BGH zu Kunden­zu­frie­den­heits­um­fragen in Rechnungsmail

Dass man nicht einfach so dem genervten Verbraucher Werbe­mails schicken darf, ist inzwi­schen Allge­meingut. Aber wie sieht es mit einer Kunden­zu­frie­den­heits­um­frage aus, die mit derselben E‑Mail kommt wie die Rechnung für eine bestellte Ware? Mit dieser Frage hatte sich der Bundes­ge­richtshof (BGH) am 10. Juli 2018 (VI ZR 225/17) zu beschäftigen.

Kläger in dem Verfahren war ein Verbraucher, der beim Amazon Market­place ein Ultra­schall­gerät zur Schäd­lings­ver­treibung, offenbar ein Maulwurfs­ver­grämer, bestellt hatte. Das Gerät kam, die Rechnung erhielt er sodann per E‑Mail verbunden mit der Bitte, für den Einkauf eine gute Beurteilung zu geben. Wer gelegentlich bei Amazon einkauft, weiß, wie wichtig diese Bewer­tungen für das Kaufver­halten anderer Inter­es­senten sind.

Der Käufer war genervt. Die unauf­ge­for­derte Kunden­zu­frie­den­heits­um­frage stelle unerlaubte Werbung dar. Und das greife in sein allge­meines Persön­lich­keits­recht ein. Der Käufer zog vor Gericht. 

Das Amtsge­richt indes wies seine Klage ab, auch das Berufungs­ge­richt wies seine Klage ab, vom BGH war er nun aber erfolg­reich. Wir wissen nichts über die Hinter­gründe dieses Verfahrens, aber dass eine Privat­person ein solches Verfahren durch alle Instanzen verfolgt, ist immerhin bemer­kenswert. Ansonsten gehen solche Urteile meistens auf Verbrau­cher­ver­bände zurück.

Dass es sich bei der Umfrage um Werbung handelt, hatte auch schon die Vorin­stanz bejaht. Schließlich ist der Werbe­be­griff außer­or­dentlich weit. Nach Art. 2a der Richt­linie 2006/114/EG handelt es sich um „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienst­leis­tungen, einschließlich unbeweg­licher Sachen, Rechte und Verpflich­tungen, zu fördern“. In diesem Fall ging es dem Versender darum, durch positive Beurtei­lungen künftige Kunden zu gewinnen. Gleich­zeitig sollte der Adressat das Gefühl bekommen, dass Unter­nehmen kümmere sich auch weiterhin um ihn, was die Wahrschein­lichkeit erhöht, dass er auch künftig kauft.

Der BGH unter­strich in der Entscheidung, dass Werbee­mails ohne Einwil­ligung grund­sätzlich einen Eingriff in das allge­meine Persön­lich­keits­recht des Empfängers darstellen. Dieses schützt den Bereich privater Lebens­ge­staltung und gibt dem Betrof­fenen das Recht, in seinem privaten Leben in Ruhe gelassen zu werden. Nach Art. 13 Abs. 1 der Daten­schutz­richt­linie EK, braucht man für E‑Mail Werbung eine Einwil­ligung. Hieraus leitet der BGH ab, dass der Kunde die Möglichkeit haben muss, Werbung gebüh­renfrei und problemlos abzunehmen.

Kurz geht der BGH auch auf die Frage ein, ob die Verknüpfung mit der Rechnung der Einordnung als unerlaubte Werbung entge­gen­stehe. Das verneint das Bundes­ge­richt. Natürlich sei es erlaubt, eine Rechnung zu übersenden, aber das mache den gleich­zei­tigen Verstoß nicht besser.

Abschließend wägt das Gericht ab. Auf der einen Seite steht der Anspruch des Klägers auf Achtung seiner Privat­sphäre. Auf der anderen Seite steht das berech­tigte Interesse eines Kaufmanns, Werbung zu treiben und mit den Kunden in Kontakt zu treten. Hier verweist das Gericht nun auf die grund­sätz­liche Entscheidung der Rechts­ordnung, E‑Mail Werbung erst einmal als unzumutbare Beläs­tigung zu betrachten. Zwar gibt es in § 7 Abs. 3 UWG eine Ausnahme für die E‑Mail Werbung bei Kunden für ähnliche Produkte oder Dienst­leis­tungen auch ohne ausdrück­liche Einwil­ligung. Dies wäre hier sicherlich einschlägig gewesen. Der BGH vermisste jedoch einen klaren und deutlichen Hinweis darauf, dass der Kunde jederzeit wider­sprechen kann.

Was bedeutet dieses sehr strenge Urteil nun für den Unter­nehmer? Muss man jetzt grund­sätzlich darauf verzichten, bei seinen Bestands­kunden per E‑Mail für weitere Produkte oder Dienst­leis­tungen zu werben? Das sehen wir ganz und gar nicht. Immerhin gibt es den § 7 Abs. 3 UWG, der genau das erlaubt. Es sollte aber besondere Sorgfalt darauf verwendet werden, den Kunden darüber aufzu­klären, dass er weiterer Werbung ganz einfach wider­sprechen kann. Hier lohnt sich also ein kurzer Check der Prozesse im Nachgang von Vertrags­ab­schlüssen und Rechnungsstellung.

2018-11-20T09:34:52+01:0020. November 2018|Wettbewerbsrecht|

Werben mit Neukundenbonus

Haben Sie Ihren Telefon­tarif verstanden? Ich auch nicht. Ich habe es nicht einmal versucht. Und ich halte es zumindest für möglich, dass das Leuten, die nicht mehr als Jahrzehnt in der Energie­wirt­schaft verbracht haben, bei Strom­ta­rifen manchmal ähnlich geht.

