Entwässerungsgraben unter Naturschutz
Rechtliche Regelungen können für unterschiedlichste Interessen nutzbar gemacht werden. Gerade aus Anwaltsperspektive ist das wichtig. Denn Normen sind ein bisschen wie Werkzeuge, die erst dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie jemand für seine spezifischen Zwecke einsetzt. Was wie Zweckentfremdung klingt, hat aber auch eine rechtsstaatliche Komponente. Denn Gesetze haben allgemeine Geltung und können gerade deswegen nur begrenzt für bestimmte privilegierte Interessen reserviert werden: Sie sind dafür einfach zu vielseitig anwendbar. Aber manchmal ist dann aber doch der Bogen überspannt.
Ein Beispiel aus dem Wasser- und Naturschutzrecht: Grundsätzlich gibt es für Oberflächengewässer aufgrund der Wasserrahmenrichtlinie ein Verschlechterungsverbot. So darf der ökologische Zustand eines Gewässers sich nicht durch Eingriffe verschlechtern. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Fluss angestaut wird und nicht dafür gesorgt wird, dass Wanderfische weiter in den Oberlauf kommen, etwa durch den Bau einer Fischtreppe. Denn dadurch wird die Durchgängigkeit des Flusses beeinträchtigt.
Als wir neulich Post von einem Wasser- und Bodenverband bekamen, staunten wir nicht schlecht, in welchem Zusammenhang wir das Verschlechterungsverbot wiederfanden. Denn wir hatten im Zusammenhang mit der Renaturierung eines Feuchtgebiets bei dem Verband die Hebung des Wasserstandes eines Entwässerungsgrabens beantragt. Dies sei nicht möglich, so die Antwort des Verbands. Denn bisher befänden sich in dem Graben keine Vorrichtungen zum Anstauen des Wassers. Und einen Stau zu bauen, sei wegen des Verschlechterungsgebots EU-rechtlich verboten.
Bekanntlich werden die Wasser- und Bodenverbände in Deutschland von Landwirten dominiert. Sie legen bisher großen Wert auf Entwässerung, weniger auf Wassermanagement oder gar Renaturierung. Erwartet hatten wir daher als Antwort eigentlich sinngemäß, dass seit nunmehr Hunderten von Jahren Moore entwässert würden. Dass es den umliegenden landwirtschaftlichen Betreiben schaden könnte, den Wasserstand zu heben.
Aber tatsächlich lässt sich ein Entwässerungsgraben nicht so leicht unter Naturschutz stellen. Denn ein Graben ist ein von Menschen geschaffenes Gewässer, für das die Wasserrahmenrichtlinie zur eingeschränkt gilt. Zudem gibt es in einem Hochmoorgraben gar keine Fische, weil das Wasser dafür viel zu huminsäurehaltig ist. Nun, einen Versuch war es wert. Manchmal wird dann aber doch deutlich, dass sich das Recht nicht für jeden beliebigen Zweck einspannen lässt (Olaf Dilling).