Deutsch­land­ticket

Bis morgen gibt es noch die Chance ein Deutsch­land­ticket zum 1. Mai zu erwerben, also zum Start dieses neuen Stamm­kun­den­tarifs. Das ist nach vielen Querelen innerhalb der Ampel im Sektor Verkehr grund­sätzlich mal ein Licht­blick. Denn bisher mussten sich Menschen, die in mehreren Städten oder Regionen den öffent­lichen Verkehr nutzen wollten, sich durch einen kaum zu durch­schau­enden Tarif­dschungel zu kämpfen. Das wird nun einfacher: Für 49 Euro kann im digitalen Abonnement ein Ticket erworben werden, das im Prinzip im gesamten deutschen ÖPNV gelten soll. Das Ticket ist monatlich kündbar.

Laut Geset­zes­be­gründung heißt es, dass das Deutsch­land­ticket die Attrak­ti­vität des Regio­nal­ver­kehrs zu steigern, einen Anreiz zum Umstieg auf den öffent­lichen Nahverkehr zu schaffen, Energie zu sparen – und Bürge­rinnen und Bürger finan­ziell zu entlasten soll. Tatsächlich wird das Deutsch­land­ticket nach einem neuen Entwurf der Eisenbahn-Verkehrs­ordnung (EVO) als Fahrausweis mit erheblich ermäßigtem Beför­de­rungs­entgelt einge­stuft. Dies würde bedeuten, dass ab 01.07.2023 die bisher geltenden Fahrgast­rechte bei Verspä­tungen nicht mehr gelten. Dann könnten etwa bei mehr als 20 Minuten Verspätung eines Regio­nalzugs am Zielbahnhof keine ICs oder ICEs als Ersatz genommen werden können, wie das bisher bei vergleich­baren Angeobten möglich war.

Was die Finan­zierung des Deutsch­land­ti­ckets angeht, soll der Bund für dieses Jahr die Hälfte der Mehrkosten tragen, die den Ländern durch das neue Ticket entstehen. Bis 2025 soll sich der Bund mit 1,5 Milli­arden Euro jährlich betei­ligen. Der Bundesrat hat Ende März in einer Entschließung gefordert, dass der Bund auch in den kommenden beiden Jahren einen mindestens hälftigen Nachschuss leisten soll, falls die tatsäch­lichen Kosten des Deutsch­land­ti­ckets höher ausfallen als angenommen. Auch am Ausbau des ÖPNV-Angebots solle sich der Bund durch Aufsto­ckung der Regio­na­li­sie­rungs­mittel betei­ligen. Dies würde auch dem Klima­schutz zugute kommen. (Olaf Dilling)

 

 

2023-04-19T20:27:51+02:0019. April 2023|Allgemein, Kommentar, Verkehr|

Urteil Gehweg­parken, next level!

Wir hatten bereits berichtet, dass in Bremen ein verwal­tungs­ge­richt­licher Streit anhängig ist, der für den Verkehr in deutschen Städten eine erheb­liche Bedeutung hat. Genauer gesagt geht es um das – illegale – nicht angeordnete Parken auf Gehwegen. Damals ging es um die Entscheidung vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Bremen.
SUV parkt auf Gehweg, so dass Passantin kaum noch vorbeikommt
Kläger mehrerer Straßen in Bremen hatten geklagt, da sie ihre Rechte als Fußgänger beein­trächtigt sahen, da die Stadt seit Jahrzehnten nichts gegen die Falsch­parker unter­nimmt. Die Klage richteten sie nicht gegen die Ordnungs­be­hörden, um Bußgeld­ver­fahren zu erzwingen, sondern gegen die Straßen­ver­kehrs­be­hörde, die anders geartete Maßnahmen ergreifen solle, wie z.B. Verdeut­li­chung durch Verkehrs­zeichen, Verwal­tungs­vollzug, Infor­mation der Falsch­parker o.ä. Das VG gab den Klägern in seinem Urteil (im Wesent­lichen) recht, verpflichtete die Behörde dazu, die Kläger erneut zu bescheiden und gab dabei der Behörde in den Entschei­dungs­gründen auf, geeignete Maßnahmen zum Abstellen des Gehweg­parkens zu ergreifen.
Die Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts Bremen fällt zwar hinter die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts insofern zurück, als dem Land Bremen in der Berufung zum Teil recht gegeben wurde. Das liegt jedoch gar nicht so sehr daran, dass die Kläger nicht in der Sache recht hätten. Das Gericht hat vielmehr festge­stellt, dass der aktuelle Zustand rechts­widrig ist und früher oder später auch abgestellt werden muss. Aller­dings waren die Anträge zum Teil zu unbestimmt oder zu weitgehend formuliert.

