Großbrand in Berlin-Lichterfelde

Lichter­felde-West im Berliner Südwesten besticht für gewöhnlich durch die histo­rische Villen­ko­lonie und durch alten Baumbe­stand. Abseits und südlich davon, am sog. „Stich­kanal“ liegt jedoch auch ein Gewer­be­gebiet in dem es u.a. einen Baumarkt und einen großen Lebens­mit­tel­markt gibt. Seit Freitag­vor­mittag brennt es in der Straße „Am Stich­kanal“ in einer Firma für Metall­technik. Hierbei kam es zu einer gefähr­lichen Rauch­gas­ent­wicklung. Die dunkle Rauch­säule breitete sich weit Richtung Norden aus.

In dem mehrstö­ckigen Gebäude – das mittler­weile weitgehend einge­stürzt sein soll – lagerten laut Feuerwehr Chemi­kalien, darunter Kupfer­cyanid und Schwe­fel­säure. Es bestand zudem die Gefahr, dass sich giftige Blausäure bilden könnte. In verschie­denen Quellen (und auch in der offizi­ellen Warnmeldung) heißt es, dass es sich um einen Brand in einem Störfall­be­trieb handelte. Hinter­grund ist, dass demnach gefähr­liche Stoffe des Anhangs I der Störfall­ver­ordnung (12. BImSchV) in bestimmten Mengen vorhanden waren.

Abhängig von den Mengen handelt es sich um einen Betriebs­be­reich der unteren oder sogar der oberen Klasse. Für Betriebs­be­reiche der unteren Klasse müssen die erfor­der­lichen Vorkeh­rungen getroffen werden, um das Auftreten von Störfällen zu verhindern bzw. die Auswir­kungen so gering wie möglich zu halten. Weitere Pflichten, die für alle Betriebs­be­reiche gelten, sind die Erstellung eines Konzeptes zur Verhin­derung von Störfällen die Einführung eines Sicher­heits­ma­nage­ment­systems zur Umsetzung des Konzeptes. Zudem ist auch die Öffent­lichkeit zu infor­mieren. Für Betriebs­be­reiche der oberen Klasse gelten erwei­terte Pflichten. So ist u.a. ein Sicher­heits­be­richt und ein interner Alarm- und Gefah­ren­ab­wehrplan zu erstellen.

Zwar lässt sich nicht jedes Risiko immer ausschließen. Ausweislich der Brand­ent­wicklung spricht derzeit einiges dafür, dass der hier der Brand­schutz vermutlich an mehreren Stellen versagt hat. Grund­sätzlich wäre (gerade auch mit Blick auf angren­zende Nutzungen) ein umfas­sendes Brand­schutz­konzept zu erwarten gewesen, durch das Brände vermieden, durch bauliche Maßnahmen an der Ausbreitung gehindert und durch das Auffangen des Lösch­mittels Folge­schäden verhütet werden. Erkennbar ist jedoch, dass es der Feuerwehr gelungen scheint, eine Ausbreitung auf andere Betriebe und weitere Nutzungen zu verhindern. Ein gefürch­teter Domino-Effekt hat sich damit vorerst nicht einge­stellt. Funktio­niert haben auch die verschie­denen Katastro­phenwarn-Apps, die schnell auf das Feuer hinwiesen und in den betrof­fenen Berliner Bezirken dringend dazu aufriefen, Fenster und Türen geschlossen zu halten und Lüftungen und Klima­an­lagen abzuschalten. (Dirk Buchsteiner)

2024-05-04T01:54:06+02:003. Mai 2024|Allgemein, Immissionsschutzrecht, Umwelt|

Auf dem Weg zur TA Abstand

Von gefähr­lichen Anlagen sollte man Abstand halten. Das sagt nicht nur der gesunde Menschen­ver­stand. Sondern auch (unter anderem) das Immis­si­ons­schutz­recht, das von einem angemes­senen Sicher­heits­ab­stand zwischen Störfall­an­lagen und beispiels­weise Wohnbe­bauung spricht. Doch wie sieht ein solcher Sicher­heits­ab­stand aus, der – so die Forderung des Gesetz­gebers – zur Begrenzung der Auswir­kungen von schweren Unfällen beiträgt? Immerhin hängt an diesem Sicher­heits­ab­stand ein Strauß weitrei­chender Folgen. 

Der im Zuge der Umsetzung der Seveso III-Richt­linie (2012/18/EUneu formu­lierte § 3 Abs. 5c BImSchG umschreibt diesen Abstand mit Worten, die alles andere als selbst­er­klärend sind, wenn es heißt:

Der angemessene Sicher­heits­ab­stand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebs­be­reich oder einer Anlage, die Betriebs­be­reich oder Bestandteil eines Betriebs­be­reichs ist, und einem benach­barten Schutz­objekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswir­kungen auf das benach­barte Schutz­objekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richt­linie 2012/18/EU hervor­ge­rufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicher­heits­ab­stand ist anhand störfall­spe­zi­fi­scher Faktoren zu ermitteln.“

Bereits dem Gesetz­geber war klar, dass diese Formu­lierung die einzelne Behörde überfordert. Um Rechts­si­cherheit für den Vollzug zu schaffen und zudem einen einheit­lichen Vollzug zu gewähr­leisten, schuf er deswegen mit § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BImSchG die Grundlage für eine neue Technische Anleitung Abstand (TA Abstand), die die in der Praxis genutzten Abstands­er­lasse der Länder und den Leitfaden 18 der Kommission für Anlagen­si­cherheit (KAS) ablösen und auf eine verbind­liche Basis stellen soll.

Über diesem neuen Regelwerk brütet derzeit eine Arbeits­gruppe des Bundes­um­welt­mi­nis­te­riums. Ein Entwurf liegt bisher noch nicht vor. Im vergan­genen September hat die Arbeits­gruppe immerhin ein Eckpunk­te­papier vorgelegt. Noch ist der Diskus­si­ons­stand hierzu sehr offen, etwa bezüglich der grund­sätz­lichen Eignung typisie­render Abstands­klassen, dem Schicksal älterer Abstands­gut­achten, dem Bestands­schutz generell, und der Frage, ob die AEGL-Werte durch direkte Verweisung wirklich dynamisch verbindlich sein sollen. Auch wird noch heftig disku­tiert, wie weit der Kreis der Schutz­ob­jekte definiert werden soll.

Bis Ende 2019 soll die neue TA Abstand stehen. Jedoch sind nicht einmal mehr zwei Jahre von heute an gerechnet ehrgeizig angesichts des Umstandes, dass hier ein ganz neues Regelwerk erlassen werden soll, insbe­sondere vor dem Hinter­grund der aktuellen politi­schen Unsicher­heiten. Für Vorha­ben­träger, sowohl als Betreiber von Störfall­an­lagen als auch für Bauherren im Umkreis von solchen Anlagen, ist dies keine beruhi­gende Perspektive.

2018-02-19T16:05:50+01:0019. Februar 2018|Allgemein, Industrie, Umwelt|