Carbon Leakage und BEHG: Studie der DEHSt

Vor wenigen Tagen hat die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) als adminis­trie­rende Behörde für den Vollzug des Brenn­stoff-Emissi­ons­han­dels­ge­setzes (BEHG) eine Studie von Verena Graichen  und Katja Schumacher vom Öko-Institut vorgelegt, die sich mit der Vermeidung von Carbon Leakage im Anwen­dungs­be­reich des BEHG beschäftigt. Hinter dem Schlagwort „Carbon Leakage“ verbirgt sich die Sorge, Unter­nehmen könnten wegen der mit Klima­schutz­maß­nahmen verbun­denen Belas­tungen ins nicht regulierte Ausland ausweichen und dort sogar mehr emittieren, was dem Klima einen Bären­dienst erweisen würde, weil es nicht relevant ist, wo, sondern nur, wie viel insgesamt emittiert wird.

Im BEHG sind Maßnahmen, um dies zu vermeidne, zwar in § 11 Abs. 3 BEHG vorge­sehen, Details finden sich hier aber noch nicht. Dies hat die DEHSt zum Anlass genommen, fünf verschiedene Ansätze heraus­ar­beiten zu lassen, wie die begüns­tigten Sektoren identi­fi­ziert werden können:

Eine einfache Übernahme der CL-Liste aus dem EU-Emissi­ons­handel, eine ausgehend von den quali­ta­tiven und quanti­ta­tiven CL-Indika­toren aus der Emissi­ons­han­dels­richt­linie eigene, deutsche Liste, oder eine Liste ausgehend von deutschen Handels­daten werden genannt. Denkbar sei es auch, die EU-Leitlinien für Umwelt­bei­hilfen heran­zu­ziehen. Abschließend wird eine Liste entlang der Härte­fall­re­gelung des BEHG angedacht.

Alle Heran­ge­hens­weisen haben nach Erkennt­nissen der Verfas­se­rinnen Stärken und Schwächen. Disku­tiert werden u. a. denkbare Wettbe­werbs­ver­zer­rungen, Akzeptanz bei der Kommission, die die Beihil­fen­kn­for­mität prüfen soll, die Berück­sich­tigung der Lage in anderen EU-Staaten und der sinkenden EEG-Belastung, die Trans­parenz, die Trenn­schärfe wegen des einge­schränkten Anwen­dungs­be­reichs bis 2022 und die Berück­sich­tigung der steigenden Preise. Die Studie unter­streicht, dass es am Ende eine Frage der politi­schen Schwer­punkt­setzung darstellt, wie die Sektoren identi­fi­ziert werden.

In einem ersten, hier bereits erläu­terten Referen­ten­entwurf hat die Bundes­re­gierung sich indes für einen weniger filigranen Ansatz entschieden und sich der CL-Liste der EU angeschlossen. Zur Begründung führt der Entwurfs­ver­fasser aus:

Die Orien­tierung am Carbon-Leakage-Schutz­system des EU-Emissi­ons­handels sichert die Anschluss­fä­higkeit an ein bereits EU-weit einge­führtes Schutz­konzept und die möglichst weitge­hende Gleich­be­handlung gleich­ar­tiger Produkte unabhängig davon, ob sie in großen Anlagen, die dem EU-Emissi­ons­handel unter­liegen, oder in kleineren Anlagen, die nicht dem EU-Emissi­ons­handel unter­fallen und entspre­chend von der CO2-Bepreisung durch das BEHG be-troffen sind, herge­stellt werden.“

Doch ob dies wirklich der beste Weg ist? Die Studie benennt auch Nachteile sehr klar. Zwar macht sich die verbreitete Kritik am Entwurf (die auch zu einer Verschiebung der an sich geplanten Beschluss­fassung führen soll) nicht in erster Linie an diesem Punkt fest, aber die Zweifel bleiben, ob der gewählte Ansatz wirklich der beste ist, um abwan­de­rungs­be­drohte Sektoren zu erkennen (Miriam Vollmer).

