Beim nächsten Späti, einem dieser typisch Berliner Kioske, die bis weit in die Nacht oder sogar rund um die Uhr auf haben, gibt es seit einiger Zeit Canna­bi­ser­zeug­nisse zum Verkauf. Einiger­maßen verwun­derlich angesichts der Tatsache, dass auf der selben Straße entlang des Görlitzer Parks immer wieder Polizei­ein­sätze wegen diverser Hanfpro­dukte durch­ge­führt werden. Aber, so klärte mich der Kiosk­in­haber sogleich kennt­nis­reich auf, dies seien völlig harmlose Varianten, da die berau­schende Substanz, das Tetra­hy­dro­can­na­binol (THC), hier nicht enthalten sei. Vom Kauf haben wir dann doch dankend Abstand genommen.

Cannabis-Blatt

(Foto: Rotational, Gemeinfrei, Link)

Inzwi­schen hat auch das Verwal­tungs­ge­richt Berlin über diese Produkte entschieden. Grundlage der Entscheidung sind die Regelungen über die sogenannten „Novel Foods“. Das sind Lebens­mittel, die „neuartig“ im Sinne der Verordnung (EU) 2015/2283 (Novel Food-VO) sind. Neuartig sind sie dann, wenn sie vor dem 15. Mai 1997 in der Europäi­schen Union nicht in nennens­wertem Umfang für den mensch­lichen Verzehr verwendet wurden.

Diese neuar­tigen Lebens­mittel dürfen nicht ohne vorherige Prüfung und Zulassung in den Verkehr gebracht werden. Mit anderen Worten: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Manchmal führt das zu fragwür­digen Ergeb­nissen, zum Beispiel, wenn bereits lange außerhalb Europas bewährte Lebens­mittel impor­tiert werden. Zum Beispiel Stevia, eine Pflanze, die schon lange als natür­liches Süßungs­mittel ohne Zucker in Südamerika verwendet wird.

Bei den neuen Canna­bis­pro­dukten ist eher verständlich, warum eine Prüfung nötig ist. Denn darin ist ein Wirkstoff angerei­chert. Zwar handelt es sich nicht um das bewusst­seins­ver­än­dernde THC, sondern um Canna­bidiol (CBD). Auch dieses hat aller­dings als pharma­zeu­tisch wirksamer Stoff viele zum Teil erheb­liche Auswir­kungen u.a. auf das Nerven­system. Neben erwünschten Wirkungen hat es auch unerwünschte Neben­wir­kungen. Zwar wird Hanf auch in Europa schon lange als Kultur­pflanze verwendet, aber die Anrei­cherung des Wirkstoffs war bis Ende der 1990er Jahre keine gängige Praxis.

Nach Auffassung des VG Berlin ist daher das Verbot des Herstellens und Inver­kehr­bringens von CBD-haltigen Kapseln und Ölen gerecht­fertigt. Tatsächlich werden diese Produkte oft offensiv wegen ihrer vermu­teten positiven gesund­heit­lichen Auswir­kungen beworben. Anders als bei regulären Arznei­mitteln gab es jedoch keine vorherige Prüfung und Zulassung. Die überra­gende Bedeutung des Gesund­heits­schutzes recht­fertigt das Verbot trotz der wirtschaft­lichen Nachteile des Antrags­stellers in dem Verfahren. Dies gilt bei neuar­tigen Lebens­mitteln selbst dann, wenn über deren gesund­heit­liche Auswir­kungen bisher nichts Negatives bekannt ist.

Die Entscheidung steht einer Zulassung von CBD-haltigen Produkten als „Novel Food“ oder Arznei­mittel auf EU-Ebene nicht entgegen. Dies wäre auch durchaus sinnvoll, weil sich die Sustanz tatsächlich in einigen Fällen, insbe­sondere bei bestimmten Autoim­mun­erkran­kungen, als hilfreich erwiesen hat (Olaf Dilling).