Im Geschäft mit Strom gelten andere Regeln als bei der Belieferung mit beispielsweise Zeitungen. Dies gilt insbesondere in der Grundversorgung, also insbesondere (aber nicht nur) dann, wenn ein Verbraucher an seiner Verbrauchsstelle noch nie den Versorger gewechselt hat. Hier gelten die besonderen Regeln der StromGVV. Diese sind für den Verbraucher in mancherlei Hinsicht (wie etwa Kündigungsfristen) günstiger als Sonderkundenverträge. In anderer Hinsicht, vor allem preislich, sind sie aber oft weniger vorteilhaft.
Zu den Regelungen, die dem Versorger und seinen besonderen Bedürfnissen als Grundversorger entgegenkommen, gehört § 17 Abs. 1 StromGVV. Danach kann der Verbraucher Forderungen des Versorgers seine Einwände nur eingeschränkt entgegenhalten. Das bedeutet nicht, dass er diese gar nicht mehr geltend machen kann. Sondern nur, dass er diese nicht in dem Prozess des Versorgers wegen nicht bezahlter Stromrechnungen geltend machen kann, sondern in einem zweiten Prozess, in dem er sein Geld zurück verlangt.
Dies gilt aber nicht in besonders eklatanten Fällen, vor allem dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht. Eine solche Möglichkeit hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun in einer Entscheidung vom 07.02.2018 (VIII ZR 148/17) bejaht.
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um ein älteres Ehepaar, das mit seinem Enkel auf einmal eine zehnmal so hohe Stromrechnung wie in den Vorjahren erhalten hat, für den es keine plausible Erklärung gab. Es liegt nahe, dass hier ein Messfehler vorliegen musste, aber – und das ist eine Besonderheit des Falles – eine Überprüfung der Messvorrichtungen konnte keine Fehler feststellen. Das Prüfprotokoll lag vor. Nach dieser Überprüfung war der Zähler jedoch vom Versorger ausgebaut und sodann entsorgt worden.
Nach dieser Überprüfung war der Versorger sich sicher: Er hatte das Seinige getan. Die Unsicherheit, wie die hohe Stromrechnung zustande gekommen war, wäre also nicht mehr sein Problem. Er mahnte, klagte und gewann vorm Landgericht (LG) Oldenburg auch erst einmal. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg sah das aber bereits anders und gab der Berufung der Verbraucher statt. Der BGH bestätigte dies im Revisionsverfahren nun: Bei einer so hohen Abweichung liege ein Fehler so nahe, dass der Verbraucher keinen neuen Prozess auf Rückforderung führen müsse. Die Unsicherheit geht hier also zulasten des Versorgers. Dieser hätte bereits im Rahmen seiner Zahlungsklage darlegen müssen, wie es zu der enormen und nicht erklärlichen Abweichung gekommen ist. Da er das nicht konnte, unterlag er.
In der Praxis sollte der Versorger also schon im Vorfeld seiner Zahlungsklage überlegen, ob er bei besonders krassen Abweichungen von den Vorjahresforderungen wirklich gleich klagt. In Konstellationen, in denen es naheliegt, dass besonders hohe Forderungen auf unerkannte Fehler seiner Messvorrichtungen zurückzuführen sind, sollte er auf den Verbraucher zugehen, um den Sachverhalt aufklären, um das Risiko verlorener Prozesse mit hohen Gerichtskosten und erheblichen Aufwänden zu vermeiden. Ein automatisiertes Vorgehen im Vertrauen auf § 17 Abs. 1 StromGVV verbietet sich also in solchen Konstellationen.
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