Abfall­recht: Von Pferde­äpfeln und Amtsschimmeln

Nicht­ju­risten in einem Lehrgang für Unter­neh­mens­be­auf­tragte das Abfall­recht nahezu­bringen, ist schon eine Aufgabe. Nichts geht dabei über Fälle, die mitunter von einer geradezu drasti­schen Anschau­lichkeit sind. So zum Beispiel der Pferde­apfel-Fall, der von der Bayri­schen Staats­kanzlei den ebenso markigen wie einleuch­tenden redak­tio­nellen Leitsatz verpasst bekommen hat: „Wird Pferdemist über mehrere Jahre an einer steilen Böschung eines bewal­deten Grund­stücks abgekippt, spricht dies gegen eine Wieder­ver­wer­tungs­ab­sicht.“ Vermutlich hilft der Fall dabei, den Teilnehmern des Lehrgangs, den subjek­tiven Abfall­be­griff und – damit zusam­men­hängend – die Feinheiten des Entle­di­gungs­willens nahezubringen.

Wiehernder Schimmel

In dem ursprünglich vom Verwal­tungs­ge­richt Bayreuth entschie­denen Fall ging es um Inhaber eines Reitstalls, die auf ihrem eigenen Waldgrund­stück an einer Böschung jahrelang große Mengen an Pferdemist entsorgt hatten. Die zuständige Behörde hatte es als eine illegale Ablagerung von Abfall angesehen, dagegen meinte die Inhaberin des Reitstalls, dass es der Dung ein Natur­produkt sei, der Haufen größten­teils kompos­tiert und bereits mit Kartoffeln bepflanzt.

Die Sache mit den Pferde­äpfeln ging nach Berufung der erstin­stanzlich unter­le­genen Klägerin sogar vor den Bayri­schen Verwal­tungs­ge­richtshof (VGH). Leider konnte die rechtlich eigentlich inter­es­sante Frage nicht geklärt werden. Denn darauf hatte sich die Berufung nicht bezogen, so dass der VGH sie nicht prüfen konnte. Laut § 2 Abs. 2 Nr. 2 Kreis­lauf­wirt­schafts­gesetz (KrWG) sind tierische Neben­pro­dukte und laut Nr. 5 sind Fäkalien vom Geltungs­be­reich des Kreis­lauf­wirt­schafts­rechts (das weiterhin landläufig als Abfall­recht bekannt ist) ausge­nommen. Der Klägerin wäre ein Anwalt zu wünschen gewesen, der die Berufung auf dieje­nigen Frage bezieht, auf die es ankommt (Olaf Dilling).

2022-06-23T22:46:45+02:0023. Juni 2022|Umwelt|

Entwäs­se­rungs­graben unter Naturschutz

Recht­liche Regelungen können für unter­schied­lichste Inter­essen nutzbar gemacht werden. Gerade aus Anwalts­per­spektive ist das wichtig. Denn Normen sind ein bisschen wie Werkzeuge, die erst dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie jemand für seine spezi­fi­schen Zwecke einsetzt. Was wie Zweck­ent­fremdung klingt, hat aber auch eine rechts­staat­liche Kompo­nente. Denn Gesetze haben allge­meine Geltung und können gerade deswegen nur begrenzt für bestimmte privi­le­gierte Inter­essen reser­viert werden: Sie sind dafür einfach zu vielseitig anwendbar. Aber manchmal ist dann aber doch der Bogen überspannt.

Ein Beispiel aus dem Wasser- und Natur­schutz­recht: Grund­sätzlich gibt es für Oberflä­chen­ge­wässer aufgrund der Wasser­rah­men­richt­linie ein Verschlech­te­rungs­verbot. So darf der ökolo­gische Zustand eines Gewässers sich nicht durch Eingriffe verschlechtern. Das ist beispiels­weise der Fall, wenn ein Fluss angestaut wird und nicht dafür gesorgt wird, dass Wander­fische weiter in den Oberlauf kommen, etwa durch den Bau einer Fisch­treppe. Denn dadurch wird die Durch­gän­gigkeit des Flusses beeinträchtigt.

