Schwere Geburt: Verordnung über die Wieder­her­stellung der Natur

Natur­schutz ist nach Europäi­schem Recht bisher vor allem Schutz vor Eingriffen in Lebens­räume oder Schutz vor Störung und Tötung geschützter Arten. Diese Ansätze werden beispiels­weise mit den Vogel­schutz- und der Flora-Fauna-Habitat-Richt­linien verfolgt. Angesichts der Tatsache, dass 81% der natür­lichen Habitate in schlechtem Zustand sind, sollte eigentlich noch eine andere Kompo­nente dazukommen, nämlich die Wieder­her­stellung von Natur.

Ein Kommis­si­ons­entwurf zur Verordnung über die Wieder­her­stellung der Natur ist im Juni vor dem Europäi­schen Parlament gescheitert, nachdem die Umwelt­mi­nister der Mitglieds­staaten bereits für eine entschärfte Fassung gestimmt hatten. Diese Woche soll im Europäi­schen Parlament erneut ein Kompromiss verhandelt werden.

Der Entwurf beinhaltete, dass bis 2030 auf 20% der Meeres- und Landflächen aller Mitglied­staaten Biotope renatu­riert werden sollen. Bis 2050 sollen sogar hinsichtlich aller renatu­rie­rungs­be­dürf­tigen Ökosysteme Maßnahmen zur Renatu­rierung ergriffen werden. Für weitere Landnut­zungen gibt es detail­lierte Vorgaben, etwa dass 10% der landwirt­schaft­lichen Nutzflächen aus Biotopen bestehen sollen.

Die Verordnung soll nicht nur dem Schutz der Biodi­ver­sität, sondern auch dem Klima­schutz und der Klima­an­passung Rechnung tragen. Denn viele Biotope, wie Wälder oder Moore binden Kohlen­stoff oder speichern Wasser. Auch für die Natur in Städten in Form von Grünflächen gibt es entspre­chende Ziele.

Am Mittwoch wird nun final vom EU-Parlament über die Verordnung abgestimmt. (Olaf Dilling)

2023-07-10T19:25:12+02:0010. Juli 2023|Allgemein, Naturschutz, Umwelt|

Renatu­rierung und Wasserrecht

Die Redewendung vom „Wasser abgraben“ zeugt davon, dass Eingriffe in Ökosysteme, auch wenn sie auf privatem Grund vorge­nommen werden, häufig auch in Rechte Dritter einge­g­reifen. Grade in der Wasser­wirt­schaft können lokale Änderungen weitrei­chende Auswir­kungen haben. Das ist bei Staudämmen zur Regulierung großer Flüsse wie dem Nil oder dem Yangtze offen­sichtlich. Aber heute kommt unser Beispiel von der Müggelspree.

An der Müggel­spree wurden Mitte der 2000er Jahre einige Altwässer wieder reakti­viert. Das hatte unter­schied­liche Gründe. Unter anderem war durch Aufgabe einiger Braun­koh­le­ta­gebaue seit 1989 weniger sogenanntes Sumpfungs­wasser in die Spree einge­leitet worden, so dass der Wasser­stand besonders bei Niedrig­wasser gesunken war. Zum anderen hatte die Fluss­be­gra­digung dazu geführt, dass sich der Fluss tiefer einge­graben hat. Auch der Grund­was­ser­spiegel war daher abgesunken. Das wirkt sich sowohl auf natür­liche Ökosysteme als auch auf die Verfüg­barkeit von Wasser für die Landwirt­schaft aus.

Die Öffnung der Altwässer sollte dem entgegen wirken. Denn der Fluss läuft nun  auch wieder im alten Bett, was zu einer Verlang­samung des Abflusses führt. Dafür wurden hinter den Durch­stich­stellen in den begra­digten Fluss­ab­schnitten sogenannte Solschwellen, also Hinder­nisse im Flussbett eingebaut. Dadurch wird der Wasser­stand gering­fügig erhöht und das Wasser bei niedrigen Wasser­ständen in die Altwässer umgeleitet. Bei mittleren Wasser­ständen kann das Wasser jedoch zusätzlich auch durch die begra­digten Fluss­ab­schnitte fließen.

Eigentlich dürfte daraus für den Natur­schutz, für das Grund­wasser aber auch für die benach­barten Landwirte eine erheb­liche Verbes­serung resul­tieren. Denn niedrige Wasser­stände werden bei Trockenheit durch die Solschwellen und die verlang­samte Fließ­ge­schwin­digkeit durch die Mäander erhöht. Dies ist gerade angesichts der klima­ti­schen Verän­de­rungen mit Trocken­pe­rioden sinnvoll. Denn durch die Maßnahme erhöht sich auch der Grund­was­ser­spiegel. Dagegen wird der Abfluss bei hohen Wasser­ständen nicht behindert. Im Gegenteil kann das Wasser nunmehr sowohl durch die Altwasser als auch durch die begra­digten Abschnitte fließen.

Dennoch kam es nach der Renatu­rierung zu Beschwerden und sogar zu einer Klage vor dem Verwal­tungs­ge­richt Frankfurt (Oder). Ein Landwirt mit angren­zenden Weide­flächen und Feldern war der Auffassung, dass die Renatu­rierung Hochwasser auf seinen Grund­stücken verur­sacht habe. Zudem habe die Behörden bei der Umgestaltung versäumt, gemäß § 68 WHG ein Planfest­stel­lungs­ver­fahren durch­zu­führen. Das Verwal­tungs­ge­richt Frankfurt (Oder) wies die Klage ab.

Denn zum einen waren die Flächen ohnehin als Überschwem­mungs­gebiet ausge­wiesen, so dass es schon zuvor regel­mäßig zu Überflu­tungen gekommen war. So waren die vom Kläger beanstan­deten Ereig­nisse auf den Eisgang im März zurück­zu­führen. Die Behörden hätten zwar auf rechts­widrige Weise ein Planfest­stel­lungs­ver­fahren unter­lassen. Dies wäre bei der Umwandlung eines Still­ge­wässers in ein Fließ­ge­wässer durch den Anschluss der Altarme der Müggel­spree an den „Haupt­fluss“ erfor­derlich gewesen, durch den sie ein substan­tiell wesentlich anderes Gepräge erhalten hätten. Aller­dings sei dadurch nicht nachweisbar in Rechte des Klägers einge­griffen worden (Olaf Dilling).

2021-05-26T09:21:50+02:0026. Mai 2021|Naturschutz, Umwelt, Verwaltungsrecht|