Es gibt ja so berufsspezifische Alpträume. Zu unseren Alträumen gehört es, kurz vor Fristablauf wieder und wieder auf den „Senden“-Button zu drücken, und nichts passiert.
Ein Anwalt ist aus diesem Alptraum vor einigen Jahren mal nicht mehr schweißgebadet, aber wohlbehalten erwacht. Er hatte über vier Stunden 54 mal (!) versucht, das Landgericht (LG) Paderborn anzufaxen. Gegen 20.00 Uhr hörte er auf und stellte am nächsten Tag einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesen lehnte das LG Paderborn ab. Er hätte es weiter versuchen müssen. Skandalös, finden Sie? Wir auch. Aber der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am 20. August 2019 dem LG Paderborn angeschlossen (VIII ZB 19/18). Wer faxt, muss also notfalls nicht nur bis 20.00 Uhr sondern bis Mitternacht vorm Faxgerät ausharren.
Inzwischen gibt es immerhin das beA. Gut, das beA funktioniert nicht wirklich gut. Wer darauf angewiesen ist, etwas mit dem beA zu versenden, ruft nur unter nervösem Zittern die „Aktuelle Meldungen“-Seite der BRAK auf. Außerdem hat das beA aus unerfindlichen Gründen eine Größenbegrenzung und nimmt keine umfangreichen Dateien an. Für Kanzleien wie uns, die auch mal 60 oder mehr Anlagen versenden, ist das manchmal ein Problem.
Dass das beA für andere Leute noch ein viel größeres Problem darstellt, haben wir kürzlich anlässlich eines Widerspruchsverfahrens erfahren. Wir hatten Widerspruch bei einer Bundesbehörde eingelegt, die gem. § 3a VwVfG einen Zugang für elektronische Erklärungen eröffnet hat. Sie war nämlich übers beA erreichbar. Wir also per beA versendet, der Widerspruch ist dort auch ordnungsgemäß eingegangen, und dann passierte nichts. Still ruhte der See, also die Bundesbehörde, und irgendwann legten wir, als auch auf eine Sachstandsanfrage nichts passierte, Untätigkeitsklage ein. Behörden, die sich einfach tot stellen, kommen nämlich nicht so selten vor, das überrascht uns jetzt nicht.
Überraschend kam dann wenig später ein Anruf. Man werde unseren Widerspruch jetzt noch bescheiden. Der sei nämlich nie eingegangen. Wir also kurze Schockstarre, Überprüfung, alles in Ordnung. Wir zurück an die Behörde: An uns liegt’s nicht.
Die Behörde gab irgendwann zu, dass es an ihr liegt. Wir mögen bitte aufhören, sie elektronisch zu kontaktieren. Fax sei aber auch nicht so gut. Am besten seien Briefe. Oder eine Kombination aus ungelesener elektronischer Kommunikation und nicht formgültigen informatorischen E‑Mails.
Wir atmeten tief durch und vergewisserten uns anhand des Kalenders: Ja, es ist wirklich 2019. Aber nicht überall gilt: Digital ist besser.
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