Über Miriam Vollmer

Dr. Miriam Vollmer ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie vertritt seit 2006 Stadtwerke und andere Unternehmen rund um die Themen Klima, Umwelt und Energie. Frau Dr. Vollmer ist Lehrbeauftragte der Universität Bielefeld, Vortragsrednerin mit breiter Erfahrung von Fortbildungsveranstaltungen bis zur re:publica und Verfasserin zahlreicher Publikationen.

Neu: Übergangs­re­gelung für die Kundenanlage

In den Top drei der Probleme, von denen wir alle wirklich nichts mehr hören wollen, behauptet die Kunden­anlage jeden­falls einen sicheren Platz auf dem Treppchen. Nachdem der EuGH die deutsche Ausnahme für europa­rechts­widrig erklärt hat und der BGH in seinem Urteil in der Sache festge­stellt hat, der Anwen­dungs­be­reich der Kunden­anlage umfasse vor allem die Eigen­erzeugung, ist es schwierig geworden, rechts­si­chere Lösungen für größere Gebäu­de­be­stände wie Kranken­häuser, Univer­si­täten, Indus­trie­standorte oder Wohnkom­plexe zu finden: Fast immer findet vor Ort eben doch eine Lieferung von Energie zwischen verschie­denen Personen statt. Von der Einhaltung der Voraus­set­zungen, die nach wie vor in § 3 Nr. 24a und b EnWG stehen, ganz zu schweigen. Dies ist nicht nur ein Problem, weil viele Projekte sich nicht mehr rechnen, sobald auch für interne Strom­lie­fe­rungen Netzent­gelte und Umlagen anfallen, sondern auch, weil eine ganze Reihe anderer Regelungen, etwa der Rechts­rahmen für Mieter­strom, mit dem Begriff der Kunden­anlage im EnWG verknüpft sind.

Nach der Recht­spre­chung des EuGH kommt es für die Abgrenzung zwischen Netzen und unregu­liertem Transport allein  auf die Elektri­zi­täts­bin­nen­markt­richt­linie an. Nur wenn nach dieser kein Netz vorliegt, kann auch der nationale Gesetz­geber eine Trans­port­struktur von der Regulierung ausnehmen. Entspre­chend überra­schend ist es, dass der Bundestag nun am 13. November 2025 eine Novelle des EnWG verab­schiedet hat, nach deren § 118 Abs. 7 EnWG die bishe­rigen Kunden­an­lagen erst ab dem 1.1.2029 als Strom­netze behandelt werden sollen. Damit will der Gesetz­geber laut Geset­zes­be­gründung die bisherige Rechtslage „konser­vieren“.

Eine solche Konser­vierung einer europa­rechts­wid­rigen Rechtslage sieht das Unions­recht jedoch nicht vor. Wenn der EuGH feststellt, dass natio­nales Recht gegen Unions­recht verstößt, gibt es keine Schon­frist, in der man sich weiter europa­rechts­widrig verhalten darf. Für die Betei­ligten – Letzt­ver­braucher wie Trans­por­teure – ist die Lage also ausge­sprochen unsicher. Auf dieser Basis vor Ort Entschei­dungen zu treffen (zumal nur für wenige Jahre), dürften die meisten Unter­nehmen als zu unsicher empfinden. So sehr sich vor Ort jeweils alter­native Lösungen finden lassen müssen, so unbefrie­digend ist diese Zwischen­re­gelung, die das Verhältnis zwischen europäi­schem Recht und deutschem Recht auf den Kopf stellt und deswegen mit einiger Wahrschein­lichkeit in Luxemburg anecken wird.

Für neue Projekte soll die dreijährige Übergangs­frist ohnehin nicht gelten. Netzbe­treiber und Inves­toren müssen hier also nun umgehend Entschei­dungen treffen. Generell gilt: Die Vertagung in die Zukunft macht nichts einfacher, höchstens die Regierung ist aus dem Schneider, sollte sie am 01.01.2029 nicht mehr regieren  (Miriam Vollmer).

2025-11-22T00:54:07+01:0022. November 2025|Strom|

BGH stärkt Trans­parenz: Bundes­netz­agentur darf Energie­ver­sorger namentlich nennen

Mit  Beschluss vom 17. Juni 2025 (Az. EnVR 10/24) hat der Bundes­ge­richtshof eine wegwei­sende Entscheidung für die Kommu­ni­ka­ti­ons­praxis der Bundes­netz­agentur (BNetzA) getroffen. Im Fokus: die Frage, ob die Behörde Energie­ver­sorger in ihren Presse­mit­tei­lungen namentlich nennen darf, wenn sie aufsichts­recht­liche Maßnahmen erlässt. Betroffen war dort der Versorger gas.de. Der BGH sagt: Ja – und zwar ausdrücklich.

Die Bundes­netz­agentur wacht darüber, dass Energie­ver­sorger zuver­lässig arbeiten, gesetz­lichen Vorgaben entsprechen und die Versor­gungs­si­cherheit nicht gefährden. Wenn Zweifel bestehen – etwa an der wirtschaft­lichen Leistungs­fä­higkeit oder der Organi­sation – darf sie nach dem Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) Maßnahmen ergreifen, bis hin zur Unter­sagung des Lieferantenstatus.