 

 

 

 

2021-02-02T21:20:14+01:002. Februar 2021|Emissionshandel|

Kein Haupt­gewinn für Strom: Der Koali­ti­ons­vertrag auf dem Prüfstand (1)

Wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann gründe ich … eine Kommission. Diese schon im letzt­jäh­rigen Klima­schutzplan erwähnte Kommission soll nach dem Willen der künftigen Koali­tionäre nun ab Ende 2018 auch noch gründlich über den Kohle­aus­stieg nachdenken und einen Zeitplan und konkrete Maßnahmen vorschlagen. Nun ist Gründ­lichkeit nicht zu verachten. Doch haben nicht bereits genug Experten die Machbarkeit des Kohle­aus­stiegs bewertet? Die Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt wirkt unent­schlossen und mutlos und schafft keine Sicherheit für die Akteure. Zudem hat sich die GroKo doch bereits vom 20202-Ziel verab­schiedet. Je später konkrete Maßnahmen in die eine oder in die andere Richtung folgen, um so schwie­riger wird es, zumindest das 2030-Ziel zu halten.

Immerhin eine konkrete Maßnahme springt ins Auge. Die GroKo will von heute 38% auf 65% Erneu­erbare am Strommix und plant Zusatz­aus­schrei­bungen für Sonne und Wind 2019 und 2020 von je 4.000 MW. Die unselige Deckelung des Ausbaus soll der Vergan­genheit angehören. Doch bringt diese Erhöhung natürlich nur wirklich etwas, wenn gleich­zeitig der Gesamt­ener­gie­ver­brauch sinkt und auch die anderen Sektoren ihren Teil beitragen. Doch die viel gerühmte Industrie 2.0 ist keineswegs weniger energie­in­tensiv als die alte. Wenn nur ein geringer Teil der Visionen rund um die Block­chain Wirklichkeit werden, dürfte der Strom­ver­brauch eher steigen. Und was ist eigentlich mit der Sektor­kopplung, die faktisch doch in erster Linie mehr Strom­ver­brauch bedeutet? Hier enthält der Koali­ti­ons­vertrag immerhin ein Bekenntnis zur Sektor­kopplung und den Plan, Speicher­tech­no­logien durch Forschung zu stärken.

Ebenso inter­essant wie das, was im Entwurf steht, ist das, was es nicht in den Entwurf geschafft hat: So soll es offenbar bei der heutigen Syste­matik des Umlage- und Abgabe­systems bleiben. Doch ist das wirklich sinnvoll? Über dem Versuch, auch nur seine Strom­rechnung zu verstehen, ist schon mancher Verbraucher halb wahnsinnig geworden. Und auch Experten zittern bisweilen, ob sie die jeweils letzte Umdrehung des beispiellos kompli­zierten Systems wirklich durch­drungen haben. Hier wäre eine Reform sinnvoll, wenn nicht überfällig. Statt dessen enthält der Entwurf nur das klare Bekenntnis der Koali­tionäre zu den Privi­legien der Industrie, die viele energie­be­zogene Umlagen und Abgaben nur in sehr reduzierter Form zahlt. Das ist angesichts des sehr unter­schied­lichen Niveaus dieser Ausgaben allein in Europa letztlich wirtschafts­po­li­tisch sinnvoll und auch ökolo­gisch eher positiv zu bewerten. Aber wäre ein großer Wurf hier nicht möglich gewesen? Wenn schon der Kohle­aus­stieg in eine Kommission verlagert worden ist: Was sprach dagegen, auch für Strom insgesamt eine grund­le­gende Reform der Struk­turen inklusive aller Förder­systeme zu schaffen, die auch nicht, wie aktuell, alle paar Monate mit den Vorstel­lungen von Europäi­schem Gerichtshof und Kommission kollidiert.

(Fortsetzung folgt zum Thema Verkehr)

P.S.: Das gesamte Dokument finden Sie hier beim Tagesspiegel.

2018-02-07T14:54:23+01:007. Februar 2018|Allgemein, Strom|