Der neue § 113 a EnWG – Die Integration von Wasser­stoff in das Konzessionsvertragsrecht

Der Gesetz­geber hat am 22. Juni 2021 das „Gesetz zur Umsetzung unions­recht­licher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasser­stoff­netze im Energie­wirt­schafts­recht“ verab­schiedet (wir berich­teten). Die Nutzung von Wasser­stoff ist nach Ansicht des Gesetz­gebers „the next big thing“ und so stellt er bereits jetzt die recht­lichen Weichen.

Da Wasser­stoff ein gasför­miger Energie­träger ist und der Gesetz­geber ungern das Rad neu erfindet, versucht er die Neure­gelung des „Wasser­stoff­rechtes“ weitgehend in die bestehenden recht­lichen Rahmen­be­din­gungen für Erdgas und Biogas zu integrieren. Syste­misch nachvoll­ziehbar, da der Gesetz­geber zumindest „grünen“ Wasser­stoff der durch Wasser­elek­trolyse erzeugt worden ist, wenn der zur Elektrolyse einge­setzte Strom nachweislich weit überwiegend aus erneu­er­baren Energie­quellen stammt, rechtlich ohnehin als Biogas definiert (§ 3 Nr. 10c EnWG).

Wasser­stoff soll nach Vorstellung des Gesetz­gebers künftig auch über eigene Wasser­stoff­lei­tungen trans­por­tiert werden. Nach § 46 EnWG haben Gemeinden ihre öffent­lichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Versor­gungs­lei­tungen zur unmit­tel­baren Versorgung von Letzt­ver­brau­chern im Gemein­de­gebiet diskri­mi­nie­rungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Hierüber wurden von den Gemeinden Wegenut­zungs­kon­zes­sionen vergeben und auf Basis entspre­chender Konzes­si­ons­ver­träge und nach Maßgabe der KAV vom Netzbe­treiber Konzes­si­ons­ab­gaben erhoben. Mit der Neure­gelung des § 113a EnWG integriert der Gesetz­geber nun künftig Wasserstoff(transport) in das bestehende Konzessionsrecht.

Wasser­stoff wird dabei dem Erdgas gleich­ge­stellt. Betreiber von Energie­ver­sor­gungs­netzen die bestehende Wegenut­zungs­ver­träge im Sinne des § 46 für Gaslei­tungen abgeschlossen haben werden künftig dahin­gehend begünstigt, dass diese Verträge künftig gem. § 113a Abs. 2 EnWG auch für Transport und Verteilung von Wasser­stoff bis zum Ende ihrer verein­barten Laufzeit fortgelten. Die Konzes­si­ons­ab­ga­ben­ver­ordnung ist dabei mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Höchst­be­träge für Konzes­si­ons­ab­gaben bei Gas entspre­chend anzuwenden sind.

Inhaber einer bestehenden Gasver­sor­gungs­kon­zession bekommen damit jetzt faktisch auch die Wasser­stoff­kon­zession automa­tisch mit dazu.

Bei der Neuvergabe der Konzession nach Auslaufen der Bestands­kon­zes­sionen soll dann künftig auch die Wasser­stoff­kon­zession formell vergeben werden, wobei es Gemeinden nach § 113a Abs. 3 EnWG dann aber freisteht, ob sie die Konzes­sionen für einzelne oder alle Gase im Sinne dieses Gesetzes gemeinsam vergeben. Das bedeutet Gemeinden müssen in künftigen gaskon­zes­si­ons­ver­ga­be­ver­fahren auch das Thema Wasser­stoff­kon­zession mitdenken und mitbeachten.

(Christian Dümke)

Änderung im EnWG – Gesetz­geber verschärft die Pflicht zum Angebot variabler Stromtarife

Der Gesetz­geber hat am 22. Juni 2021 das „Gesetz zur Umsetzung unions­recht­licher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasser­stoff­netze im Energie­wirt­schafts­recht“ verab­schiedet, das – anders als der Name vermuten lässt – nicht nur Regelungen zur Wasser­stoff­nutzung in das EnWG aufnimmt sondern auch zahlreiche neue Vorgaben für die Energie­lie­ferung an Letzt­ver­braucher außerhalb der Grund­ver­sorgung enthält.

