Bekanntlich wird neben quasi jedem – wir übertreiben unwesentlich – energierechtlichen Regelwerk auch die StromGVV gerade umgegraben. Am Freitag steht die Neuregelung als TOP 95 auf der wahrhaft imposanten Tagesordnung des Bundesrates.
UPDATE: Hier ist die Beschlussdrucksache des Bundesrats!
Teil dieses Pakets ist die Neufassung des § 19 Abs. 2 StromGVV (und der GasGVV-Parallelregelung). Hier ist geregelt, wann ein Grundversorger die Versorgung wegen Zahlungsrückständen sperren darf. Bisher ist hier geregelt, dass nach vier Wochen Verzug von mehr als 100 EUR gesperrt werden darf, es sei denn, die Sperrung wäre unverhältnismäßig oder der Kunde vermittelt, dass er demnächst zahlt.
Im Entwurf, den die Bundesregierung dem Bundesrat am 10. Mai 2021 zugeleitet hat (Br.-Drs. 397/21), heißt es nun, dass eine Sperre insbesondere bei konkreter Gefahr für Leib oder Leben nicht in Frage kommt. Der Versorger soll den Kunden informieren, dass es diesen Fall gibt und wie er ihn geltend machen kann. Und während aktuell eine Untergrenze von 100 EUR Stromschulden für Sperrungen gilt, soll nach Ansicht der Bundesregierung künftig das Doppelte eines Monatsabschlags bzw. 1/6 der voraussichtlichen Jahresrechnung zur Sperrung berechtigen. Der Versorger soll den Kunden weiter informieren, wie er die Sperrung abwenden kann. Und er muss ihm eine Abwendungsvereinbarung anbieten, die eine zinsfreie Ratenzahlung und das Angebot beinhaltet, auf Vorkasse die Versorgung fortzusetzen.
Im Bundesrat haben der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Agrarpolitik un Verbraucherschutz (VA) in Nuancen unterschiedlich weitgehende Empfehlungen für diese Regelung abgegeben. Der Wirtschaftsausschuss will nicht nur bei Gefahren für Leib und Leben, sondern auch „wenn von der Unterbrechung Minderjährige, pflegebedürftige oder schwerkranke Personen betroffen sind.“ keine Sperren. Der VA meint, dass nicht irgendwelche, sondern nur grundlegende Belange dieser Gruppe ausreichen sollen, die Sperre abzuwenden. AV und Wi haben sich zudem dafür ausgesprochen, als Untergrenze für den ausstehenden Betrag das Doppelte des Monatsabschlags UND mehr als 100 EUR anzusetzen, damit sich niemand verschlechtert.
Vorschläge gibt es auch für die Hinweise, die der Versorger mit der Sperrandrohung verbinden muss. Vorgeschlagen wird, auch Vorauszahlungssysteme – man kennt solche Automaten aus UK – anzubieten. Speziell auf örtliche Schuldnerberatungen hinzuweisen. Vorschläge in leichter Sprache zu unterbreiten. Genau anzugeben, wie hoch die Raten sind, die zu zahlen wären, und wie lange.
Es verdichten sich also die Konturen der Neuregelung. Zwar stehen wegen der Schwierigkeiten im Gesetzgebungsverfahren der EnWG-Novelle nur die Grundversorgung, nicht die im EnWG geregelten Sonderkundenverträge auf der Agenda des Bundesrats. Doch auf die Grundversorger kommt auch mit einer „kleinen“ Änderung die Notwendigkeit zu, ihre Prozesse und Standardschreiben zu ändern.
UPDATE: Nun bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung die Änderungen des Bundesrats mitträgt. (Miriam Vollmer).
Sind diese Änderungen aktuell ?