Abfall­recht: Straffrei containern, aber wie?

Für Nicht-Juristen oder Jurastu­die­rende im ersten Semster war es seit jeher schwer zu begreifen: Dass es verboten soll, sich wegge­worfene Sachen anzueignen, wenn man eine sinnvolle Verwendung dafür hat. Denn das war am Sperr­mülltag noch vor wenigen Jahrzehnten eine allgemein geübte Praxis.

Paprika und Gemüse mit leichten Schönheitsfehlern

Geschulte Juristen sehen das häufig anders. Aus ihrer Sicht kann es ja eine bewusste Entscheidung sein, eigene Dinge auch für alle Anderen aus dem Verkehr zu ziehen, seien es alte Liebes­briefe oder, wie in einem klassi­schen Rechtsfall, Kunst­werke, die den Ansprüchen des Schöpfer nicht genügen. Umgekehrt können auch die Entsor­gungs­träger ein ökono­mi­sches Interesse haben, dass aus den Abfällen nicht nur die verwert­baren „Kirschen“ heraus­ge­pickt werden, so dass der Entsorger auf dem kaum oder gar nicht verwertbare Rest zum Besei­tigen sitzen bleibt.

Trotzdem gibt es auch Fälle, bei denen selbst hartge­sottene Juristen oder Verfechter eines formalen Eigen­tums­rechts ein Störgefühl haben: Nämlich dann, wenn der Wert einer Sache für die Entsorger sehr gering, für poten­tielle andere Nutzer jedoch hoch ist. Typischer­weise ist das bei unver­käuf­lichem, aber noch genieß­barem Essen der Fall, die entweder kompos­tiert und energe­tisch verwertet werden können oder eben Hungernden zur Verfügung gestellt.

Offenbar partei­über­greifend besteht hier ein Konsens, dass niemand dafür bestraft werden sollte, der aus Abfällen von Super­märkten solche Lebens­mittel „rettet“. Umstritten ist aktuell aller­dings der Weg dorthin: Grob zusam­men­ge­fasst werden eine zivil­recht­liche, eine straf­recht­liche und eine straf­pro­zes­suale Lösung diskutiert:

#zivil­rechtlich könnten – nach einem Vorschlag der Bundes­tags­fraktion der Linken zum Abfall gegebene Lebens­mittel in einem neu zu fassenden § 959 BGB als herrenlose Sachen einge­stuft werden,

#straf­rechtlich ließe sich auch eine Ergänzung in § 248a StGB vornehmen, nach der bei zum Abfall gegebenen Lebens­mitteln von einer Straf­ver­folgung abzusehen ist,

#schließlich ließe sich auch im Straf­prozess regel­mäßig auf die Verfolgung verzichten. Nach einem aktuellen Vorschlag der CDU könnten dafür die Richt­linien für das Straf­ver­fahren und das Bußgeld­ver­fahren (RiStBV) zur Klarstellung ergänzt werden.

Der dritte Vorschlag entspricht weitgehend der aktuellen Rechts­praxis, da ohnehin ein Großteil der entspre­chenden Verfahren einge­stellt werden. Für die CDU und die FDP scheint er die attrak­tivste Variante zu sein, weil dadurch am wenigsten in das Eigen­tums­recht einge­griffen wird. Ob er für Nicht­ju­risten für die erwünschte Rechts­klarheit sorgt, zumal es sich um eine primär verwal­tungs­intern wirksame Vorschrift handelt, ist eine andere Frage. (Olaf Dilling)