Regelungslücken beim Energiediscounter?
Der aktuelle Spiegel berichtet über den Verdacht, bei Stromio und Gas.de könnte es sich anders verhalten als bei anderen Discountern, die ihre Lieferverpflichtungen schlicht nicht mehr erfüllen konnten: Im Raum steht der Verdacht, den verbundenen Unternehmen seien keineswegs die Mittel ausgegangen, die den Kunden geschuldete Energie beim Vorlieferanten zu bezahlen. Vielmehr würde aktuell die Bundesnetzagentur (BNetzA) ermitteln, ob die eigentlich für die Erfüllung der laufenden Energielieferverträge beschaffte Energie an Großhändler weiterverkauft worden sei, weil die aktuell am Großhandelsmarkt zu erlösenden Preise so hoch sind, dass sie die den Kunden garantierten Preise deutlich übersteigen. Stromio hätte sich also wie der Vermieter eines Ferienhauses verhalten, der zwar Familie Maier das Haus am Meer für 500 EUR für vier Wochen vermietet hätte, dann aber die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen hätte, Familie Schmidt für das Ferienhaus 800 EUR abzunehmen und den Maiers unter einem Vorwand abzusagen.
Zivilrechtlich dürfte die Sache nicht überkomplex sein: Stromio und Gas.de hatten laufende Verträge, die sie gekündigt haben, obwohl kein Kündigungsrecht bestand (zu einem solchen Fall auch hier). Die Kündigungen sind also vermutlich zum weit überwiegenden Teil unwirksam, es sei denn, ausnahmsweise gibt die Vertragslage etwas anderes her. Da aber – teilweise sogar vor der Kündigung – die Belieferung eingestellt wurde, werden die Kunden seitdem vom Ersatzversorger beliefert. Die Ersatzversorgung ist teurer als der Produktpreis, zu dem Stromio bzw. Gas.de zu liefern verpflichtet war. Damit entsteht den Kunden ein Schaden, den Stromio und Gas.de ersetzen müssen. Doch zum einen macht diesen Schaden längst nicht jeder Kunde geltend. Und zum anderen ist die Ersatzversorgung in aller Regel trotz der hohen Bezugskosten nicht so teuer, dass der Schadensersatz den Gewinn durch Verkauf an Dritte übersteigen dürfte. Mit anderen Worten: Wenn es denn so sein sollte, lohnt es sich vermutlich.
Nicht nur für die Betroffenen wäre das unbefriedigend. Entsprechend wird teilweise diskutiert, ob denn wirklich keine strafrechtliche Verurteilung in Frage kommt. Ob es sich – verdichtet sich der Verdacht – möglicherweise um einen Eingehungsbetrug handeln könnte? Doch diese spezielle Form des Betrugs setzt voraus, dass schon bei Vertragsabschluss bereits keine Erfüllungsbereitschaft bestand. Dem dürfte, bestätigen sich die im Raum stehenden Vorwürfe, aber erkennbar nicht so sein, denn bei Abschluss der Verträge irgendwann in der Vergangenheit bestand die Absicht, Strom zu liefern ganz bestimmt. Abstrakt ist es aber gerade nicht strafbar, Verträge nicht zu erfüllen. Zumindest auf den ersten Blick also kein Fall für die Staatsanwaltschaft.
Entsprechend ist es nicht erstaunlich, dass die Politik nun ankündigt, aktiv zu werden. Doch den ersten Ankündigungen des Bundeswirtschaftsministers ist wenig Konkretes zu entnehmen. Insofern: Es bleibt spannend (Miriam Vollmer).