vom Verord­nungs­geber im  StVO-Entwurf konkre­ti­siert werden müssen. Ein solcher Entwurf liegt zwar bereits vor, muss jedoch noch an die Änderungen der StVG-Reform angepasst werden.

Zum Anderen stellt sich die Frage nach der Auslegung der neuen Bestim­mungen. Mit der Reform werden neue Schutz­güter einge­führt: Umwelt­schutz und städte­bau­liche Entwicklung etwa. Schon im Gesetz­ge­bungs­prozess hat sich gezeigt, dass sie im Spannungs­ver­hältnis zu den alther­ge­brachten Zielen von StVG und StVO stehen könnten: der Sicherheit und Ordnung im Verkehr.

Der Kompromiss, den der Vermitt­lungs­aus­schluss schließlich gefunden hat, lautet, dass die neuen Anord­nungs­zwecke „die Leich­tigkeit des Verkehrs berück­sich­tigen (müssen) und (…) die Sicherheit des Verkehrs nicht beein­träch­tigen“ dürfen. Hieraus ergibt sich ein Prüfungs- und Abwägungs­bedarf, dessen genaue Abarbeitung noch juris­ti­sches Neuland sind.

Sicher ist jeden­falls, dass in Zukunft viele straßen­ver­kehrs­recht­liche Entschei­dungen nicht bloß die Rechte von Kfz-Fahrern oder Haltern abwägen, sondern auch weitere Ziele in den Blick nehmen müssen. Das fügt sich zu neueren Entschei­dungen der Recht­spre­chung, die bereits stärker als in den Jahren zuvor die Rechte von nicht motori­sierten Verkehrs­teil­nehmern in den Blick nimmt. So etwa Fußgänger, die auf barrie­re­freie, funktionale Gehwege ohne parkende Autos bestehen, Fahrrad­fahrer, die sich an der Benut­zungs­pflicht dysfunk­tio­naler Radwege stören oder Schul­kinder, die auf dem Schulweg gefähr­liche Querungen bewäl­tigen müssen.

Für letztere schafft auch die Straßen­ver­kehrs­rechts­reform eine neue Möglichkeit: Für stark frequen­tierte Schulwege sollen Kommunen nun leichter strecken­be­zogen Tempo 30 anordnen können. (Olaf Dilling)

2024-06-21T17:21:24+02:0021. Juni 2024|Allgemein, Verkehr|