Nitrat, DUH & Präklusion

Es gibt ein Umwelt­recht vor und nach „Trianel“ – hiermit ist das Kohle­kraftwerk in Lünen gemeint. Das Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz (UmwRG) und die Ausge­staltung des Zugangs von Umwelt­ver­ei­ni­gungen zu Gericht hat zu diesem Vorhaben eine beein­dru­ckende Reise im schlin­gernden Kurswagen durch die Gerichte (OVG Münster, EuGH, Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt) absol­viert. Ein „Knack­punkt“ war dabei auch die Frage der Begrenzung von Klage­mög­lich­keiten – getreu der Frage: Wie eng kann ein (nach der Aarhus Konvention vorge­schrie­bener) weiter Zugang zu Gericht ausge­staltet sein? Nach dem Wegfall der Schutz­norm­theorie (für Umwelt­ver­ei­ni­gungen) und eine Beweis­last­umkehr verblieben nur noch die Präklusion und die strenge Klage­be­grün­dungs­frist. An letzterer stört sich insbe­sondere die gestresste Anwalt­schaft, da sechs Wochen Frist für eine Klage­be­gründung – insbe­sondere dann, wenn man noch Akten­ein­sicht nehmen will – doch arg knapp bemessen sind. An der Präklusion ist zuletzt die Deutsche Umwelt­hilfe e. V. (DUH) hat mit ihrer Klage zur Verpflichtung der Bundes­re­publik Deutschland, den dünge­be­zo­genen Teil des Natio­nalen Aktions­pro­gramms zum Schutz von Gewässern vor Verun­rei­nigung durch Nitrat aus landwirt­schaft­lichen Quellen fortzu­schreiben, (vorerst) gescheitert (OVG Münster, 25.01.2024 – 20 D 8/19.AK).

Es sollte bekannt sein, dass wir in Deutschland im Wasser­recht den Zielen der Wasser­rah­men­richt­linie weit hinter­her­hinken. Es gibt aber auch noch die Nitra­t­richt­linie (Richt­linie 91/676/EWG). Diese bezweckt die Verrin­gerung und Vorbeugung von Gewäs­ser­ver­un­rei­ni­gungen und gibt insbe­sondere einen maximalen Nitratwert für das Grund­wasser von 50 mg/l vor. Auch Deutschland ist als Mitglieds­staat verpflichtet, Aktions­pro­gramme aufzu­stellen, die die Maßnahmen zur Verwirk­li­chung der Ziele dieser Richt­linie festlegen und diese Programme regel­mäßig fortzu­schreiben. Die DUH rügte, dass Deutschland diesen Verpflich­tungen nicht nachkomme. Insbe­sondere würden die bislang vorge­se­henen Pflicht­maß­nahmen nicht entspre­chend den besten verfüg­baren wissen­schaft­lichen Erkennt­nissen umgesetzt und es seien keine wirksamen zusätz­lichen Maßnahmen ergriffen worden, um die Ziele der Nitra­t­richt­linie zu verwirklichen.

Die Klage der DUH hatte aber keinen Erfolg, da die DUH nach Auffassung des OVG Münster mit ihrem Klage­vor­bringen nach § 7 Abs. 3 UmwRG ausge­schlossen (präklu­diert) war. Ein solcher Ausschluss ist mit dem natio­nalen Verfas­sungs­recht, mit europa­recht­lichen Vorgaben und mit der Aarhus Konvention vereinbar. Die DUH hatte sich zwar gemeinsam mit anderen Umwelt­schutz­ver­ei­ni­gungen im Rahmen von Öffent­lich­keits­be­tei­li­gungen zu Änderungen des Natio­nalen Aktions­pro­gramms geäußert. Aus Sicht des OVG sei dies aller­dings nicht so hinrei­chend substan­tiiert und umfang­reich erfolgt, wie es nach den gesetz­lichen Vorgaben erfor­derlich gewesen wäre. Mit dem inhalt­lichen Vorbringen selbst musste sich das OVG daher gar nicht mehr befassen. Es bleibt abzuwarten, wie das Revisi­ons­ver­fahren in Leipzig in dieser Sache ausgeht. (Dirk Buchsteiner)