Die Entscheidung ist jedoch auch aus drei Gründen bedeutend für die Rechte nicht­mo­to­ri­sierter Verkehrsteilnehmer:

  • erstens wird deutlich, dass das nicht durch Verkehrs­zeichen oder entspre­chende Markierung angeordnete Gehweg­parken rechts­widrig ist (auch wenn dies in der juris­ti­schen Fachwelt praktisch unumstritten ist, hat sich das weder unter Autofahrern, noch unter den Polizei- und Ordnungs­kräften ausrei­chend herumgesprochen)
  • zweitens wird in ihr klarge­stellt, dass neben den Ordnungs­be­hörden auch die Straßen­ver­kehrs­be­hörden verant­wortlich sind für die Einhaltung der Straßen­ver­kehrs­ordnung und dass ihr insofern verschiedene Mittel zu Gebote stehen
  • drittens wird deutlich, dass Fußgänger im Verkehr eigene, subjektive Rechte haben, die sie vor Gericht einfordern und gegenüber den Behörden beanspruchen können.

Was die Einschränkung der Entscheidung des VG angeht, die vom beklagten Land Bremen mit der Berufung angriffen wurde: Im Wesent­lichen geht es darum, dass das Oberver­wal­tungs­ge­richt nun anerkennt, dass der rechts­widrige Zustand, den die Kläger beseitigt haben wollen, in sehr vielen Bremer Straßen und seit Jahrzehnten besteht, ohne dass die Stadt etwas dagegen unter­nommen hätte. Dies zu besei­tigen sei nicht von einem Tag auf den anderen möglich. Daher bestehe aktuell kein Anspruch der Kläger auf unmit­tel­bares Einschreiten (keine sogenannte Ermes­sens­re­duktion auf Null). Da der rechts­widrige Zustand aber beseitigt werden muss, ist die Stadt zumindest verpflichtet ein Konzept zu entwi­ckeln, bei der eine Priori­sierung vorge­nommen wird, so dass in den am stärksten betrof­fenen Straßen zuerst, aber nach und nach auch in allen anderen Straßen die Gehwege von Falsch­parkern befreit werden. Wenn es nach dem OVG geht, ist es also nur eine Frage der Zeit, dass die rechts­widrige Praxis im gesamten Stadt­gebiet beendet wird.

Was in der Folge strittig ist, ist die Frage, ob die rechts­widrige Praxis in Bremen zum Teil durch nachträg­liche Anordnung des Gehweg­parkens legali­siert werden kann. Wir haben zu dieser Frage zwischen­zeitlich ein Rechts­gut­achten für einen Bremer Verband angefertigt und schreiben dazu demnächst noch einen separaten Beitrag. (Olaf Dilling)

2023-03-06T20:09:46+01:006. März 2023|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Straf­schär­fungen für Klima­schützer, Zweiter-Reihe-Parker und Karnevalisten?

Thomas Fischer, ehemals BGH-Richter ist eine Art Urviech des deutschen Straf­rechts. Er hat nicht nur den Kommentar zum Straf­ge­setzbuch verfasst, mit denen Referendare ihr zweites Staats­examen schreiben, sondern ist auch medial äußert präsent und nimmt gerne Stellung zu allen möglichen Fragen. So auch letzte Woche zu der hitzig debat­tierten Frage, wie man mit Klima­pro­testen, insbe­sondere Straßen­blo­ckaden umgehen soll.

Blockade des Aufstands der letzten Generation am Berliner Hbf

Foto: Stefan Müller, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons

Fischer hat dabei keine Scheu, mit den Protes­tie­renden schwer ins Gericht zu gehen, wie sein Beitrag in der LTO zeigt: Wenn sich Demons­tranten an der Straßen festkleben würden, dann sei das eine Nötigung, bei der nicht nur eine vorüber­ge­hende Behin­derung gewollt ist und auch Fahrzeuge in zweiter und dritter Reihe betroffen seien. Dass die Autofahrer auch dring­liche Anliegen hätten, wie Arztbe­suche oder ähnliches, sei nämlich nahe liegend. Die Demons­trie­renden könnten ihren (bedingten) Vorsatz nicht dadurch ausschließen, dass sie allen Betrof­fenen „von Herzen wünschten“, dass ihnen durch die Verzö­ge­rungen nichts zustoßen möge. Letztlich komme es aber bei Feststellung des Vorsatzes auf die indivi­du­ellen Umstände des Einzel­falls an, beispiels­weise, ob die Demons­trie­renden tatsächlich, wie von ihnen behauptet, auf das Freihalten einer Rettungs­gasse achten würden.

Aller­dings wäre Fischer nicht Fischer, wenn er am Schluss nicht doch eine ironische Volte folgen ließe: Dieser Mainstream würde notorisch übersehen, dass die gleiche Proble­matik des bedingten Vorsatzes auch für das gefähr­dende Fahren mit 50 km/h durch die Tempo-30er-Zone, das Parken in zweiter Reihe, das Missachten der Rettungs­gasse oder selbst noch für Karne­va­listen gelten würde, die mit ihrem Zug Rettungs­ein­sätze behindern würden. Insofern könnten alle aktuellen Überle­gungen, Autofahrern durch Straf­schärfung gegenüber Autobahn­blo­ckierern einen Dienst zu erweisen, diese am Ende selbst treffen. (Olaf Dilling)

2022-11-08T00:21:47+01:008. November 2022|Allgemein, Kommentar, Verkehr|