Von der Unzuläng­lichkeit mensch­lichen Planens, heute: Der Verkehr

Mit Planern und Planungs­büros arbeiten wir gern zusammen und haben einen großen Respekt vor ihrer Tätigkeit. Anders als sagen wir die korrekte Buchhaltung bringt das Planen aber auch regel­mäßig Risiken mit sich. Man muss deswegen jetzt nicht gleich metaphy­sisch werden und etwa sagen, dass jedem Plan die Möglichkeit seines Schei­terns bereits einge­schrieben sei. Es reicht vielmehr die Dreigro­schen-Weisheit von Bert Brecht, der den Bettler­könig Peachum holprig singen lässt: „Du mach nur einen Plan / komm sei ein großes Licht / und mach dann noch ’nen and’ren Plan / geh’n tun sie beide nicht“.

Wenn Pläne im Verkehrs­ver­wal­tungs­recht rechtlich nicht gehen, dann können Verkehrs­planer da häufig wenig dafür. Denn das liegt dann meist an der deutschen Straßen­ver­kehrs­ordnung. Die ist in ihrem Kern geradezu planfeindlich und soll das planvolle Vermeiden von Gefahren verhindern. Nach diversen Reformen, die den Schil­derwald lichten sollten, sollen nämlich planvolle, voraus­schauende Regelungen möglichst vermieden werden. Gefahren sollen vielmehr nur dann durch Anord­nungen verhindert, wenn sie sich bereits mehrfach und statis­tisch signi­fikant reali­siert haben oder mit überdurch­schnittlich hoher Wahrschein­lichkeit kurz bevor stehen. Insofern wäre es Planern (oder Kommunen) durchaus anzuraten, sich recht­zeitig Rechtsrat einzu­holen. Denn ansonsten können Planungs­be­mü­hungen von Jahren am Ende an der Aufsichts­be­hörde scheitern – oder an Verkehrs­teil­nehmern, die gegen eine Regelung vor das Verwal­tungs­ge­richt ziehen. Das führt zu Frustra­tionen beim Personal und zu unschönen Löchern im Gemein­de­haushalt, obwohl doch, so der Plan, die Kosten für den Rechtsrat einge­spart werden sollten.

Radweg durch Parkanlage mit Zebrastreifen und Straßenbahn im Hintergrund

Dann gibt es noch die Pläne, die fachlich und rechtlich einwandfrei sind – aber dennoch in Akten­schränken oder im Reisswolf verschwinden. Auch hier wieder Frustra­tionen über Frustra­tionen. Aktuell ist dies der Fall in Berlin, wo eigentlich ein stern­för­miges System von Radschnell­wegen die Magis­tralen der Stadt vom Kfz-Verkehr entlasten sollte. Nun hat die CDU-geführte Regierung beschlossen, dass dies angesichts der Haushaltslage zu teuer würde. Ökono­misch ist das ein ähnlich sinnvoller Beschluss, wie bei eine Siedlung mit Wohnblocks für den sozialen Wohnungsbau, die bereits zur Hälfte steht wieder abzureißen, weil das Aufsetzen der Dächer zu teuer ist. Denn mal ehrlich, was ist der Bau eines Radwegs gegen die jahre­lange Planung eines Radwegs? Genau, die Spitze des Eisbergs. Sehr sichtbar für die Bürger dieser Stadt, aber im Vergleich zur Planung von den Kosten her zu vernachlässigen.

Insofern ein Apell an alle Politiker und alle Wähler, bitte unter­schätzt die Arbeit der Planenden nicht (und die Kosten die damit einher­gehen) und geht nicht leicht­fertig mit Plänen um, die mit Sorgfalt erstellt wurden. (Olaf Dilling)

2024-08-06T18:03:42+02:006. August 2024|Kommentar, Verkehr|

Angebote statt Verbote? Der neue Koali­ti­ons­vertrag in Berlin

Der neue Berliner Koali­ti­ons­vertrag „Das Beste für Berlin“ scheint zum Thema Mobilität größten­teils an die Arbeit von Rot-Grün anzuknüpfen, bietet an entschei­denden Punkten aber doch Spreng­stoff.  Grund­sätzlich soll es weiter gehen mit mehr Klima­schutz und nachhal­tigem Verkehr, Ausbau des öffent­lichen Verkehrs und Verbes­se­rungen für Fußgänger, insbe­sondere, was die Verkehrs­si­cherheit angeht. Aber an entschei­denden Stellen gibt es doch Unter­schiede. Diese betreffen zum einen die Program­matik: So taucht an verschie­denen Stellen im Text auf, es solle um ein Mitein­ander, nicht um ein Gegen­ein­ander im Verkehr gehen, um Angebote, nicht um Verbote. Das klingt ers einmal sehr liberal und tolerant, aber läuft letztlich darauf hinaus, dass bestehende Struk­turen und Privi­legien erhalten bleiben.