Eine davon betrifft das Angebot von lastva­riablen oder tages­zeit­ab­hän­gigen Strom­ta­rifen. Bereits jetzt sind Energie­lie­fe­ranten nach § 40 Abs. 5 EnWG verpflichtet, „soweit technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar, für Letzt­ver­braucher von Elektri­zität einen Tarif anzubieten, der einen Anreiz zu Energie­ein­sparung oder Steuerung des Energie­ver­brauchs setzt. Tarife im Sinne von Satz 1 sind insbe­sondere lastva­riable oder tages­zeit­ab­hängige Tarife.

Dahinter steckt eine gute, wenn auch nicht ganz neue Idee. In Zeiten von schwan­kendem Strom­an­gebot kann es ein sinnvolles Instrument der Steuerung der Nachfrage und der Vermin­derung von Lastspitzen sein, Strom preis­va­riabel anzubieten. Bisher kam diese Tarif­struktur eigentlich nur bei spezi­ellen HT/NT- Tarifen zum Betrieb von Nacht­spei­cher­hei­zungen zum Einsatz. Eine besonders praktische Regelungs­wirkung ging von § 40 Abs. 5 EnWG aber nicht aus.

 

Dies soll sich nun ändern. Im Rahmen des neu geschaffen § 41a EnWG (BT-Drs. 19/27453, S.37) wird nicht nur die bisherige Regelung des § 40 Abs. 5 EnWG übernommen, sondern in Abs. 2 festgelegt, dass große Strom­lie­fe­ranten, „die zum 31. Dezember eines Jahres mehr als 200.000 Letzt­ver­braucher beliefern“ im Folgejahr verpflichtet sind, „den Abschluss eines Strom­lie­fer­ver­trages mit dynami­schen Tarifen für Letzt­ver­braucher anzubieten, die über ein intel­li­gentes Messsystem im Sinne des Messstel­len­be­triebs­ge­setzes verfügen.“

Die Strom­lie­fe­ranten haben die Letzt­ver­braucher dabei über die Kosten sowie die Vor- und Nachteile des Vertrags nach Satz 1 umfassend zu unter­richten sowie Infor­ma­tionen über den Einbau eines intel­li­genten Messsystems im Sinne des Messstel­len­be­triebs­ge­setzes anzubieten, denn dynamische Verträge bergen nach Ansicht des Gesetz­gebers für den Kunden sowohl Chancen als auch Risiken, über die der Strom­lie­ferant sie infor­mieren muss.

Versorger mit mehr als 200.000 Kunden sollten daher langsam mit der Planung entspre­chender Tarife beginnen.

(Christian Dümke)

2021-07-06T22:31:14+02:006. Juli 2021|Energiepolitik, Strom, Vertrieb|

Zur Sonder­zu­stän­digkeit der Landge­richte nach § 102 EnWG

Eigentlich ist es ja im Zivil­recht ganz einfach. Strei­tig­keiten mit einem Streitwert mehr als 5000,00 EUR gehören vor das Landge­richt, darunter ist das Amtsge­richt anzurufen. Von diesem einfachen Grundsatz hat der Gesetz­geber jedoch in einigen Fällen Ausnahmen geschaffen – so auch im Energierecht.

Der § 102 EnWG bestimmt für bürgerlich-energie­recht­liche Strei­tig­keiten ohne Rücksicht auf den Streitwert eine ausschließ­liche gericht­liche Sonder­zu­stän­digkeit der Landge­richte. Dies soll für die Heraus­bildung einer gewisse Spezia­li­sierung und besondere energie­recht­liche Sachkenntnis sorgen. Voraus­setzung der Sonder­zu­stän­digkeit ist, dass es sich um eine bürger­liche Strei­tigkeit handelt, die sich gem. § 102 EnWG „aus diesem Gesetz“ – also dem EnWG – ergibt.

