Werbung mit Regio­nal­strom (OLG Schleswig, 6 U 16/19)

Strom ist nicht gleich Strom. Gerade bei einem im Grunde homogenen Produkt schauen viele Kunden auf die Umstände der Erzeugung. Deswegen sind Werbe­aus­sagen wie „grün“ besonders wirksam. Mit einem Versorger, der „grünen Regio­nal­strom“ anbot, hat sich nun das OLG Schleswig (OLG Schleswig, Urteil vom 03.09.2020 – 6 U 16/19) beschäftigt und eine etwas überra­schende Entscheidung getroffen.

Grundlage der Entscheidung war das Irrefüh­rungs­verbot in §§ 8 Abs. 1, 3 UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Das OLG sah – nach erstin­stanzlich abwei­sender Entscheidung – den Verbraucher irrege­führt, weil die einspei­senden Anlagen zu weit vom Verbraucher entfernt seien. Und zum anderen, weil der Verbraucher annehmen würde, der Strom sei physi­ka­lisch regional und grün, was natürlich schon deswegen nicht stimmt, weil Strom sich stets den kürzesten Weg bahnt, und zwar bilan­ziell, aber nicht tatsächlich grüner Strom geliefert wird. Insbe­sondere im letzten Punkt ist die Annahme, der Verbraucher würde eine wie auch immer geartete Direkt­lie­ferung annehmen, einiger­maßen weit hergeholt. Schließlich wissen Verbraucher norma­ler­weise, dass es in Deutschland ein Stromnetz gibt und nicht Batterien hin- und herge­schickt werden, selbst wenn ein Slogan lautet: Direkt vom Anlagen­be­treiber in deine Steckdose. 

In Hinblick auf die Entfernung zwischen Verbraucher und Erzeuger ist die Entscheidung besser nachvoll­ziehbar. Denn wenn Regio­na­lität nach den Kriterien des Regio­nal­nach­weis­re­gisters definiert maximal 50 km bedeutet, sind 100 km eben mögli­cher­weise 50% zu viel, wenn das nicht ganz deutlich wird. Aller­dings: Im fraglichen Zeitpunkt war das Register noch gar nicht Betrieb, so dass es auch keine Vorstel­lungen des Verbrau­chers beein­flussen konnte.

Um so bedau­er­licher ist, dass keine Revision zugelassen wurde. Aus unserer Sicht unter­schätzt die Entscheidung den Verbraucher. Versorger sollten die Entscheidung aber zum Anlass nehmen, die eigenen Unter­lagen kritisch zu betrachten (Miriam Vollmer).

2020-09-29T19:16:29+02:0029. September 2020|Strom, Wettbewerbsrecht|

Werbung mit Influencern: Was will das Ministerium?

Wer mit Influencern zusam­men­ar­beitet oder gar ein Influencer ist, kennt die Diskussion: Wann sind Beiträge als Werbung zu kennzeichnen? Wird Werbung nicht gekenn­zeichnet, ist das unter Umständen sogar unabhängig von der Bezahlung des indivi­du­ellen Postings wettbe­werbs­widrig (KG Berlin, „Vreni Frost“, 8.1.2019, 5 U 83/18, hier erläutert).Erst im vergan­genen Oktober hatte auch das OLG Frankfurt mit Entscheidung vo 23.10.2019 (6 W 68/19) unter­strichen, dass seiner Ansicht nach bei einem Account, dessen Inhaber überhaupt bezahlt wirbt, auch die nicht bezahlte Produkt­pla­zierung Werbung darstellt und als solche auszu­weisen ist. Der Senat führt hierzu aus:

Dann aber liegt es nahe, dass sie mit den Tags jeden­falls das Interesse von Dritt­un­ter­nehmen an einem Influencer-Marketing in Koope­ration mit ihr wecken möchte, um Umsätze zu generieren; das genüg“

Kennzeichnet man aber alles als Werbung, kann auch dies den Durch­schnitts­ver­braucher irreführen, weil werbe­willige Unter­nehmen annehmen könnten, dass der Account viel attrak­tiver für Werbe­kunden sei, als dies tatsächlich zutrifft.

