Natur­schutz: Kite-Surfer vs. Rastvögel

Haben Sie schon einmal vom „Kite-Surfen“ gehört? Falls nicht, erklärt es Ihnen das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Lüneburg gerne:

Beim Kitesurfen handelt es sich um eine Kombi­nation von Drachen- und (Water-)Boardsport, bei dem ein surfbrett­ar­tiges Board von einem Lenkdrachen im flachen Wasser über die Wasser­fläche gezogen wird.“

Ob ein echter Kitesurfer angesichts dieser eher hölzernen Definition sein Lebens­gefühl angemessen in Worte gekleidet sieht, ist fraglich. Trotzdem haben Kitesurfer in dieser Saison gegenüber den Richtern am OVG Grund zu höchster Dankbarkeit. Denn die haben Ende letzten Jahres das Verbot für Kitesurfen gekippt, das bisher grund­sätzlich im gesamten Nieder­säch­si­schen Wattenmeer galt. Nur bestimmte zeitlich und räumlich begrenzte Zonen waren davon ausgenommen.

Für dieses Verbot gab es in der Sache an sich gute Gründe. Denn der Natio­nalpark Wattenmeer ist ein Vogel­schutz­gebiet von inter­na­tio­naler Bedeutung, unter anderem weil hier viele Vögel vor allem aus Skandi­navien und anderen subark­ti­schen Gebieten überwintern oder rasten. Andere Vögel, wie Brand­gänse oder Eider­enten mausern, das heißt, dass sie teilweise oder völlig flugun­fähig in großen Gruppen an wenig zugäng­lichen Stellen Schutz suchen.

Auf diese Vögel hat das Kitesurfen eine sehr starke Störwirkung, die nur noch von Power­booten und Jetskis übertroffen wird: Denn die Lenkdrachen werden von den Vögeln offenbar mit Greif­vögeln verwechselt. Außerdem sind, wie das OVG ebenfalls festge­stellt hat, beim Kitesurfen „hohe Geschwin­dig­keiten mit Spitzen­werten über 100 km/h sowie Sprünge von 10 m Höhe und mehr möglich“. Gerne pflügen Kitesurfer durch Flach­was­ser­zonen, wo besonders viele Vögel rasten. Neuer­dings profi­tieren Kite-Boards auch von der sogenannten Hydro­foil­tech­no­logie, durch die das Board bei bestimmten Geschwin­dig­keiten nur noch auf einer Art Tragflügel fährt und ansonsten vollkommen von der Wasser­ober­fläche abhebt. Dadurch werden die Möglich­keiten des Kitens sowohl zeitlich – bei Schwachwind – als auch – räumlich – für lange Erkun­dungs­touren längs der Küste wesentlich erweitert.

Aller­dings hatte das OVG dennoch gute Gründe, das bisherige Verbot zu kippen: Denn bisher war das Verbot des Kitesurfens im Natur­schutz­recht der Länder geregelt. So heißt es in § 6 Abs. 2 Nr. 5 (NWattNPG), dass es „zur Vermeidung von Störungen und Gefähr­dungen der Schutz­güter des Natio­nal­parks verboten ist (…) Drachen, auch vom Fahrzeug aus (…) fliegen zu lassen“.

Das Gericht hatte hier zu Recht die Zustän­digkeit der Länder, in diesem Fall des Lands Nieder­sachsen, beanstandet. Denn das Kitesurfen findet im Küsten­ge­wässer des Watten­meers statt und damit in einer Bundes­was­ser­straße. Und das „Fliegen­lassen“ des Drachens ist für den Kitesurfer nicht etwa eine zufällige Aktivität, die zu seinem Surfen hinzu­kommt, sondern wesentlich für seine Fortbe­wegung auf dieser Wasser­straße. Nach Auffassung des OVG sei die Kitesur­f­aus­rüstung bestehend aus Board und Lenkdrache als einheit­liches Wasser­fahrzeug anzusehen.

Daher ist das Kitesurfen, so wie andere Fortbe­we­gungs­arten wie Segeln, Paddeln, Rudern oder Motor­boot­fahren im Natio­nalpark grund­sätzlich erlaubt, so lange es keine bundes­recht­lichen Einschrän­kungen gibt. Denn dafür seien die Bundes­was­ser­straßen gewidmet. Der Verkehr auf Bundes­was­ser­straßen richtet sich grund­sätzlich nach der Seeschiff­fahr­straßen-Ordnung (SeeSchStrO). Einschrän­kungen zugunsten des Natio­nal­parks sind in einer Verordnung über das Befahren der Bundes­was­ser­straßen in Natio­nal­parken im Bereich der Nordsee (NPNordSBefV) geregelt. Zuständig ist das Bundes­mi­nis­terium für Verkehr und Infra­struktur, das im Einver­nehmen mit dem Bundes­um­welt­mi­nis­terium nun neue Regeln für das Kitesurfen im Natio­nalpark erlassen sollte. Es steht zu hoffen, dass die Belange der Natur­nutzung und des Natur­schutzes dabei in einen sinnvollen Ausgleich gebracht werden. Vielleicht lässt sich zugleich auch eine Regelung für Jetski und Power­boote treffen, die nicht nur Vögel, sondern auch viele Urlauber stören – und für Freiwas­ser­schwimmer lebens­ge­fährlich sind (Olaf Dilling).

2021-03-05T18:26:53+01:005. März 2021|Naturschutz, Sport, Verkehr|

Corona und Outdoor-Sport

Jedes Jahr im Januar und Februar locken für Langläufer und Rodel­fahrer die Mittel­ge­birge. Hat es schon geschneit? Oder kommt noch Schnee? Wie in fast jeder Beziehung ist diesen Winter auch insofern alles anders: Denn die Bilder von Staus und überfüllten Parkplätzen und Pisten im Harz oder Hochsauerland würden in anderen Jahren die Touris­mus­branche erfreuen. Dieses Jahr profi­tiert vor Ort so gut wie niemand davon. Zudem stellt sich die bange Frage, wie sich das auf weitere Anste­ckungen auswirkt.

