Streit um Quecksilber
In doch eher seltener Einmütigkeit wendet sich eine Reihe von Verbänden gegen ein Arbeitspapier des Bundesumweltministeriums zur Änderung der 13. Bundes-Imissionsschutzverordnung (13. BImSchV), die vor allem Schadstoffgrenzwerte für Großfeuerungsanlagen enthält. Das Papier unterlaufe durch überambitionierte Grenzwertvorschläge für Quecksilber die Beschlüsse der Kohlekommission.Was ist passiert?
Die 2010 erlassene Industrie-Emissionsrichtlinie (IED) sieht vor, dass alle acht Jahre neue Grenzwerte für die von der IED erfassten Anlagen gemeinschaftsweit erlassen werden. Diese sollen dann innerhalb von vier Jahren von allen Großfeuerungsanlagen in Europa eingehalten werden. Dieses ehrgeizige Programm wird durch engmaschige Berichtspflichten flankiert.Für die Großfeuerungsanlagen, also Anlagen mit mindestens 50 MW Feuerungswärmeleistung, ist 2017 das so genannte LCP–BREF in Kraft getreten. In den verbindlichen Schlussfolgerungen dieses Beschlusses sind Bandbreiten vorgesehen, die von Europas großen Anlagen bis nunmehr 2021 einzuhalten sind. Hieraus resultiert: die 13. BImSchV muss dringend über arbeitet werden.
Bei der Frage, wo innerhalb der gemeinschaftsweit geltenden Bandbreiten nun die Bundesrepublik ihren Grenzwert findet, hat das federführende BMU gewisse Spielräume. Es hängt also von einer politischen Entscheidung in Deutschland ab, wie anspruchsvoll die Werte ausfallen, und damit: Ob und wer unter den deutschen Kraftwerksbetreiber seine Anlage unter teilweise erheblichem finanziellen Aufwand nachrüsten oder gar ganz abschalten muss.
Im Hinblick auf Quecksilber hat das Umweltministerium sich für eine harte Gangart entschieden. Dies wird nun von Seiten der Verbände kritisiert: Die vorgesehenen Grenzwerte seien so anspruchsvoll, dass die Anlagen sie selbst mit Nachrüstungen nicht mehr stemmen könnten. Sie würden ihre Genehmigungen verlieren und müssten stillgelegt werden. Auf diese Weise, so der Verdacht, würde das Umweltministerium versuchen, die aus Sicht der beamteten Umweltschützer unzureichenden Ergebnisse der Kohlekommission auf eigene Faust und weit über den erzielten Konsens hinaus nachzubessern. Ein solcher Kohleausstieg durch die kalte Küche sei von den Beschlüssen der Kohlekommission nicht gedeckt, die den Ausstieg nicht 2021, sondern gestreckt bis 2038 vorgesehen hat.
Bei Gericht käme man mit diesem Argument kaum weiter. Die Kohlekommission konnte schon keine verbindlichen Beschlüsse fassen, sondern politische Entscheidungen durch Bundestag und Bundesrat nur vorbereiten. Ihr Beschluss ist also nicht verbindlich. Überdies beschäftigte sich die Kohlekommission mit dem Kohleausstieg unter dem Aspekt des Klimaschutzes. Der Schutz vor Schadstoffen, der im BImSchG und seinen Verordnungen geregelt ist, ist eine andere, keineswegs explizit oder auch nur diffus mitgeregelte Materie. Es gibt also keine implizite Garantie, alle deutschen Kohlekraftwerke bis spätestens 2038 betreiben zu dürfen, völlig egal, was genau aus ihrem Schornstein kommt.
Politisch ist der Verweis auf die Kohlekommission aber zumindest teilweise durchaus valide. Werden Beschlüsse, die wie die der Kohlekommission in einem breiten, gesellschaftlichen Konsens gefällt werden, auf diese Weise unmittelbar und bei nächster sich bietender Gelegenheit wieder infrage gestellt, schwächt man solche Möglichkeiten der gesellschaftlichen Partizipation möglicherweise nachhaltig. Damit nimmt die Bundesrepublik sich für die Zukunft unter Umständen ein Instrument, besonders umstrittene Fragestellungen unter Einbeziehung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen befriedigend und dauerhaft aufzulösen.