Aber was hat mit mir zu tun, werden Sie sich fragen, wenn Sie die Entschei­dungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) vom 30.09.2018 (Beschl. v. 30.09.2018, Az. 1 BvR 1783/17; 1 BvR 2421/17) lesen. Sie sind schließlich kein Jurist, und wer wem was im Zivil­prozess vorzu­legen hat, ist ihnen deswegen eigentlich egal. Überhaupt, diese Juristen immer. Mit ihren Säcken Papier. Ob die das eigentlich selber alles lesen?

Diese Entscheidung ist aber auch für Sie nicht egal. Da geht es zwar vorder­gründig um die Presse, und sie haben ja gar keine Zeitung, sondern machen – das nehmen wir jetzt einfach mal so an – etwas mit Energie. Gleichwohl mahnen auch Sie gelegentlich ab. Oder Sie werden abgemahnt. Meistens geht es dabei um wettbe­werbs­recht­liche Fragen. Die Konkurrenz erzählt zB Unwahr­heiten über Sie. In unserer Praxis geht es dabei oft auch um Kontakt­auf­nahmen ohne Einwil­ligung oder unzulässige AGB. Ab und zu schlagen sich die Werke auch um energie­spe­zi­fische Fragen rund ums Unbundling, Wechsel­pro­zesse usw.

Wenn unsere Mandanten sich gegen Wettbe­werber zur Wehr setzen, mahnen wir meistens schon ab, damit Sie nicht auf Kosten sitzen­bleiben, wenn die Gegen­seite sofort die gefor­derte Unter­las­sungs­er­klärung abgibt. Manchmal reichen Abmah­nungen auch schon, damit wieder Ruhe ist. Aber gelegentlich ziehen wir auch vorwar­nungslos vor Gericht oder unserer Mandant­schaft wird aus vorgeblich heiterem Himmel eine einst­weilige Verfügung vom Gericht zugestellt, die ein Konkurrent erwirkt hat. Manchmal hat man auch abgemahnt, dann hat die Gegen­seite sich aber nicht unter­worfen, man beantragt einen möglichst umfas­senden Unter­las­sungs­titel im Eilrechts­schutz, und den bekommt man dann eben auch. Ganz oft ohne dass die Gegen­seite vor Erlass noch einmal Gelegenheit zur Stellung­nahme schriftlich oder in einer mündlichen Verhandlung bekäme.

Dieser verbrei­teten Praxis hat das BVerfG nun zumindest teilweise ein Ende gesetzt. Gestützt auf die prozes­suale Waffen­gleichheit und das Recht auf recht­liches Gehör aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG fordert der 1. Senat, dass der Gegner sich im Verfahren erklären kann, entweder in einer mündlichen Verhandlung oder schriftlich, wenn das wegen begrün­deter Eile nicht möglich ist. Wenn abgemahnt wurde und schnell geklagt wurde, reichen die Reakti­ons­mög­lich­keiten – also vor allem die Möglichkeit, eine Schutz­schrift einzu­reichen – nur aus, wenn der Eilantrag inhaltlich nicht über die Abmahnung hinaus geht und die Reaktion des Abgemahnten dem Gericht auch vorgelegt wird. Mit anderen Worten: Die Gegen­seite muss wissen, dass da etwas unterwegs ist, und sie muss sich dazu äußern können, und wenn sie das tut, muss das Gericht dies wissen und berück­sich­tigen, bevor es einen Beschluss erlässt. Auch nicht uninter­essant: Wenn das Gericht einen Hinweis erlässt, hat der beiden Seiten zuzugehen, nicht nur – wie bisher verbreitete Praxis – dem Antragsteller.

Aber was hat das nun mit Ihnen zu tun? Ihnen vermitteln die neuen Entschei­dungen ein Stück mehr Sicherheit, dass Sie nicht aus heiterem Himmel Unter­las­sungs­titel erhalten, die sie dann erst wieder aus der Welt schaffen müssen. Wir begrüßen die Beschlüsse deswegen, auch wenn wir mögli­cher­weise als Angreifer in Zukunft unsere Beschlüsse nicht so schnell bekommen werden wie bisher.