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VG Köln: Rechts­widrige Begründung und Markierung einer Fahrradstraße

Das Verwal­tung­ge­richt Köln hat sich letzte Woche in einem Eilver­fahren (Beschluss vom 20.08.2024 – 18 L 1279/24) über die Voraus­set­zungen der Begründung und die zulässige Markierung einer Fahrrad­straße geäußert. Im Bonner Stadtteil Ückesdorf war eine Fahrrad­straße ausge­wiesen worden, im wesent­lichen laut Presse­mit­teilung des Gerichts wohl mit der Begründung, dass für die Radfahrer aufgrund der geringen Straßen­breite Dooring-Gefahren bestünden. Dem Gericht reichte dies als Begründung einer konkreten Gefahr nicht. Zusätzlich seien weitere Daten zu erheben gewesen, aus denen dann eine konkrete Gefahr gefolgert werden könne. So etwa eine Verkehrs­er­hebung über die Zahl der Kfz, die die Straße täglich passieren und die Zahl der Radfahrer.

Fahrradstraße in Berlin -Mitte

Fahrrad­straße in Berlin-Mitte (Fridolin freudenfett, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons)

Die Entscheidung folgt einer fragwü­digen Tendenz, in das „zwingende Erfor­dernis“ des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO ähnlich strenge Anfor­de­rungen an verkehrs­be­schrän­kende Maßnahmen hinein­zu­lesen wie quali­fi­zierte Gefahr nach Abs. 9 S. 3, von der der  Verord­nungs­geber die Anordnung von Fahrrad­straßen gemäß § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 2 StVO ausdrücklich ausge­nommen hat. So äußert sich das Gericht dahin­gehend, dass es in anderen Straßen dieselben Gefahren gäbe. Eine überdurch­schnitt­liche Gefahr, die sich von anderen Straßen erheblich unter­scheidet, ist jedoch nach § 45 Abs. 9 S. 1 StVO auch nicht gefordert.

Die vielen Reformen der StVO zugunsten nicht-motori­sierter Verkehrs­arten laufen leer, wenn Gerichte weiterhin dem Kfz-Verkehr beson­deren Schutz angedeihen lassen und dessen Beschränkung zugunsten Fuß- und Radverkehr nur ganz ausnah­me­weise zulassen. Dem komplexen Regelungs­pro­gramm des § 45 StVO ist es geschuldet, dass es trotz der Erleich­te­rungen weiterhin immer auch Möglichkeit gibt, die Behörden mit Verkehrs­be­schrän­kungen auflaufen zu lassen.

Immerhin hat in dem Fall der Bonner Fahrrad­straße das Gericht die Möglichkeit offen gelassen, die Fahrrad­straße auf Grundlage einer geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung anzuordnen. Dies sei von der Behörde aber nicht vorge­tragen worden.

Auch die häufig zu findenden farbigen Begleit­streifen von Fahrrad­straßen sah das Gericht als rechts­widrig an. Denn es bestünde Verwechs­lungs­gefahr mit weißen Fahrbahn­be­gren­zungen. Um das zu beurteilen müsste man den Fall kennen, zumindest wenn auch eine amtliche – weiße – Markierung vorhanden ist, dürften sich die – in diesem Fall rote – farbliche optische Gestaltung der Fahrrad­straßen als zusätz­liche Kennzeichnung von einer amtlichen Markierung deutlich genug unterscheiden.

Insgesamt ist zu hoffen, dass Berufung eingelegt wird, so dass die Entscheidung vom OVG noch mal überprüft werden kann. (Olaf Dilling)

Nota bene: Das zuständige Landes­mi­nis­terium hat zur Frage der roten Begleit­linien inzwi­schen Stellung genommen.

2024-08-27T20:16:20+02:0026. August 2024|Allgemein, Kommentar, Rechtsprechung, Verkehr|

Berliner Grünan­la­gen­gesetz: Einzäunung der Problemzone

Mit Mauern oder Zäunen Politik zu machen, hat gerade in Berlin eine wenig gute Tradition. Nun ist es sicherlich ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen, wenn ein aktuell geplanter Zaun um den Görlitzer Park am Maßstab der Berliner Mauer gemessen wird. Geplant wird dieser Zaun von der Landes­re­gierung, weil damit die Krimi­na­lität, der Drogen­konsum  und ‑handel im Park bekämpft werden soll. Es soll dann möglich werden, den Park nach Anbruch der Dunkelheit zu schließen. 

Park im Herbst mit Fußgängern und Fahrradfahrern

Ob die erhoffte Wirkung eintritt und Drogen­handel und Krimi­na­lität im und vor allem rund um den Görlitzer Park wirklich insgesamt abnehmen, ist umstritten. Kritiker der Maßnahme und viele Anwohner befürchten, dass bloß ein Verla­ge­rungs­effekt in die vielen anderen Grünflächen in der Nähe oder gar in Hausein­gänge und Hinterhöfe stattfindet.

Was jeden­falls jetzt schon sicher ist: Dass der Weg zu Fuß oder mit dem Fahrrad vom Wrangelkiez zur Wiener­straße zwischen Sonnen­un­tergang und Sonnen­aufgang erheblich länger wird und dass der Park abends auch nicht mehr für ein aktuell reiches (sub-)kulturelles Leben, inklusive artis­ti­scher Darbie­tungen und mehr oder weniger spontane Konzerte von Straßen­mu­sikern, Grille­vents von türkisch­stäm­migen Familien oder Treffen von Nacht­schwärmern zur Verfügung steht.

