Der lange Weg zur TA Abstand

Die Wege des Gesetz­gebers sind manchmal unergründlich: Einige Gesetze werden innerhalb von Tagen durch­ge­prügelt. Andere, nicht weniger relevante Regel­werke lassen dagegen auf sich warten. Diesmal sprechen wir aber nicht über das Gebäu­de­en­ergie-Gesetz (GEG) oder die TA Luft. Sondern über die TA Abstand.

Wir erinnern uns (und haben 2018 schon einmal den damaligen Stand erläutert): Der im Zuge der Umsetzung der Seveso III-Richt­linie (2012/18/EU) neu formu­lierte § 3 Abs. 5c BImSchG  definiert den „Abstand“ zwischen den poten­tiell gefähr­lichen Betriebs­be­reichen – z. B. einer explo­si­ons­ge­fähr­deten Fabrik – und den Schutz­ob­jekten – z. B. ein Flughafen – so kompli­ziert, dass die Praxis allein mit dieser Definition komplett überfordert sein dürfte:

Der angemessene Sicher­heits­ab­stand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebs­be­reich oder einer Anlage, die Betriebs­be­reich oder Bestandteil eines Betriebs­be­reichs ist, und einem benach­barten Schutz­objekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswir­kungen auf das benach­barte Schutz­objekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richt­linie 2012/18/EU hervor­ge­rufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicher­heits­ab­stand ist anhand störfall­spe­zi­fi­scher Faktoren zu ermitteln.“

Wie die Sache mit dem Abstand praktisch aussehen soll, sollte deswegen eine TA Abstand regeln, um die Abstands­er­lasse der Länder und den Leitfaden 18 der Kommission für Anlagen­si­cherheit (KAS) endlich zugunsten einer verbind­lichen und bundes­ein­heit­lichen Regelung abzulösen. Diese war eigentlich noch für 2019 geplant, verzögert sich aber mindestens bis ins erste Quartal 2020. Immerhin, einen ersten noch als ganz vorläufig gehan­delten Diskus­si­ons­entwurf aus dem Sommer gibt es bereits:

# Wo Abstände bereits per Bauleit­planung festgelegt wurden, bleibt es dabei. Das ist überzeugend, denn diese genießen Bestands­kraft. Dies soll aber auch für städte­bau­liche Entwick­lungs­kon­zepte gelten. Alle anderen Abstände müssen neu berechnet werden.

# Beim Kreis der Schutz­ob­jekte, der schon im Vorfeld heftig disku­tiert wurde, sind nun für viele Schutz­ob­jekte geson­derte Betrach­tungen vorge­sehen, die den gutach­ter­lichen Aufwand und die Rechts­un­si­cherheit steigern dürften.

# Es soll ein Mindest­ab­stand um Betriebs­be­reiche von 100 Metern und ein maximaler Abstand von 2.000 Metern gelten. Für bestimmte gewäs­ser­ge­wäh­rende Stoffe reicht ein Schutzkonzept.

# Nachdem im Vorfeld viel über pauschale Berech­nungs­me­thoden disku­tiert wurde, ist aktuell eine Gefah­ren­po­ten­zi­al­be­rechnung vorge­sehen. Dies soll auch für entste­hende Stoffe gelten, also solche Stoffe, die sich mindestens zu 10 % innerhalb von 30 Sekunden in andere Stoffe umwandeln.

Aktuell gibt es damit noch viel Diskus­si­ons­stoff, vor allem zum Umgang mit bereits berech­neten Abständen. Angekündigt ist ein fertiger Entwurf für das erste Quartal 2020 (Miriam Vollmer).

2020-01-09T23:18:22+01:009. Januar 2020|Immissionsschutzrecht, Industrie, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Auf dem Weg zur TA Abstand

Von gefähr­lichen Anlagen sollte man Abstand halten. Das sagt nicht nur der gesunde Menschen­ver­stand. Sondern auch (unter anderem) das Immis­si­ons­schutz­recht, das von einem angemes­senen Sicher­heits­ab­stand zwischen Störfall­an­lagen und beispiels­weise Wohnbe­bauung spricht. Doch wie sieht ein solcher Sicher­heits­ab­stand aus, der – so die Forderung des Gesetz­gebers – zur Begrenzung der Auswir­kungen von schweren Unfällen beiträgt? Immerhin hängt an diesem Sicher­heits­ab­stand ein Strauß weitrei­chender Folgen. 

Der im Zuge der Umsetzung der Seveso III-Richt­linie (2012/18/EUneu formu­lierte § 3 Abs. 5c BImSchG umschreibt diesen Abstand mit Worten, die alles andere als selbst­er­klärend sind, wenn es heißt:

Der angemessene Sicher­heits­ab­stand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebs­be­reich oder einer Anlage, die Betriebs­be­reich oder Bestandteil eines Betriebs­be­reichs ist, und einem benach­barten Schutz­objekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswir­kungen auf das benach­barte Schutz­objekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richt­linie 2012/18/EU hervor­ge­rufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicher­heits­ab­stand ist anhand störfall­spe­zi­fi­scher Faktoren zu ermitteln.“

Bereits dem Gesetz­geber war klar, dass diese Formu­lierung die einzelne Behörde überfordert. Um Rechts­si­cherheit für den Vollzug zu schaffen und zudem einen einheit­lichen Vollzug zu gewähr­leisten, schuf er deswegen mit § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BImSchG die Grundlage für eine neue Technische Anleitung Abstand (TA Abstand), die die in der Praxis genutzten Abstands­er­lasse der Länder und den Leitfaden 18 der Kommission für Anlagen­si­cherheit (KAS) ablösen und auf eine verbind­liche Basis stellen soll.

Über diesem neuen Regelwerk brütet derzeit eine Arbeits­gruppe des Bundes­um­welt­mi­nis­te­riums. Ein Entwurf liegt bisher noch nicht vor. Im vergan­genen September hat die Arbeits­gruppe immerhin ein Eckpunk­te­papier vorgelegt. Noch ist der Diskus­si­ons­stand hierzu sehr offen, etwa bezüglich der grund­sätz­lichen Eignung typisie­render Abstands­klassen, dem Schicksal älterer Abstands­gut­achten, dem Bestands­schutz generell, und der Frage, ob die AEGL-Werte durch direkte Verweisung wirklich dynamisch verbindlich sein sollen. Auch wird noch heftig disku­tiert, wie weit der Kreis der Schutz­ob­jekte definiert werden soll.

Bis Ende 2019 soll die neue TA Abstand stehen. Jedoch sind nicht einmal mehr zwei Jahre von heute an gerechnet ehrgeizig angesichts des Umstandes, dass hier ein ganz neues Regelwerk erlassen werden soll, insbe­sondere vor dem Hinter­grund der aktuellen politi­schen Unsicher­heiten. Für Vorha­ben­träger, sowohl als Betreiber von Störfall­an­lagen als auch für Bauherren im Umkreis von solchen Anlagen, ist dies keine beruhi­gende Perspektive.

2018-02-19T16:05:50+01:0019. Februar 2018|Allgemein, Industrie, Umwelt|