Die Fernwär­me­ver­sorgung ist ein Massen­ge­schäft und ganz ähnlich wie in der Strom- und Gasgrund­ver­sorgung trägt der Gesetz­geber dem Rechnung. So gibt es auch bei Wärme zum Beispiel den Vertrags­schluss durch Entnahme. Eine weitere Regelung, um das Massen­ge­schäft handhabbar zu halten, enthält § 4 Abs. 2 der AVBFern­wärmeV. Hier heißt es nämlich:

Änderungen der allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen werden erst nach öffent­licher Bekanntgabe wirksam.“

Mit anderen Worten: Anders als beim Brötchenkauf kann der Versorger allge­meine Versor­gungs­be­din­gungen nicht nur durch Angebot und Annahme durch den Kunden ändern, sondern sie einseitig öffentlich bekannt­geben. Sie gelten dann auch, wenn der Kunde sie nicht wahrnimmt oder nicht will.

In den letzten Jahren – so zumindest meine Wahrnehmung – war es in der Praxis verhält­nis­mäßig unumstritten, dass auch Preis­gleit­klauseln und Preise zu den allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen gehören. Warum auch nicht. Sie sind schließlich allgemein, weil sie für alle von der AVBFern­wärmeV überhaupt erfassten Kunden­ver­hält­nisse gelten. Sie sind zweifellos Bedin­gungen, zu denen versorgt wird. Der Wortlaut spricht damit jeden­falls dafür. Und auch der Sinn und Zweck der Norm, denn die Schwie­rig­keiten, dem Massen­ge­schäft gerecht zu werden, gelten natürlich auch hier. Zudem ist syste­ma­tisch auch kein Grund ersichtlich, wieso in der Strom- und Gasgrund­ver­sorgung einseitige Preis­än­de­rungen möglich sein sollten (vgl. nur BGH, Urt. v. 25.11.2015, Az. VIII ZR 360/14), aber in der Fernwärme nicht. Dem Kunde bleibt es hier wie dort ohnehin unbenommen, die Preise gerichtlich kontrol­lieren zu lassen und Rückfor­de­rungs­an­sprüche zu stellen, entweder wegen fehler­hafter Preis­an­pas­sungs­klauseln oder wegen Verstößen gegen das Kartellrecht.

Zwei Entschei­dungen aus dem letzten Jahr stellt dies nun in Frage. Das LG Darmstadt hat auf Betreiben von Verbrau­cher­schützern zwei Entschei­dungen erlassen, in denen es ein Recht zur Änderung einer Preis­gleitung nach § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV verneint. 

Im konkreten Fall einer 2015 neu einge­führten Preis­gleit­klausel aus Hessen wurde nicht nur die Wirksamkeit der neuen Preis­an­pas­sungs­klausel angefochten, weil sie gegen § 24 Abs. 4 der AVBFern­wärmeV verstoßen würde. Sondern auch ihre Wirksamkeit. Überra­schend stellte sich das LG Darmstadt hierbei auf die Seite des Verbraucherverbandes.

In der überra­schend knappen Entscheidung findet sich die Begründung für diese Rechts­an­sicht fast ganz am Ende. Hier heißt es recht lakonisch nur:

Außerdem besteht die Möglichkeit, die grund­sätz­liche Änderung der Kosten­struk­turen im Rahmen von Änderungs­kün­di­gungen mit den Kunden zu verein­baren. Soweit es dennoch bei so langfristig abgeschlos­senen Verträgen zu Verän­de­rungen der Gewinn oder Kosten­struk­turen kommt, ist dieses Risiko solchen langfris­tigen Verträgen immanent, aber kein Grund dafür, eigen­mächtige Vertrags­än­de­rungen nur einer Vertrags­partei zu erlauben.“

Dem Gericht fehlt also ein guter Grund, einseitige Änderungen der vertrag­lichen Grund­lagen als zulässig anzusehen. Doch trifft dies wirklich zu? Schließlich existiert mit § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV doch eine Regelung, die genau dies erlaubt. Wenn ein Gericht sich entscheidet, Preise nicht wie andere allge­meine Vertrags­be­stim­mungen zu behandeln, wäre eine Darlegung zu erwarten, wieso hier eine im Regelwerk selbst nicht angelegte Diffe­ren­zierung vorge­nommen wird. So lässt die Entscheidung den Leser ratlos zurück. Vielleicht – hoffentlich – wird die Berufung es richten.