 

2024-02-22T20:51:52+01:0022. Februar 2024|Naturschutz, Umwelt, Wasser|

Von Bahnschwellen, Zaunei­dechsen und vom Abfallbegriff

Aus § 3 Abs.1 KrWG folgt, dass Abfall jeder Stoff und Gegen­stand ist, derer sich sein Besitzer entledigt, entle­digen will oder entle­digen muss. Die recht­lichen Hürden, wann etwas damit Abfall ist, sind damit denkbar niedrig. Im Ergebnis lässt sich die Thematik darauf verengen, ob es für einen Stoff oder Gegen­stand noch eine Zweck­be­stimmung gibt. Fehlt es an dieser, so lässt sich vielfach ein Entle­di­gungs­wille annehmen. Die Abgren­zungs­fragen, ob etwas Abfall ist (und der Behörde damit das Instru­men­tarium des § 62 KrWG eröffnet ist) sind dennoch im Einzelfall gar nicht so einfach zu beant­worten. So fehlt zwar in § 3 Abs. 1 KrWG ein Hinweis auf eine etwaige Beweg­lichkeit. Aus § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG folgt indes, dass Böden am Ursprungsort (Böden in situ), einschließlich nicht ausge­ho­bener, konta­mi­nierter Böden und Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind, nicht dem Anwen­dungs­be­reich des KrWG unter­fallen. Doch was ist tatsächlich (noch) ein Bauwerk?

Untech­nisch bedeutet dies, dass es dann doch auf die Beweg­lichkeit für die Annahme eines Abfalls ankommt. Das VG Frankfurt (Oder) hat mit Urteil vom 06.12. 2023 – VG 5 K 259/20 – der Klage der Deutschen Bahn Netz AG gegen eine abfall­recht­liche Ordnungs­ver­fügung eines branden­bur­gi­schen Landkreises statt­gegen. Neben Fragen der Zustän­digkeit, des Natur­schutz­rechts und damit verbun­denen Verfah­rens­fragen ging es auch um die Frage der Abfall­ei­gen­schaft von Gleis­resten bestehend u.a. aus Schotter und mit Carbol­ineum getränkten alten Holzbahn­schwellen. Die Gleise wurden schon vor Jahrzehnten entfernt. Aus Sicht des Verwal­tungs­ge­richts stellte dies sowohl früher als auch immer noch ein Bauwerk dar und kann damit kein Abfall sein. Hierzu sind wohl Fragen angebracht.

Zwar schei­terte die abfall­recht­liche Ordnungs­ver­fügung schon daran, dass die Zustän­digkeit des Landkreises durch die spezi­ellere, fachge­setz­liche Zustän­digkeit des Eisenbahn-Bundes­amtes verdrängt werde – was sicherlich noch in weiteren Instanzen zu klären sein dürfte. In vorlie­gendem Sachverhalt hatte die Klägerin diese Reste von Gleis­an­lagen sogar weitrei­chend mit Boden­ma­terial überschüttet, um darauf ein Zaunei­dech­sen­ha­bitat zu errichten. Streitig war hierbei schon, was zuerst da war: das Boden­ma­terial oder die Eidechsen.