Solche Eingriffe sind öffentlich relevant. Deshalb infor­miert die BNetzA darüber auch regel­mäßig die Presse und Verbraucher. Doch die Frage, ob die Behörde den betrof­fenen Versorger beim Namen nennen darf, war lange umstritten. Unter­nehmen sehen darin oft einen tiefen Eingriff in ihre Außen­dar­stellung – zumal schon die Erwähnung negativer Maßnahmen erheb­liche wirtschaft­liche Schäden auslösen kann.

Der Bundes­ge­richtshof hat die BNetzA in ihrer Kommu­ni­ka­ti­ons­praxis in mehreren Punkten bestätigt:

Die Behörde darf Unter­nehmen in Presse­mit­tei­lungen identi­fi­zieren, sofern dies zur Infor­mation der Öffent­lichkeit erfor­derlich ist. Die Wahl der Veröf­fent­li­chungsform – ob anony­mi­siert oder namentlich – liegt im pflicht­ge­mäßen Ermessen der Behörde. Entscheidend ist, dass eine Inter­es­sen­ab­wägung vorge­nommen wird. Der BGH stellt klar, dass das Interesse der Allge­meinheit an Trans­parenz und Verbrau­cher­schutz schwerer wiegt als die negativen Auswir­kungen, die eine nament­liche Nennung für das Unter­nehmen haben kann.

Bemer­kenswert: Die BNetzA darf bereits vor Rechts­kraft der behörd­lichen Maßnahme öffentlich infor­mieren. Eine Veröf­fent­li­chung ist zulässig, solange die Verfügung nicht offen­sichtlich rechts­widrig ist.

Der BGH hebt hervor, dass die Presse­mit­teilung der BNetzA im entschie­denen Fall bewusst zurück­haltend formu­liert war: kein detail­lierter Vorwurfs­ka­talog, kein „Pranger-Effekt“, sondern eine sachliche Infor­mation über eine ergangene Verfügung.

Die Entscheidung sorgt für mehr Trans­parenz. Haushalte und Unter­nehmen können besser nachvoll­ziehen, welche Anbieter in Schwie­rig­keiten sind oder gegen regula­to­rische Vorgaben verstoßen. Gerade im Energie­markt, in dem Versor­ger­wechsel häufig sind, schafft dies Sicherheit.

Das Urteil ist aber auch ein klares Signal: Wer unter die Aufsichts­maß­nahmen der BNetzA gerät, muss mit öffent­licher Nennung rechnen. Unter­nehmen sollten darauf achten, interne Compliance-Prozesse und wirtschaft­liche Stabi­lität sauber nachzuweisen.

(Christian Dümke)

2025-11-20T23:09:41+01:0020. November 2025|Rechtsprechung|

BGH: Nicht­ein­haltung der Vorgaben des § 41 Abs. 5 EnWG führt zur Unwirk­samkeit der Preisanpassung

Der Streit über die Anfor­de­rungen an eine rechts­wirksame Anpassung der Strom- und Gaspreise durch den Energie­ver­sorger gährt schon eine ganze Weile in der Recht­spre­chung. Bisher stand zumindest fest, dass Preis­an­pas­sungen unwirksam sind, wenn der Versorger es gänzlich unter­lassen hat, den Kunden recht­zeitig nach § 41 Abs. 5 EnWG über eine zukünftige Preis­an­passung zu unter­richten oder wenn in dieser Unter­richtung der Hinweis auf das gesetz­liche Sonder­kün­di­gungs­recht fehlt. Dann kam der BGH und hat in einer Grund­satz­ent­scheidung die übrigen inhalt­lichen Anfor­derung an eine trans­pa­rente Preis­an­pas­sungs­mit­teilung präzi­siert dabei festge­stellt, dass der Versorger nicht nur den bishe­rigen Liefer­preis und den neuen Liefer­preis gegen­über­stellen muss, sondern sämtliche Preis­re­le­vanten Bestand­teile des Energie­preises tabel­la­risch aufge­schlüsselt alt vs. neu gegen­über­stellen muss.

Offen geblieben war dabei jedoch, was die Rechts­folge eines Verstoßes gegen diese erhöten Anfor­de­rungen ist. Hier gingen die Meinungen ausein­ander. Das Landge­richt düsseldorf ging schon frühh von einer Unwirk­samkeit entspre­chender Preis­än­de­rungen aus, während zum Beispiel Landge­richt Hamburg und Landge­richt Köln vertraten, dass der Verstoß gegen § 41 Abs. 5 EnWG keine Auswir­kungen auf die Preis­än­derung habe.

Jetzt hat der BGH entschieden und – für uns wenig überra­schend – in seinem Leitsatz nochmal eindeutig festgestellt:

Eine Preis­än­derung ist unwirksam, wenn der Energie­lie­ferant den Letztverbraucher unter Verstoß gegen die Trans­pa­renz­an­for­de­rungen des § 41 Abs. 5 Satz 1, 3 EnWG nicht über den Anlass der Preis­än­derung unter­richtet (Fortführung von BGH, Beschluss vom 10. September 2024 – EnVR 75/23 - Rückerstat­tungs­an­ordnung).“

Auf die Branche könnten in Folge unruhige Zeiten zukommen, denn sehr viele Versorger haben bei Preis­än­de­rungen der vergan­genheit die vom BGH verlangte Aufschlüs­selung nicht vorgenommen.

(Christian Dümke)

2025-11-14T17:41:15+01:0014. November 2025|Gas, Rechtsprechung, Strom, Vertrieb|