Streiks und Staus in Berlin und Toronto
Wenn, wie in den letzten Tagen, mal wieder ein Streik bei Bussen und Bahnen angekündigt wird, mögen manche sich glücklich über ein eigenes Fahrzeug schätzen. Vermutlich wohnen die dann aber nicht in Berlin. Hier führt Streik beim ÖPNV regelmäßig auch zu Stau: Ein klares Zeichen, dass die parallelen öffentlichen Infrastrukturen von Schiene und Straße zusammenhängen wie kommunizierende Röhren.
Leider werden diese Zeichen in Verkehrspolitik und Verkehrsrecht häufig übersehen. Statt den Ausbau eines Netzes von Fahrradwegen, Straßenbahnen oder Busspuren voranzutreiben, kam nach dem Regierungswechsel zur großen Koalition in Berlin jeder bereits geplante einzelne Kilometer Fahrradweg wieder auf den Prüfstand. Vor allem sollten keine Parkplätze wegfallen. Der Straßenbahnbau soll zwar in Friedrichshain und Mitte grundsätzlich weitergehen, aber die Verkehrssenatorin will sich nicht auf Termine zur Fertigstellung festlegen. Was die Busspuren angeht, ist letztes Jahr eine in der Clay-Allee vom Verwaltungsgericht kassiert worden, weil die Linienbusse dort nicht oft genug pro Stunde fuhren.
Wahrscheinlich wäre die effektivste Stauprävention ein gut vernetzter und zuverlässiger Umweltverbund, also die Kombination aus Fuß‑, Fahrrad‑, Bus- und Bahninfrastruktur, mit ausreichend Redundanzen, um Ausfälle aufzufangen. Dass dies tatsächlich wirkt, kann man bei Auslandsaufenthalten in Städten sehen, in denen es diese Alternative zum Kfz-Verkehr nicht gibt.
Zum Beispiel Toronto in Kanada, wo selbst nach Mitternacht noch Stau auf innenstädtischen Straßen zu beobachten ist. Da es im Prinzip nur eine Regionalbahn- und eine U‑Bahnlinie und ansonsten Busse und Straßenbahnen gibt, die sich die Fahrbahn mit Kfz teilen, wirkt sich der Stau des Kfz-Verkehrs auch auf den ÖPNV aus: Auch die Straßenbahn steht einträchtig mit im Stau. Auch ein Beispiel für „Miteinander im Verkehr“…
Der Fußverkehr ist dann eine Alternative, allerdings keine besonders attraktive, denn er ist buchstäblich in den Untergrund verlegt worden: Die Innenstadt ist unterminiert von einem labyrinthischen Netzwerk von insgesamt mehr als 30 km Unterführungen, unterirdischen Food-Malls und Einkaufszentren, dem sogenannten PATH. Immerhin muss man dort nicht an jeder Ampel mehrere Minuten auf Grün warten. Daher sind die Fußgängertunnel und ‑hallen unter Toronto nicht nur bei Regen oder Schneesturm belebt. Das bringt immerhin Umsatz für die darüber liegenden Kaufhäuser, die ihre Angebote daher weitgehend in den Keller verlegt haben. (Olaf Dilling)