Die BNetzA ist doch nicht Gott: Zu OLG Düsseldorf, 26 U 6/22
Das Völkerrecht kennt es schon lange: Das sogenannte Soft Law, also Regelungen, die mehr sind als nichts, aber weniger als etwa verbindliche Verträge. Manche beschreiben dieses Soft Law als werdendes Recht, ein Konsens in der Entstehung, quasi die Raupe vorm Schmetterling voll bindenden Gewohnheitsrechts.
Manche Bundesbehörden, aber auch die europäische Kommission, produzieren rein faktisch etwas Ähnliches: Durch eine Fülle von Guidances, Leitfäden, FAQ, füllen sie die oft erheblichen Lücken, die die Gesetze und Verordnungen lassen. Oft werden Regelwerke erst durch diese Erläuterungen halbwegs handhabbar. Bisweilen sind sie mit dem Wortlaut aber nur schwer vereinbar.
Dass Leitfäden trotzdem unverbindlich sind und bleiben, hat nun das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung ausgesprochen, in der es u. a. um den Leitfaden der Bundesnetzagentur (BNetzA) zur Eigenversorgung ging (OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.05.2023, 26 U 6/22).
Nach dem Leitfaden sollte es nicht möglich sein, dass Betreiber älterer Bestandsanlagen nach dem 01.09.2011 die Versorgung aus eigenen Erzeugungsanlagen auf andere Standorte ausdehnen, ohne dass die volle EEG-Umlage anfallen sollte. Gestützt auf diesen Leitfaden verlangte die Klägerin des Verfahrens, der Übertragungsnetzbetreiber, die Mitteilung über umlagepflichtige Strommengen und sodann die Zahlung der EEG-Umlage. Der ÜNB brachte dabei vor, der Gesetzgeber hätte die Ansicht der BNetzA übernommen, es gebe deswegen für diese Gruppe keinen Bestandsschutz.
Dies sah das OLG Düsseldorf anders. Historie und Wortlaut sprächen gegen eine einschränkende Auslegung, wie die BNetzA sie für richtig hält. Der Bestandsschutz für die älteren Eigenerzeugungslösungen bezögen sich nicht nur auf die Anlage an sich, sondern sei weiter. Der Leitfaden der BNetz, auf den sich der ÜNB bezieht, sei nur eine Rechtsmeinung, über die das Gericht schreibt:
„Für die Gesetzesauslegung ist der Leitfaden, der weder eine Festlegung darstellt, noch den Charakter einer Verwaltungsvorschrift hat (Leitfaden S. 3), nicht verbindlich. Es handelt sich vielmehr um eine zusammenfassende Verlautbarung der Regulierungsbehörde, mit der sie ihre Haltung zu bestimmten Themenkomplexen und den davon betroffenen Rechtsfragen bekannt macht“
Für die Rechtsanwender heißt das: Der Verweis auf Leitfäden o. ä. ist keine hinreichende handlungsleitende Grundlage. Den Blick ins Gesetz ersparen diese Dokumente nicht. Die Behörden sollten entsprechend gerade bei kontroversen und vom Gesetzeswortlaut keineswegs eindeutig zwingenden Rechtsmeinungen zurückhaltend agieren, denn vereinfachen können sie eine komplexe Rechtspraxis nicht, sie können ihre Anwendung aber durch starke Meinungen deutlich erschweren.