Das wird insbe­sondere an den Punkten deutlich, an denen es konkret wird, wenn etwa das Mobili­täts­gesetz daraufhin überprüft werden soll, ob die Mindest­breiten im Radver­kehrs­we­geplan erfor­derlich sind. Oder wenn Straßen­bahn­pla­nungen der M10 sowie die Verlän­gerung der M2 nach Blanken­burger Süden in Frage gestellt werden.

Hinter­grund des Streits um die Radweg­breite ist, dass neue Radwege in Berlin auf 2,30 m geplant werden, um ausrei­chend Platz auch zum Überholen von Lasten­rädern oder Spezi­al­fahr­rädern für behin­derte Menschen zu bieten. Im Bestand ist das oft nicht gegeben. Der Koali­ti­ons­vertrag sieht aber vor, für den Radverkehr primär den Bestand zu erneuern.

Was die Straßen­bahnen angeht geht es ebenfalls um einen Konflikt um Flächen­nutzung: Weil Kfz-Fahrspuren geopfert werden müssten, wird der Neuba von Straßen­bahnen in Frage gestellt.

Letztlich geht es in beiden Fällen nicht um ein echtes Mitein­ander, sondern der „Status Quo“ der Flächen­nutzung durch Kraft­fahr­zeuge soll verteidigt werden. Auch die Entge­gen­setzung von Angeboten und Verboten wird der Komple­xität von Verkehrs­planung nicht gerecht: Immerhin sind mit dem Ausbau der A100, der im 16. Bauab­schnitt auch weiter­ge­führt wird, auch viele Enteig­nungen und neue Verbote verbunden, selbst wenn für den Kraft­fahr­zeug­verkehr dadurch ein neues Angebot entsteht. (Olaf Dilling)

2023-04-04T08:40:13+02:004. April 2023|Kommentar, Verkehr|

Wo bleibt die Verkehrs­wende in der Ampel?

Als heute Nachmittag die Ergeb­nisse der Koali­ti­ons­ver­hand­lungen vorge­stellt wurden, gab es im Bereich Verkehr zunächst einmal eine große Überra­schung. Statt wie bisher angenommen, soll der neue Verkehrs­mi­nister von der FDP gestellt werden – und nicht wie bisher meist angenommen, von den Grünen. Insofern ist die Enttäu­schung bei Verfechtern der Verkehrs­wende groß.

Lichtzeichenanlage mit gelbem Licht

Letztlich entscheidet jedoch nicht das Verkehrs­ressort alleine über die Verkehrs­po­litik. Denn was die Grund­linien der Regie­rungs­po­litik angeht, werden diese bekanntlich nicht nur vom Fachmi­nister bestimmt. Vielmehr ist die Kanzlerin bzw. der Kanzler zuständig. Oder, wenn wie bei Klima­schutz im Verkehr die Politik­felder zweier Minis­terien betroffen sind, die Regierung als Kollegium. Nicht zuletzt gibt es den Koali­ti­ons­vertrag, um von vornherein das Handeln der einzelnen Minister in einen Regie­rungsplan einzu­binden. Daher lohnt, um das Potential für Maßnahmen der Verkehrs­wende zu prognos­ti­zieren, ein Blick in den heute vorge­stellten Koalitionsvertrag:

Dort findet sich einiges zur Antriebs­wende und zur Förderung der E‑Autos. Zugleich werden Verbrenner weiterhin geschont, wenn sie zumindest auch mit nachhal­tigen Treib­stoffen gefahren werden können. Hier hat sich die FDP mit ihren Vorstel­lungen von Techno­lo­gie­of­fenheit durch­setzen können. Ein generelles Tempo­limit wird es nicht geben.

Die Förderung der Bahn ist weiter Teil des Programms und die Priva­ti­sierung der Deutschen Bahn vom Tisch. Bis 2030 ist eine Elektri­fi­zierung von 75 % der Strecken vorge­sehen (bisher etwa 61 %).

Der Abschnitt zu Fahrrad- und Fußverkehr ist sehr kurz und recht unkonkret. Immerhin ist eine Fußver­kehrs­stra­tegie vorgesehen.

Die vielleicht hoffnungs­vollste Entwicklung für das Recht der Verkehrs­wende ist die Ankün­digung, dass die Gründe für Verkehrs­re­ge­lungen erweitert werden sollen. In Zukunft soll im Straßen­ver­kehrs­gesetz und Straßen­ver­kehrs­ordnung nicht bloß Ordnung und Sicherheit des Verkehrs als Gründe für Verkehrs­be­schrän­kungen gelten. Vielmehr sollen auch Ziele des Klima- und Umwelt­schutzes, der Gesundheit und der städte­bau­lichen Entwicklung berück­sichtigt werden. Dadurch sollen Länder und Kommunen größere Entschei­dungs­spiel­räume bekommen.

Metapho­risch gesprochen leuchtet die Ampel für die Verkehrs­wende nicht auf Dauergrün, besten­falls blinkt sie nun gelb. Mit anderen Worten, Länder und Kommunen bekommen mögli­cher­weise etwas größere Spiel­räume, fahren aber weiterhin auf eigene Initiative und Verant­wortung (Olaf Dilling).

2021-11-24T20:05:06+01:0024. November 2021|Allgemein, Umwelt, Verkehr|