Krötenzaun als Vorbeugung gegen Naturschutz
Das europäische und deutsche Naturschutzrecht sieht strenge Regelungen für den Schutz bestimmter Arten und ihrer Lebensräume vor. Was ist grundsätzlich ein Segen für die Natur ist, kann aber auch ins Gegenteil umschlagen: Dann nämlich, wenn Vorhabensträger, um Einschränkungen durch Naturschutz zu verhindern, jeglichen Aufwuchs verhindern und Natur ganz einfach von ihren Flächen aussperren. Manchmal sogar buchstäblich, wie in einem aktuellen Fall in Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.
Dort entwickelt ein Investor Bebauungsflächen für einen 90 Hektar großen „Clean Tech Business Park“. Damit sich in der Zwischenzeit dort keine seltenen und entsprechend geschützten Arten ansiedeln, hat er eine Art „Krötenschutzzaun“ gebaut, nur nicht mit der Intention Kröten zu schützen, sondern auf der Baubrache die Besiedelung mit der seltenen, in der Nähe vorkommenden Wechselkröte zu verhindern.
Das Bezirksamt ordnete nach einer aktuellen Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin zunächst den Rückbau des Zauns und dessen Beseitigung an. Der dagegen beantragte Eilrechtsschutz hatte Erfolg, der Zaun darf zunächst stehen bleiben. Denn, so begründete das VG, bisher befänden sich wohl noch keine geschützten Wechselkröten auf der Fläche und es seien sogar durch kleine Rampen sogar Vorkehrungen getroffen worden, ihnen die „Ausreise“ aus dem umzäunten Ostberliner Territorium zu ermöglichen.
Solche Fälle mögen kurios erscheinen, sind aber durchaus keine Einzelfälle. So haben wir vor ein paar Jahren den niedrigen „Otterschutzzaun“ eines Betreibers von Fischteichen in der Lüneburger Heide erfolgreich gegen die dortige Naturschutzverwaltung verteidigt. Schließlich war der Eingriff in Natur und Landschaft eher gering und solche vorbeugenden Maßnahmen besser als die früheren meist rabiateren Methoden gegen den Otter.
Für Industrie- und Baubrachen gibt es jedoch auch ein anderes naturschutzrechtliches Konzept, an das Naturschutzbehörden in solchen Fällen denken sollten: Natur auf Zeit, d.h. eine Art Deal zwischen Investoren und Naturschutzbehörden, der darauf hinausläuft, dass die Naturschutzanforderungen gelockert werden, wenn dafür die Tier- und Pflanzenwelt vorübergehend als „Zwischenmieter“ akzeptiert wird. Grundlage dafür sind bei Industrie- und Gewerbeflächen die allgemeinen Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 und 4 BNatSchG, für Flächen für den Verkehr oder zur Rohstoffgewinnung gibt es – zum Teil auf Landesebene – noch speziellere Privilegierungen. Dadurch kann unter Umständen zumindest temporär Naturschutz ermöglicht werden, ohne die Ziele der Vorhabenträger zu verunmöglichen. Gerade bei der Wechselkröte hätte so eine flexible Lösung Sinn, denn als Pionierart ist sie vergleichsweise mobil und besiedelt Gebiete, auf denen viel in Bewegung ist, insbesondere Sand‑, Kies- und Tongruben. (Olaf Dilling)