Ist man zufrieden, ist das nicht weiter schlimm. Anders sieht es aber aus, wenn der unzufriedene Kunden Preise vergleicht. In diesem Moment wird die Komple­xität vieler Tarife zum Problem. In beson­derer Weise betrifft dies Bonus­re­ge­lungen. Denn diese gelten ja regel­mäßig nicht für immer. Sondern meistens nur für das erste Jahr. Oft kann man aber erst nach zwei Jahren kündigen. Und auch die Infor­mation, dass ohne diese Kündigung dauerhaft ein höherer Preis gezahlt werden muss, ist für den Verbraucher wichtig.

Vergisst“ ein Versorger den Hinweis, dass der in der Werbung angeben Preis nur das erste Jahr betrifft, so ist dies keineswegs nur ärgerlich und ein schlechter Dienst am Kunden. Vielmehr handelt es sich um ein verbotene Irreführung nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlau­teren Wettbewerb (UWG). Dies hat im letzten Jahr das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Frankfurt noch einmal deutlich gemacht. Nach dieser Entscheidung reicht es noch nicht einmal, wenn unterhalb einer Preis­ver­gleichta­belle ein kleiner Hinweis auf den Umstand zu finden ist, nach dem der Preis inklusive des Neukun­den­bonus zu verstehen ist.

Was resul­tiert hieraus für die Praxis? Wer mit Preis­ver­gleichen wirbt, die einen Neukun­den­bonus enthalten, sollte einen Stern­chen­hinweis* aufnehmen, der dies trans­parent macht. Ansonsten kann er abgemahnt und kosten­pflichtig zur Unter­lassung verur­teilt werden. Wer so etwas bei Konkur­renten sieht, kann umgekehrt mögli­cher­weise abmahnen und eine Werbe­kam­pagne so schnell beenden.

 

*… der etwa so aussehen könnte: Nicht zu klein und auf derselben Seite.

2018-04-17T20:34:36+02:0017. April 2018|Allgemein, Gas, Strom, Wettbewerbsrecht|

Werbung für Netzbe­trei­berin als Tochter­un­ter­nehmen verboten: OLG Jena verur­teilt die TEAG

Die TEAG Thüringer Energie AG hat eine 100% Tochter, die TEN Thüringer Energie­netze GmbH & Co.KG. Die Mutter vertreibt unter anderem Strom und Gas. Die Tochter betreibt Netze, trans­por­tiert also Strom und Gas an Kunden.

Die TEAG hatte auf ihrer Homepage eine Werbung für ihre Tochter. Ich habe diese Werbung nie selbst gesehen, auch stellt sich durchaus die Frage, was Werbung eigentlich ausrichten kann, die eine für den Kunden alter­na­tivlose Leistung preist. Schließlich können weder Strom­ver­sorger noch Letzt­ver­braucher zwischen verschie­denen Netzan­bietern wählen. Aber sei es wie es sei: Die Wettbe­werbs­zen­trale mahnte die TEAG ab und verlangte Unterlassung.

Auf den Laien wirkt dies überra­schend. Wieso soll die TEAG als Vertriebs­un­ter­nehmen nicht für ihre eigene Unter­neh­mens­tochter, den Netzbe­trieb, werben? Schließlich landet doch, untech­nisch gesprochen, am Ende sowieso alles im selben Topf. Doch das Energie­recht unter­liegt in Bezug auf Gas und Strom bekanntlich dem Unbundling, also der Trennung von Netz und Vertrieb zur Gewähr­leistung wirksamen Wettbe­werbs. Ausdruck dessen ist unter anderem § 7a Abs. 6 Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG), der lautet:

Vertei­ler­netz­be­treiber, die Teil eines vertikal integrierten Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens sind, haben in ihrem Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­halten und ihrer Marken­po­litik zu gewähr­leisten, dass eine Verwechslung zwischen Vertei­ler­netz­be­treiber und den Vertriebs­ak­ti­vi­täten des vertikal integrierten Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens ausge­schlossen ist.“

Vertikal integriert ist nur ein anderer Ausdruck für „alles unter einem Dach“ gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004. Das trifft auf TEAG und TEN zwar zu. Doch anders als in § 7a Abs. 6 EnWG aufge­führt, hat hier nicht die Vertei­ler­netz­be­trei­berin geworben. Das ist ja die TEN und nicht die TEAG. Eine Regelung, die der TEAG, also dem Vertriebs­un­ter­nehmen, entspre­chende Werbung verbietet, existiert nicht. Die TEAG sah deswegen ihre Werbung als unpro­ble­ma­tisch an.

Doch dies hielt daLandge­richt (LG) Erfurt und auch zuletzt am 21.02.2018 (2 U 188/17 Kart) das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Jena nicht von einer Verur­teilung zur Unter­lassung ab. Begründung für diese weitge­hende  Inter­pre­tation des Normtextes: Die Regelung sei dazu bestimmt, dem Verbraucher zu verdeut­lichen, dass Vertrieb und Netz unter­schied­liche Aktivi­täten darstellen. Auch sollen vertikal integrierte Unter­nehmen keine besseren Wettbe­werbs­chancen erhalten als solche, für die dies nicht gilt. Da beide Normzwecke aber nicht nur für Werbung von Vertei­ler­netz­be­treibern, sondern auch für Werbung von Vertriebs­un­ter­nehmen gelten, haben die Thüringer Gerichte auch beide Unter­neh­mens­ka­te­gorien als Normadres­saten betrachtet. 

Für die Praxis gilt damit: Auch Versor­gungs­un­ter­nehmen müssen sich der Werbung für ihren Netzbe­trieb enthalten. Es drohen sonst kosten­trächtige Abmahnungen.

2018-03-25T23:59:25+02:0025. März 2018|Gas, Strom, Wettbewerbsrecht|