Auch die Abfall­ei­gen­schaft dieses Boden­ma­te­rials war zwar streitig, der Landkreis hierfür ausweislich des Urteils indes nicht zuständig. Das Verwal­tungs­ge­richt stützte sich jedoch hinsichtlich der strei­tigen Abfall­ei­gen­schaft der Gleis­reste zudem  darauf, dass die Gleis­reste immer noch über eine  Zweck­be­stimmung verfügen würden, da man von einer fiktiven eisen­bahn­recht­lichen Widmung ausgehen müsse. Sicherlich wird hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. (Dirk Buchsteiner)

 

2024-02-02T06:58:10+01:002. Februar 2024|Abfallrecht, Naturschutz|

Krötenzaun als Vorbeugung gegen Naturschutz

Das europäische und deutsche Natur­schutz­recht sieht strenge Regelungen für den Schutz bestimmter Arten und ihrer Lebens­räume vor. Was ist grund­sätzlich ein Segen für die Natur ist, kann aber auch ins Gegenteil umschlagen: Dann nämlich, wenn Vorha­bens­träger, um Einschrän­kungen durch Natur­schutz zu verhindern, jeglichen Aufwuchs verhindern und Natur ganz einfach von ihren Flächen aussperren. Manchmal sogar buchstäblich, wie in einem aktuellen Fall in Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.

Dort entwi­ckelt ein Investor Bebau­ungs­flächen für einen 90 Hektar großen „Clean Tech Business Park“. Damit sich in der Zwischenzeit dort keine seltenen und entspre­chend geschützten Arten ansiedeln, hat er eine Art „Kröten­schutzzaun“ gebaut, nur nicht mit der Intention Kröten zu schützen, sondern auf der Baubrache die Besie­delung mit der seltenen, in der Nähe vorkom­menden Wechsel­kröte zu verhindern.

Wechselkröte

Das Bezirksamt ordnete nach einer aktuellen Presse­mit­teilung des Verwal­tungs­ge­richts (VG) Berlin zunächst den Rückbau des Zauns und dessen Besei­tigung an. Der dagegen beantragte Eilrechts­schutz hatte Erfolg, der Zaun darf zunächst stehen bleiben. Denn, so begründete das VG, bisher befänden sich wohl noch keine geschützten Wechsel­kröten auf der Fläche und es seien sogar durch kleine Rampen sogar Vorkeh­rungen getroffen worden, ihnen die „Ausreise“ aus dem umzäunten Ostber­liner Terri­torium zu ermöglichen.

Solche Fälle mögen kurios erscheinen, sind aber durchaus keine Einzel­fälle. So haben wir vor ein paar Jahren den niedrigen „Otter­schutzzaun“ eines Betreibers von Fisch­teichen in der Lüneburger Heide erfolg­reich gegen die dortige Natur­schutz­ver­waltung verteidigt. Schließlich war der Eingriff in Natur und Landschaft eher gering und solche vorbeu­genden Maßnahmen besser als die früheren meist rabia­teren Methoden gegen den Otter.

Für Industrie- und Baubrachen gibt es jedoch auch ein anderes natur­schutz­recht­liches Konzept, an das Natur­schutz­be­hörden in solchen Fällen denken sollten: Natur auf Zeit, d.h. eine Art Deal zwischen Inves­toren und Natur­schutz­be­hörden, der darauf hinaus­läuft, dass die Natur­schutz­an­for­de­rungen gelockert werden, wenn dafür die Tier- und Pflan­zenwelt vorüber­gehend als „Zwischen­mieter“ akzep­tiert wird. Grundlage dafür sind bei Industrie- und Gewer­be­flächen die allge­meinen Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 und 4 BNatSchG, für Flächen für den Verkehr oder zur Rohstoff­ge­winnung gibt es – zum Teil auf Landes­ebene – noch spezi­ellere Privi­le­gie­rungen. Dadurch kann unter Umständen zumindest temporär Natur­schutz ermög­licht werden, ohne die Ziele der Vorha­ben­träger zu verun­mög­lichen. Gerade bei der Wechsel­kröte hätte so eine flexible Lösung Sinn, denn als Pionierart ist sie vergleichs­weise mobil und besiedelt Gebiete, auf denen viel in Bewegung ist, insbe­sondere Sand‑, Kies- und Tongruben. (Olaf Dilling)

 

2023-08-25T15:42:08+02:0025. August 2023|Naturschutz, Rechtsprechung, Verwaltungsrecht|