Und: Was ist aktuell eigentlich erlaubt? Inzwi­schen hat angesichts zahlreicher unter­schied­licher Regeln in Ländern und Landkreisen und Änderungen je nach aktuellem Infek­ti­ons­ge­schehen wohl kaum jemand mehr den Überblick. Klar ist jeden­falls, dass aktuell weder touris­tische Übernach­tungen, noch Restau­rant­be­suche möglich sind.

Aber wie steht es mit Tages­aus­flügen? In den meisten Bundes­ländern kommt es hier darauf an, wie hoch im betref­fenden Landkreis die Infek­ti­ons­zahlen sind: Bei einer Inzidenz der letzten 7 Tage von über 200 Neuin­fek­tionen pro 100.000 Einwohner gilt die sogenannte 15-Km-Regel. Demnach müssen die betrof­fenen Gemeinden oder Landkreise den Bewegungs­radius ihrer Bewohner auf 15 km beschränken, soweit keine triftigen Gründe vorliegen. So etwa in Sachsen-Anhalt gemäß der dort geltenden (Neunten SARS-CoV-2-Eindäm­mungs­ver­ordnung). Freizeit­ak­ti­vi­täten wären kein triftiger Grund im Sinne dieser Verordnung. Dies gilt zum Beispiel für den Landkreis Mansfeld-Südharz oder den Kyffhäu­ser­kreis. Im Westharz sieht es aktuell noch besser aus. Hier wären Tages­aus­flüge noch möglich. Ob es aktuell ratsam ist, ist ein andere Frage. Zumindest an den typischen Touris­tenhot­spots des Hochharzes dürfte es aktuell schlicht zu voll sein, bei gleich­zei­tiger Abwesenheit der gewohnten Infra­struktur, wie Restau­rants, Toiletten, usw.

In Brandenburg gilt die 15-Km-Regel ebenfalls, so dass sich auch Berliner je nach Inzidenz nur 15 km jenseits der Landes­grenze bewegen dürfen. Das OVG Berlin-Brandenburg hat gerade aktuell einen Eilantrag gegen die Verordnung abgelehnt. Denn auch wenn es um Bewegung unter freiem Himmel mit entspre­chend niedri­gerer Anste­ckungs­gefahr geht: Es sei dennoch nicht von der Hand zu weisen, dass die Regel die Ausbreitung der Krankheit eindämmen könne (Olaf Dilling).

 

2021-01-15T01:35:38+01:0015. Januar 2021|Sport, Verwaltungsrecht|

Der BGH zu Nachbars Stall

Offenbar häufen sich mit Corona Nachbar­schafts­strei­tig­keiten. Wenn man sich so umhört, könnte dieser Eindruck entstehen. Und das wäre ja auch plausibel. Denn Streit entsteht vielleicht öfter aus Lange­weile als aus Verzwei­felung. Was sollte also anderes passieren, wenn zu Pande­mie­zeiten beides zusammenkommt?

Das Nachbar­recht ist, man möge mir den flauen Wortwitz verzeihen, dem öffent­lichen Recht benachbart. Nun, eigentlich ist es Sachen­recht und damit Teil des Privat­rechts, also eines der Rechts­ge­biete, die nicht das Verhältnis zwischen Bürger und Staat regeln, sondern die Verhält­nisse zwischen den Bürgern unter­ein­ander. Dennoch ist das Nachbar­recht neben dem Ordnungs­recht eine der wichtigsten histo­ri­schen Quellen des Umwelt­rechts. Schließlich gab es für viele emissi­ons­schutz­recht­liche Konflikte zwischen Nachbarn früher keine Regeln des Gesetz- oder Verord­nungs­gebers. Statt­dessen mussten die ordent­lichen Gerichte sich drum kümmern.

Einen solchen, im weitesten Sinne auch Emissionen betref­fenden nachbar­recht­lichen Fall hatte jüngst der Bundes­ge­richtshof (BGH) in Karlsruhe zu entscheiden. Die Baube­hörde hatte die Inhaberin eines Reiterhofs enttäu­schen müssen und keine Bauge­neh­migung für einen von ihr geplanten offene Pferde­stall erteilt. Wie auch das Verwal­tungs­ge­richt bestä­tigte, würde das Vorhaben im – vermutlich unbeplanten – Innen­be­reich gegen das baupla­nungs­recht­liche Rücksichts­nah­me­gebot verstoßen. So sei der offene Stall nur gut 12 Meter von den Ruheräumen der Nachbarn entfernt. Außerdem seien die Boxen mit dem Auslauf zu deren Wohnhaus ausgerichtet.

Dass die Inhaberin des Reitstalls dennoch gebaut hat, führte zu einem Abwehr­an­spruch der Nachbarn nach §§ 1004 Abs. 1 in Verbindung mit 823 Abs. 2 BGB. Das Berufungs­ge­richt hatte noch anders entschieden. Denn das Rücksicht­nah­me­gebot ist primär eine öffentlich-recht­liche Norm, also im Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung. Aber wie der BGH bestä­tigte, gilt sie als sogenannte Schutznorm, die auch für Dritte ganz unmit­telbar subjektive Rechte entfaltet. Hier fügt sich also der Kreis zwischen öffent­lichem und privaten Recht (Olaf Dilling).

 

2020-11-30T20:14:05+01:0030. November 2020|Sport, Umwelt, Verwaltungsrecht|