Verkehrs­recht: Der Radweg an der Vorfahrtstraße

Einer der ehernen Grund­sätze des deutschen Verkehrs­rechts ist die Präferenz- und Privi­le­gi­en­feind­lichkeit. Das heißt, dass alle Verkehrs­teil­nehmer bei erlaubter Verkehrs­teil­nahme grund­sätzlich gleich­rangig zu behandeln sind.

Dass in vielen Köpfen die Auffassung, dass der motori­sierte Indivi­du­al­verkehr grund­sätzlich Vorrang haben sollte, dennoch tief verankert ist, ist kein Geheimnis. Selten tritt das aber so offen zutage wie in der Klage einer Autofah­rerin, die beim Einbiegen von einem Feldweg auf eine Landstraße einen Fahrrad­fahrer auf dem benut­zungs­pflich­tigen Radweg nicht beachtet hatte. Der Fahrrad­fahrer war mit dem Kfz zusam­men­ge­stoßen und hatte es dabei beschädigt.

Paar auf Fahrrädern im Sonnenuntergang

Daraufhin klagte die Autofah­rerin vor dem Landge­richt Frankenthal u.a. mit der Begründung, dass es sich bei dem Fahrradweg um einen von der Landstraße getrennten Weg handeln würde. Die Zugehö­rigkeit des Radweges zu der Landstraße sei durch dessen Beschaf­fenheit und Verlauf nicht erkennbar gewesen. Tatsächlich ist der Weg durch eine schmale bewachsene Fläche von der Straße getrennt. Das Gericht entschied, dass der Fahrradweg am Vorfahrts­recht der Landstraße teilhabe. Denn er würde parallel zur Landstraße verlaufen und gehöre als „fahrbahn­be­glei­tender“ Radweg zur Straße dazu.

Im Kern ist das eine rechtlich eher triviale Entscheidung. Für die Planung von Radwegen gibt es jedoch einen inter­es­santen Aspekt: Das Gericht weist darauf hin, dass auch die Tatsache, dass ein Radweg anderenorts von der vorfahrts­be­rech­tigten Straße wegge­leitet wird, keine andere Einschätzung recht­fer­tigen könne. Entscheidend sei, wie der Bezug des Fahrradwegs zur Landstraße am Unfallort sei. Daraus ergibt sich im Umkehr­schluss, dass durchaus Konstel­la­tionen denkbar sind, bei denen die räumlich Zuordnung eines Radwegs zur Straße unklar wird. Dass die Getrennt­führung von Straße und Radweg recht­liche Konse­quenzen nicht nur für das Vorfahrts­recht, sondern auch die Benut­zungs­pflicht des Fahrradwegs haben kann, sollte bei der Planung von Radwegen bedacht werden. (Olaf Dilling)

2023-06-02T18:08:43+02:001. Juni 2023|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Der halb abgebaute Pop-up Radweg

Seit Beginn der Pandemie sind in deutschen Städten einige Pop-up-Radwege und teils auch dauer­hafte geschützte Radfahr­streifen einge­richtet worden. Nicht immer ging das ohne Konflikte ab. Die meisten Klagen von Autofahrern oder Gewerbe blieben aber letzt­endlich ohne durch­schla­genden Erfolg.

Anders in Düsseldorf. Dort war in einem Gewer­be­gebiet ein geschützter Radfahr­streifen ausge­wiesen worden. Einge­richtet wurde er an der Straße Am Trippelsberg und sollte durch aufge­schraubte Trenn­ele­mente vor dem Überfahren durch motori­sierten Verkehr geschützt werden. Ein ortsan­säs­siger Indus­trie­be­trieb hatte Eilantrag gestellt, weil durch den Weg Parkplätze für Angestellte verloren gingen und war damit zunächst vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Düsseldorf gescheitert. 

Das nordrhein-westfä­lische Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) in Münster hat dagegen auf die Beschwerde hin dem Kläger recht gegeben. Die Stadt habe die Einrichtung des 1,2 km langen geschützten Radfahr­streifens nicht ausrei­chend begründet. Sie hatte sich auf Verkehrs­be­lastung und sich daraus ergebende Nutzungs­kon­flikte berufen. Das OVG war der Auffassung, dass sie dies nicht ausrei­chend anhand von Verkehrs­zäh­lungen, Verkehrs­pro­gnosen oder sonstigen belast­baren Erkennt­nissen unterlegt hatte. Bisher war nur eine Stellung­nahme des Polizei­prä­si­diums heran­ge­zogen worden, das zum Beleg der Notwen­digkeit des Sonder­weges nicht ausrei­chend sei.

Die Stadt Düsseldorf hat daraufhin die weitere Planung des Fahrradwegs zurück­ge­stellt. Weil die Stadt der Verpflichtung, die Radweg­mar­kie­rungen vorerst zu entfernen bzw. unwirksam zu machen, in der Folge nicht hinrei­chend nachge­kommen sei, wurde ihr nun durch einen erneuten Beschluss des OVG ein Zwangsgeld angedroht. Der Fall zeigt, dass es entscheidend ist, geschützte Radfahr­streifen gut zu begründen und im Übrigen Rückbau­pflichten ernst zu nehmen. Im Zweifel können nach dem Eilver­fahren gut sichtbare gelbe Markierung angebracht werden, durch die die Rechtslage vorüber­gehend geklärt wird (Olaf Dilling).

2022-05-02T19:53:40+02:002. Mai 2022|Verkehr|