Lange Zeit galt im Recht der Dauerschuldverhältnisse über die Lieferung von Strom und Gas eine einfache Regel: Ändert der Energieversorger einseitig den Lieferpreis, darf er das nur unter bestimmten engen Voraussetzungen und wenn er den Kunden hierüber rechtzeitig in ausreichender Form informiert. Der Kunde hat dann seinerseits das Recht, sich durch Sonderkündigung vom Vertrag zu lösen. Normiert ist das Ganze in § 41 Abs. 5 EnWG.
Im Jahr 2017 entschied der BGH, dass das Sonderkündigungsrecht auch uneingeschränkt bei Preisänderungen gilt, die allein auf einer Weitergabe von gestiegenen Steuern und Abgaben beruhen (BGH, 5.07.2017, VIII ZR 163/16) und verlieh dem Sonderkündigungsrecht damit umfassende Geltung. Dieses Prinzip wurde in der Folgezeit allerdings etwas aufgeweicht.
Erste Ausnahme 2020: Umsatzsteueränderungen ohne Sonderkündigungsrecht
Die bekannte Systematik änderte sich erstmals, als der Gesetzgeber im Jahr 2020 temporär entschied, die Umsatzsteuer für 6 Monate abzusenken. Die führte sehr kurzfristig zu einer Senkung der steuerlichen Belastung auf Energielieferungen und damit zu einer Veränderung des Bruttolieferpreises. Der Gesetzgeber schuf hierfür extra eine gesetzliche Ausnahmeregelung in § 41 Abs. 6 EnWG. Bei unveränderter Weitergabe von umsatzsteuerlichen Mehr- oder Minderbelastungen, die sich aus einer gesetzlichen Änderung der geltenden Umsatzsteuersätze ergeben bedurfte es hiernach fortan keiner Unterrichtung des Kunden mehr und dem Kunden sollte in diesen Fällen auch kein Sonderkündigungsrecht mehr zustehen.
Zweite Ausnahme 2022: Senkung bestimmter Kostenbestandteile
Nun kam es aktuell zu einer weiteren gesetzlichen Änderung bei der Preisanpassungssystematik: Mit dem „Gesetz zur Absenkung der Kostenbelastungen durch die EEG-Umlage und zur Weitergabe dieser Absenkung an die Letztverbraucher“ wollte der Gesetzgeber zunächst sicherstellen, dass die kurzfristig entfallene EEG-Umlage auch als Preissenkung beim Verbraucher ankam. Im Rahmen dieses Gesetzes kam es dann zu einer Erweiterung der bisher nur für die Umsatzsteuer geltenden Ausnahmeregelung des § 41 Abs. 6 EnWG.
Künftig bedarf es auch bei „unveränderter Weitergabe von Minderbelastungen aufgrund einer Absenkung des Saldos der Kalkulationsbestandteile nach § 40 Absatz 3 Nummer 3 EnWG“ weder einer Preisänderungsmitteilung an den Kunden noch steht dem Kunden in diesen Fällen ein Sonderkündigungsrecht zu. Das bedeutet kurz gesagt: kommt es in Zukunft zu einer Senkung der der EEG- Umlage, der KWK-Umlage, der Umlage nach § 19 StromNEV oder der Umlage für abschaltbare Lasten gem. § 18 AbLaV und führt diese Senkung zu einer Senkung des Endkundenpreises, muss der Energieversorger den Kunden über diese bevorstehende Preissenkung weder informieren, noch steht dem Kunden dann das Sonderkündigungsrecht zu.
Für die Versorger ist das vorteilhaft, denn sie können so schneller auf die Veränderung dieser externen Kosten reagieren und vermeiden Aufwand und Kosten der Kundeninformation über die anstehende Senkung. Für den Kunden wiederum dürfte der Wegfall des Sonderkündigungsrechtes keine unangemessene Benachteiligung darstellen, weil er durch die Senkung ja einen Preisvorteil erhält, der keine außerordentliche Vertragsbeendigung rechtfertigt.
Fazit
Kann man damit jetzt pauschal sagen, dass ein Versorger künftig nur noch bei Preiserhöhungen den Kunden informieren und ihm das Sonderkündigungsrecht gewähren muss, aber nicht mehr bei Preissenkungen? Leider nein, denn die gesetzliche Ausnahme gilt nur für die Änderung der genannten externen Preisbestandteile – aber nicht für den Fall, dass der Versorger seinen Netto-Lieferpreis wegen gesunkener eigener Beschaffungs- und Vertriebskosten absenken will oder muss oder andere Kostenbestandteile sinken. In diesem Fall bleibt alles beim alten.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber insoweit inkonsequent ist und die Informationspflicht und das Sonderkündigungsrecht des Kunden nicht bei sämtlichen Preissenkungen ausschließt oder die Ausnahmeregelung zumindest auf sämtliche externen Kostenbestandteile des § 40 Abs. 3 EnWG ausweitet, wenn deren Veränderung zu einer Preissenkung führt.
Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung
Energieversorger dürften diese neuen erleichterten Regelungen bisher noch nicht in ihren Lieferbedingungen umgesetzt haben. Wenn diese Lieferbedingungen daher abweichend von den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen noch ein Sonderkündigungsrecht des Kunden auch für Preissenkungen wegen gesetzlicher Kostenbesatandteile vorsehen, dürften diese Vertragsbedingungen – da kundenfreundlicher als das Gesetz – der Neuregelung im EnWG vorgehen. Insoweit könnte eine Anpassung sinnvoll sein.