Um den Bau des Zauns rechts­sicher umsetzen zu können, hat die Berliner Regierung sogar im Abgeord­ne­tenhaus die Änderung des Grünan­la­gen­ge­setzes durch­ge­setzt. Bisher waren nämlich auf Grundlage dieses Gesetzes angeordnete Maßnahmen vor dem Verwal­tungs­ge­richt gescheitert. Denn das Grünan­la­gen­gesetz ermächtige nur zu grünan­la­gen­spe­zi­fi­schen Maßnahmen, zu denen die Bekämpfung von Krimi­na­lität oder Drogen­handel nicht zählen würde. So war etwa insbe­sondere die Sperrung des Monbijou-Parkes in der Nachbar­schaft der Kanzlei an dieser Recht­spre­chung gescheitert.

Der Bezirk Fried­richshain-Kreuzberg wurde vom Senat angewiesen, den Bau des Zauns umzusetzen. Das sah dieser als Eingriff in sein Selbst­ver­wal­tungs­recht an und zog deshalb ebenfalls vor das Verwal­tungs­ge­richt. Inzwi­schen hat das Verwal­tungs­ge­richt Berlin jedoch in einer Eilent­scheidung geklärt, dass der Bezirk als kommunale Unter­einheit in Berlin keine eigenen Rechte geltend machen könne: Nicht der Bezirk, sondern allein das Land Berlin sei „Gemeinde“ im Sinne der kommu­nalen Selbst­ver­wal­tungs­ga­rantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. (Olaf Dilling)

2024-08-23T18:05:38+02:0023. August 2024|Allgemein, Kommentar, Kommunalrecht, Rechtsprechung, Umwelt|

Keine Freiheit, Tempo 30 vorzuschlagen?

Wir hatten vor knapp einem Jahr schon mal über einen Streit zwischen Bürgern von der Halbinsel Höri am Bodensee und dem Landratsamt in Konstanz berichtet: Es geht um Verkehrs­schilder an Landstraßen, die sich mit gewissen, zum Teil deutlichen Abwei­chungen, an amtlichen Schildern für Tempo 30-Zonen orien­tieren, aber auf denen „Freiwillig Tempo 30“ steht. Aufge­stellt werden sie von Anwohnern, denen es um die Verkehrs­si­cherheit von Kindern in Ortschaften mit Durch­gangs­verkehr geht.

Statue von spielenden Kindern im Park

Weiterhin erlaubt, da ohne Verwechs­lungs­gefahr mit Verkehrs­zeichen: Statue spielender Kinder in einem Park in Bonn (© Axel Kirch / CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons).

Das Landratsamt wurde nun in einer Eilent­scheidung vom Verwal­tungs­ge­richt Freiburg in seiner Auffassung bestätigt, dass von den Schildern eine Verwechs­lungs­gefahr mit amtlichen Verkehrs­zeichen ausgehe. Die Anwohner wollten sich die Schilder vom Landratsamt nicht nehmen lassen und hatten Eilantrag gestellt.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass nach § 33 Abs. 2 StVO Einrich­tungen, die Verkehrs­zeichen gleichen, nicht dort aufge­stellt werden dürfen, wo sie mit ihnen verwechselt werden können. Maßgeblich ist nach der Rechts­spre­chung das Gesamtbild, wie es sich einem flüch­tigen Betrachter darstelle. Demnach könne eine Verwechslung nicht ausge­schlossen werden. Dabei sei auch darauf zu achten, dass es Verkehrs­teil­nehmer gäbe, die fremd­sprachig sind. Verkehrs­schilder müssten aber inter­na­tional verständlich sein. Angeblich hätten sogar die Fahras­sis­tenz­systeme die Schilder missver­standen und die freiwil­ligen Tempo­limits als verbind­liche Vorgabe in die Software übernommen.

Schließlich sei durch die Verwechs­lungs­gefahr auch eine Gefahr für die Ordnung und Sicherheit des Verkehrs gegeben, wenn manche Verkehrs­teil­nehmer mit geringer Geschwin­digkeit fahren, andere aber mit der zuläs­sigen Höchst­ge­schwin­digkeit fahren wollen.

Die Entscheidung zeigt, dass im Verkehr Zeichen, die mit amtlichen verwechselt werden können, enge Grenzen gesetzt sind. Aller­dings dürfte sie Schildern nicht entge­gen­stehen, die eindeutig nicht­amt­lichen Charakter haben, weil sie sich von der optischen Gestaltung stark unter­scheiden, aber unter Verweis auf spielende Kinder dieselbe Botschaft vermitteln: „Achtung spielende Kinder! Langsam fahren!“ o.ä.

An manchen Stellen, etwa vor Kinder­spiel­plätzen oder auf viel frequen­tierten Schul­wegen sind die „Freiwillig Tempo 30“-Schilder ohnehin nicht mehr nötig, da sie nach der Reform aufgrund des neuen § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO unter erleich­terten Bedin­gungen durch amtliche Verkehrs­zeichen ersetzt werden können. (Olaf Dilling)

2024-08-14T15:12:13+02:0014. August 2024|Verkehr|