Als wir neulich Post von einem Wasser- und Boden­verband bekamen, staunten wir nicht schlecht, in welchem Zusam­menhang wir das Verschlech­te­rungs­verbot wieder­fanden. Denn wir hatten im Zusam­menhang mit der Renatu­rierung eines Feucht­ge­biets bei dem Verband die Hebung des Wasser­standes eines Entwäs­se­rungs­grabens beantragt. Dies sei nicht möglich, so die Antwort des Verbands. Denn bisher befänden sich in dem Graben keine Vorrich­tungen zum Anstauen des Wassers. Und einen Stau zu bauen, sei wegen des Verschlech­te­rungs­gebots EU-rechtlich verboten.

Bekanntlich werden die  Wasser- und Boden­ver­bände in Deutschland von Landwirten dominiert. Sie legen bisher großen Wert auf Entwäs­serung, weniger auf Wasser­ma­nagement oder gar Renatu­rierung. Erwartet hatten wir daher als Antwort eigentlich sinngemäß, dass seit nunmehr Hunderten von Jahren Moore entwässert würden. Dass es den umlie­genden landwirt­schaft­lichen Betreiben schaden könnte, den Wasser­stand zu heben.

Aber tatsächlich lässt sich ein Entwäs­se­rungs­graben nicht so leicht unter Natur­schutz stellen. Denn ein Graben ist ein von Menschen geschaf­fenes Gewässer, für das die Wasser­rah­men­richt­linie zur einge­schränkt gilt. Zudem gibt es in einem Hochmoor­graben gar keine Fische, weil das Wasser dafür viel zu humin­säu­re­haltig ist. Nun, einen Versuch war es wert. Manchmal wird dann aber doch deutlich, dass sich das Recht nicht für jeden belie­bigen Zweck einspannen lässt (Olaf Dilling).

2021-09-08T00:18:58+02:008. September 2021|Naturschutz, Wasser|

Klima­wandel, Moorre­natu­rierung und Wasser­recht (I)

Moor in der Eifel bei Sonnenaufgang

Es sitzt tief in den Köpfen. In weiten Teilen Norddeutsch­lands geht es seit Jahrhun­derten darum, den Boden zu entwässern. Insbe­sondere die Moorböden wurden anfangs in mühsamer Handarbeit durch Torfabbau, Düngung und Drainage urbar gemacht. Die einst landschafts­prä­genden Moore, die in großen Mengen Regen­wasser gespei­chert haben und übers Jahr konti­nu­ierlich abgegeben oder verdunstet haben, wurden größten­teils zerstört.

Aus verschie­denen Gründen muss nun umgedacht werden:

*Als Klima­trend zeichnet sich ab, dass die Landwirt­schaft zunehmend mit Dürre während der Vegeta­ti­ons­pe­riode nur unter­brochen von oberflächlich abflie­ßendem Stark­regen rechnen muss: Moore als Wasser­speicher könnten beidem entgegenwirken;

*Die vielerorts erhalten geblie­benen organi­schen Moorböden zersetzen sich aufgrund der Drainage und der Trockenheit, wodurch große Mengen CO2 freiwerden. Trotz der vergleich­weise geringen Flächen macht dies einen Großteil der landwirt­schaft­lichen Emissionen aus;

*Moore sind wichtig für die Biodi­ver­sität: Durch die Austrocknung der Moore gehen z.B. die Bestände an Wiesen­vögeln stark zurück.

Eine zentrale Stell­schraube dafür ist, die Grund­was­ser­stände im großen Stil zu heben. Denn Moorschutz funktio­niert in den seltensten Fällen klein­räumig. Wenn irgendwo die Kernzone eines Moors geschützt ist, verhindert das auf Dauer meist nicht seine Zerstörung. Denn es gibt in Deutschland fast keine Moore mehr, durch die kein Graben gezogen wurde. Und hydro­lo­gisch hängt ein Moor zusammen, so dass ein Graben oft reicht, um das Moor sozusagen „ausbluten zu lassen“. Dies ist besonders kennzeichnend für Hochmoore, die über dem Grund­was­ser­spiegel eine Art Regen­was­ser­blase bilden. Ist diese Blase durch Drainage angestochen, läuft sie langsam, aber sicher aus.

Zentrale Rahmen­be­din­gungen sind neben Agrar­zu­schüssen auch die recht­lichen Regeln über das Wasser­ma­nagement in der Fläche. Diese werden wir in den nächsten Tagen in einem weiteren Beitrag zu dem Thema anhand einer Gerichts­ent­scheidung darstellen (Olaf Dilling).

 

2021-06-23T17:12:19+02:0021. Juni 2021|Naturschutz, Umwelt, Wasser|