Diese Unsicherheit will das Bundes­jus­tiz­mi­nis­terium (BMJF) nun besei­tigen. Es hat deswegen einen Geset­zes­vor­schlag erarbeitet, der § 5a Abs. 6 UWG ergänzen würde wie folgt:

Ein kommer­zi­eller Zweck einer geschäft­lichen Handlung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn diese vorrangig der Infor­mation und Meinungs­bildung dient und für diese kein Entgelt oder eine ähnliche Gegen­leistung gewährt wurde.“

Doch ist das wirklich hilfreich? Wann dient denn eine Äußerung „vorrangig“ der Infor­mation? Das Geschäft mancher Influencer beruht darauf, dass ihre begeis­terte Follo­wer­schaft überhaupt alles, was sie sagen oder tun, als höchst inter­es­sante Infor­mation wahrnimmt, natürlich auch und insbe­sondere, was sie anziehen, wo sie hinfahren und was sie sich in die Wohnung stellen. Im Einzelfall ist die Abgrenzung damit immer noch nicht klar. Immerhin dürfte feststehen, dass dem Minis­terium eine Beweis­last­umkehr vorschweben dürfte.

Gerade für Unter­nehmen der Infra­struk­tur­wirt­schaft, die oft erstmals überhaupt mit Influencern arbeiten, heisst es damit in jedem Fall auch weiterhin: Bestehende Risiken müssen gesehen und vertraglich abgebildet werden (Miriam Vollmer)

2020-02-17T09:17:49+01:0017. Februar 2020|Vertrieb, Wettbewerbsrecht|

Fünf Sterne: Bewer­tungen gegen Vorteile

Vertriebs­leiter Valk ist sauer. Die Konkurrenz, die Stadt­werke Unter­al­theim GmbH (SWU), hat es tatsächlich geschafft, mit 4,5 von 5 Sternen die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) hinter sich zu lassen. „Exzel­lenter Service!“, muss Valk über die Konkurrenz lesen. „Unkom­pli­zierter Versor­ger­wechsel!“, was besonders schmerzt, weil der Valk namentlich bekannte Kunde, Herr Kaufmann, zuvor 20 Jahre Strom bei der SWO bezog.

Erst als Valk Herrn Kaufmann beim Einkaufen trifft, lichtet sich der Nebel um das Geheimnis der glänzenden Bewer­tungen: Jeder Kunde, der der SWU im Netz volle fünf Punkte gibt, erhält postwendend das SWU-Fanpaket, bestehend aus dem Unter­al­t­heimer Stier aus Plüsch, einem Malbuch mit Stier und einer Rindermettwurst.

Noch am selben Tag mahnt die Anwältin der SWO die lästige Konkurrenz ab. Man darf nämlich keine Bewer­tungen kaufen, wie das OLG Hamm schon 2010 klarge­stellt hat, wenn es ausführt:

Wird mit Kunden­emp­feh­lungen und anderen Referenz­schreiben geworben, darf das Urteil des Kunden grund­sätzlich nicht erkauft sein. Die Verwendung bezahlter Zuschriften ist unzulässig, wenn auf die Bezahlung – wie hier – nicht ausdrücklich hinge­wiesen wird“

Der Verbraucher erwarte nämlich ein freies und unbeein­flusstes Meinungsbild und werde in die Irre geführt, wenn dem nicht so sei.

Nach einigem Hin und Her unter­wirft sich die SWU. Valk stellt schon mal den Sekt kalt, als ihn neue Bewer­tungen irritieren. Die Bewer­tungsflut hört nämlich gar nicht auf. Auf der Seite der SWO dagegen tröpfelt es eher als es läuft. Nur alle paar Monate äußert sich mal jemand, und dazu – wie das eben so ist – auch noch meistens solche Leute, die aus irgend­einem Grund unzufrieden sind. Endlich erfährt Valk, dass das SWU-Fanpaket nun nicht mehr nur für gute Bewer­tungen versprochen wird. Sondern für jeden, der überhaupt bewertet.

Doch auch hier folgt stehenden Fußes die Abmahnung. Denn das OLG Hamm hat 2013 festge­stellt, dass jede Vorteils­ge­währung für Bewer­tungen wettbe­werbs­widrig ist, weil der verspro­chene Vorteil die Selbst­be­stimmtheit der Meinung beein­trächtige. Das Meinungsbild werde so verzerrt.

Einen Tag später klingelt bei Valk das Telefon. Sein Antipode ist dran, der Vertriebs­leiter der SWU. Man kenne sich doch, hebt dieser an. Und man wolle sich doch nichts Böses. Und wie wäre es denn, wenn Valk auf seine Abmahnung verzichte. Und dafür auch die SWU nicht so genau hinschaue, wo Valk seine Bewer­tungen herbe­kommt. Nach einigem Hin und Her ist man so gut wie handelseinig.

Am Ende scheitert der Deal dann doch an den Juristen. Denn auch, wenn SWO und SWU sich einig wären: Es soll, so hört man, ja noch andere Wettbe­werber geben. Und die Verbrau­cher­zen­tralen sind auch nicht ohne.

2019-02-04T11:36:59+01:004. Februar 2019|Wettbewerbsrecht|