Da das Energie­recht jedoch nicht nur im EnWG kodifi­ziert ist, fallen damit viele typische energie­recht­liche Streit­felder wie etwa Strei­tig­keiten aus dem EEG oder dem KWKG aus dem Anwen­dungs­be­reich dieser Sonder­vor­schrift wieder hinaus. Zudem haben viele Zivil­ge­richte typische energie­recht­liche Strei­tig­keiten über die Bezahlung von Energie­lie­fe­rungen oder die Angemes­senheit von Preis­an­pas­sungen vom Anwen­dungs­be­reich des § 102 EnWG ausge­schlossen, weil diese Fälle nach ihrer Ansicht nach dem BGB und nicht dem EnWG zu entscheiden seien. Schließlich ergäbe sich der Zahlungs­an­spruch des Versorgers aus § 433 BGB und die Angemes­senheit von Preis­an­pas­sungen sei nach § 315 BGB zu beurteilen (OLG Celle, Beschluss vom 23. Dezember 2010, Az. 13 AR 9/10) und sogar die Frage der Abgrenzung eines Grund­ver­sor­gungs­ver­trages (§ 36 EnWG) von einem Sonder­kun­den­vertrag (§ 41 EnWG) soll kein Streit sein, der „nach dem EnWG“ zu entscheiden wäre. (OLG Hamm, 20.10.2014, Az. 32 SA 72/14).

Da bleibt für die vom Gesetz­geber angedachte Spezia­li­sierung der Landge­richte gar nicht mehr so viel Raum.

In einem von uns aktuell geführten Verfahren war nun streitig, ob sich die Sonder­zu­stän­digkeit des Landge­richts nach § 102 EnWG auch auf Strei­tig­keiten erstreckt, die zwar nicht direkt nach dem EnWG selbst zu entscheiden sind, aber nach einer der zugehö­rigen Rechts­ver­ord­nungen, die ihre Ermäch­ti­gungs­grundlage im EnWG haben (wie etwa NAV/NDAV, Strom/GasGVV, Strom/GasNEV, Strom/GasNZV). Hier ist das Gericht unserer Auffassung gefolgt, dass auch diese Strei­tig­keiten der Sonder­zu­stän­digkeit des § 102 EnWG unterfallen.

Hierfür sprechen nach zutref­fender Ansicht des Gerichts bereits Sinn und Zweck der Norm, der darin liegt, eine einheit­liche Recht­spre­chung auf dem Gebiet des Energie­wirt­schafts­rechts in allen Instanzen zu gewähr­leisten. Das Energie­wirt­schafts­recht werde aber gerade maßgeblich durch die auf seiner Grundlage erlas­senen Rechts­ver­ord­nungen ausge­staltet. Würden diese nicht von der Zustän­dig­keitsnorm umfasst, wäre diese Zwecker­rei­chung bedroht. Dies wird nach zutref­fender Ansicht des Gerichts durch eine syste­ma­tische Auslegung des Energie­wirt­schafts­ge­setzes gestützt. § 32 Abs. 1 und 3 EnWG gewähren den Betrof­fenen Beseitigungs‑, Unter­las­sungs- und Schadens­er­satz­an­sprüche auch bei einem Verstoß gegen eine auf Grundlage der Vorschriften dieser Abschnitte (§§ 17 ff., 20 ff. EWG) erlas­senen Rechts­ver­ord­nungen. Eine Diffe­ren­zierung der sachlichen Zustän­digkeit in diesen Fällen wäre weder sachlich gerecht­fertigt noch sinnvoll (AG Lucken­walde, Beschluss vom 21.10.2020, 12 C 227/20 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018, EnZB 53/17). (Christian Dümke)

2020-11-19T19:29:31+01:0019. November 2020|Allgemein|