Aus meiner Sicht ist das nicht ganz korrekt – die Ausnahmeregelung in § 41 Abs. 6 EnWG gilt ausdrücklich nur für die Kostenbestandteile nach § 40 Absatz 3 Nummer 3 EnWG, d.h. nicht für z.B. Konzessionsabgabe (da § 41 Abs. 3 Nr. 2 EnWG), Netzentgelte und Entgelte für Messstellenbetrieb (da § 40 Abs. 3 Nr. 4 EnWG) oder auch nicht für die BEHG-Emissionszertifikate (da § 40 Abs. 3. Nr. 5 EnWG). Es sind ausdrücklich nur die (Strom)preisbestandteile der Nummer 3 als Bezug genannt.
Somit ist der Anwendungsbereich doch überschaubar und bei Gas nicht relevant.
Sehen Sie das genauso?
Danke für diesen Hinweis Herr Gotthardt. Wir haben unseren Blogbeitrag insoweit korrigiert.
Hallo,
vor 3 Wochen habe ich über Vergleichsportal ein Vertrag abgeschlossen mit einem Strompreis von 43cent. Vor einer Woche habe ich erneut verglichen und mein Versorger bietet den Strom nun günstiger für 40cent an. In den AGBs steht, dass der Versorger bei Kostensteigerungen berechtigt, bei Kostensenkungen verpflichtet ist, eine Preisänderung durchzuführen.
Der Versorger antwortet: Ein Sonderkündigungsrecht aufgrund einer “Preissenkung”, gibt es nicht. Dies ist gesetzlich so festgelegt.
Ist das wirklich so?
Hallo,
ich bin zwar kein RA aber ich sehe das komplett anders, weil das Sonderkündigungsrecht bei einer PREISÄNDERUNG gültig ist. Also gilt es bei der Senkung ebenfalls dieses Recht, ich habe meinen Vertrag darauf hin gekündigt, die Antwort des Versorgers steht aktuell noch aus.
Wenn sich ein Arbeitspreis pro Kilowattstunden nun aufgrund der Strompreisbremse ändert, ändert sich somit doch ein externen Prisbestandteil oder? Laut Energieversorger wird man darüber informiert, heißt das nicht auch, dass einem dann nach §41 Absatz 5 Satz 4 und 5 aufgrund einer Preisänderung dann das nach Satz 4 zustehende Recht der Sonderkündigung zusteht?
Hierfür hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 StromPBG die ausdrückliche Regelung getroffen, dass die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags keine Preisänderung im Sinn des § 41 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes darstellt und daher nicht zur Kündigung des Vertrages berechtigt.
Ich habe ein Einfamilienhaus, das zur Rentenabsicherung dient.. Ich habe ein sehr niedriges einkommen. Jetzt habe ich seit Oktober 22 (da lief mein Gasvertrag aus) anstatt 100€ für Gas 400€ bezahlt. Nun kommt die Gaspreisbremse. Was eigentlich positiv sein sollte ist doch beim genauen Hinsehen ziemlich nachteilig für mich.
Ich zahle seit Januar jetzt 260€ anstatt der 400€. Das heißt mich unterstützt der Staat (theoretisch), denn die letztendliche Abrechnung folgt noch, mit 140€. Nun liegt aber der Marktpreis (Verivox) inzwischen für meinen Verbrauch bei maximal 170€. Das heißt ich zahle immer noch monatlich 80€ mehr als der reguläre Marktpreis wäre, da ich kein Sonderkündigungsrecht besitze. Hier ist doch etwas ganz schief gelaufen mit dem Sonderkündigungsrechten. Gibt es keine Moralische Verpflichtung der Politik, rechtliche Rahmenbedingungen zu gestalten, dass es möglich ist, den günstigeren Preis zu erhalten und so für schätzungsweise 10 Millionen Gaskunden den Marktpreis zugänglich zu machen? Bin gespanntt auf Ihre Antwort.
Guten Tag ,
Frage:
ist es generell wirklich so, dass ein Kunde ‚wenn sein Versorger in dem mit Kunden bestehenden Vertrag die Preise senkt, (z.B Rabatt auf Arbeitspreis als Marketingmaßnahme – oder Weitergabe von Einkaufsvorteilen), ohne dass sich daraus für den Kunden irgendeine Verpflichtung ergibt, dass dieser Kunde dann ein Sonderkündigungsrecht hat?
Wenn ja – würde dies Versorger davon abhalten Preise in bestehenden Verträgen die Preise (aus welchen Gründen auch immer) zu senken.
Mein Stromanbieter hat mir ein Vorteilsangebot mit einer Strompreissenkung geschickt.
Wenn ich den Vertrag bis zum 15.10.23 zurück schicke erhalte ich zum 01.01.24
ein neuer Vertrag mit neuer Laufzeit von
zwei Jahren. Kann ich dann mein alten Vertrag dann mit einer Sonderkündigung
kündigen? Weil es viel günstigere Stromanbieter geben. das wäre von Vorteil.