Im Infra­struktur- und Abfall­ge­büh­ren­recht gibt es manchmal Fälle, die eine histo­rische Dimension haben. Entweder es geht um Altfälle, in denen zum Teil noch aus Sachver­halte aus Vorwen­de­zeiten geklärt werden müssen. Oder manchmal auch „Zombie­fälle“, in denen längst vergangen geglaubte Schand­taten wieder ans Licht kommen. Letzteres war unlängst bei einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts (VG) Göttingen der Fall.

Einwohner der Stadt Göttingen hatten gegen einen Abfall­ge­büh­ren­be­scheid geklagt. Es seien Nachsor­ge­kosten für eine Deponie berechnet worden, sie nicht zu zahlen verpflichtet seien. Die Stadt habe Kosten für die Umlegung eines Baches in Rechnung gestellt.

Flussbild mit Sonnenuntergang in schöner Landschaft

Leine bei Garbsen

Die Stadt war der Auffassung, dass die Umlegung als Teil der Deponie­nach­sorge gelte, also zu den Aufwen­dungen nach § 12 Abs. 3 Nieder­säch­si­sches Abfallgesetz
(NAbfG), die von den Gebühren gedeckt werden sollen. Das Gewer­be­auf­sichtsamt Braun­schweig würde die Stadt nämlich nur aus der Nachsorge entlassen, wenn der Bach, der sog. Bruch­weg­graben, umgelegt werde. Die Kläger waren anderer Meinung und bekamen vor dem VG recht.

Vor dem Gericht wurde deutlich, dass die Stadt da, was die Deponie angeht, fast buchstäblich eine Leiche im Keller hat. Eine Erwei­terung in den 1960er Jahren war ihr unter der Auflage genehmigt worden, dass der Bachlauf auf 350 m verrohrt wird und das Rohr regel­mäßig gewartet und unter­halten. Ausgelegt war des Rohr für höchstens 10 m. Tatsächlich wurden mehr als 20 m Bau- und Boden­schutt darüber abgeladen. Auch die verspro­chenen Kontrollen sind mögli­cher­weise unter­blieben, jeden­falls wurden keine Ausbes­se­rungen vorge­nommen. Im Ergebnis zeigte eine Unter­su­chung des Wasser­laufs bereits Anfang der 1980er Jahre, dass Sicker­wasser aus der Deponie einge­drungen ist und in die Leine gelangt.

Um aus der Nachsorge entlassen zu werden, soll die Stadt Göttingen nun eine Sanierung des Bachlaufs vornehmen, die insgesamt 1 Mio Euro kostet, dafür wurde die Hälfte über die Gebühren für 2019 abgerechnet.  Für diese auf schuld­haftem Handeln beruhende Verletzung der Gewäs­ser­un­ter­hal­tungs­pflicht müssen nach der Entscheidung des VG nicht die Gebüh­ren­schuldner aufkommen. Vielmehr muss der Schaden aus allge­meinen Deckungs­mitteln ersetzt werden (Olaf Dilling).